Apple: Sollten Investoren nicht einmal gierig sein?

Warum Apple eher Microsoft aus dem Jahr 1995 ähnelt und nicht Research in Motion 2008. Einige Bullen und Bärenszenarien für die Apple-Aktie.

Matthew Coffina 07.05.2013
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Es ist nicht überraschend, dass ich in diesen Tagen fast nur noch zur Apple-Aktie gefragt werde. Die Aktie des Kult-Unternehmens hat gegenüber ihrem Allzeithoch von 705 US-Dollar im September 2012 rund 40% an Wert verloren. Das ist für viele Investoren bitter, entspricht aber nicht dem fairen Wert, den wir für die Aktie bzw. das Unternehmen taxieren. Unseren Berechnungen zufolge wird die Aktie mit einem Abschlag von etwa 30% auf ihren fairen Wert gehandelt. Der liegt bei 600 Dollar. 

Anhand der meisten gebräuchlichen Bewertungsmaßstäbe scheint die Apple-Aktie günstig bewertet zu sein. Die Konsensschätzungen gehen von einem Gewinn von rund 40 Dollar je Aktie für das Geschäftsjahr 2013 aus, so dass das Kurs-Gewinn-Verhältnis bei rund 10 liegt. Zudem beendete Apple das letzte Quartal mit 145 Milliarden Dollar an liquiden Mitteln und Kapitalanlagen - bis zur Emission der viel diskutierten Anleihe war das Unternehmen schuldenfrei. Die Cash-Reserve entspricht fast 153 Dollar je Aktie in bar. Wenn wir diesen Betrag aus dem Aktienkurs heraus rechnen, wird Apple mit einem KGV von annähernd 6,5 gehandelt. Die Dividendenrendite mit 2,9%  kann sich ebenfalls sehen lassen.

Basierend auf Apples aktuellen Bewertungsmultiples scheint die Börse einzupreisen, dass sich das Schicksal des Unternehmens in einer dramatische Weise zum Schlechteren wendet und dies obwohl Apples Hauptgeschäft – der Verkauf von Smartphones und Tablets - erst in der mittleren Phase eines der größten langfristigen Wachstumsgeschichten in diesem Jahrhundert steht. Die Prognosen für den globalen Absatz von Smartphones gehen von einer jährlichen Wachstumsrate von 14% in den nächsten fünf Jahren aus.

Andere sind ängstlich - sollten Investoren nicht überlegen, einmal gierig zu sein?

Die Markt- und Wettbewerbsposition sowie deren Trend entscheiden

Die entscheidende Frage ist meines Erachtens, wie stark Apples wirtschaftliche Markt- und Wettbewerbsposition tatsächlich ist - und wie der Trend ausfällt. Auch wenn der Wettbewerbsvorsprung von Apple gegenüber der Konkurrenz derzeit nur begrenzt ist – wir drücken das mit dem Begriff „Economic Moat“ aus, was wörtlich übersetzt „Graben“ bedeutet – deutet einiges auf eine Stärkung der Wettbewerbsposition hin. Warum? Ein Blick auf die Branche der Unterhaltungselektronik liefert die Antwort. 

Die Historie der Unternehmen aus der Unterhaltungselektronikbranche ist sicherlich alles andere als vielversprechend. Der BlackBerry-Hersteller Research in Motion (RIM) verzeichnete fünf Jahre in Folge jährliche Wachstumsraten von 57% beim Umsatz. Dann kam das Jahr 2011. Der Umsatz brach um über 40% ein. So auch 2012. Die Rekordergebnisse kehrten sich in Verluste um. Andere ehemalige Überflieger wie Dell oder Nokia erlitten ähnliche Schicksale. Vor diesem Hintergrund  gibt es mit Blick auf Apple berechtigte Gründe, besorgt zu sein. Obwohl Apples Umsatz sich um 11% im letzten Quartal verbesserte, sank das Ergebnis je Aktie um 18%, da sich die Margen aus den im vergangenen Jahr erreichten Rekordhöhen reduzierten. Wiederholt sich die Geschichte? 

Ich meine nein. Wäre Apple ein typischer Hardwarehersteller, würde ich ein RIM-/Nokia-Szenario für realistisch bezeichnen, und mein Interesse an Apple würde hier enden. Viele Unternehmen haben in der Vergangenheit Erfolgsprodukte entwickelt und für Anleger viel Geld in kurzer Zeit verdient. Waren die wirtschaftlichen Gewinne jedoch nicht nachhaltig sind, folgte der Absturz auf dem Fuß. Stichwort RIM.

Allerdings ragt Apple aus der Masse heraus. Im Gegensatz zu RIM hat Apple ein robustes Ökosystem rund um seine Geräte entwickelt. Das Standard-Betriebssystem iOS der Apple-Produkte steht dabei im Zentrum. Hunderttausende von Apps wurden speziell für iPads und iPhones entwickelt. Apple hat sich einen großen Vorsprung erarbeitet. Immer mehr Haushalte kaufen im Laufe der Zeit nicht nur Apple-Geräte, sondern sie nutzen Apple-Dienste wie FaceTime, iTunes und iCloud. Die „Apple-Familie“ wächst also. Je mehr Apple-Geräte und die dazugehörigen Dienstleistungen genutzt werden, desto höher sind die potenziellen Umstellungskosten auf Konkurrenzprodukte. Auf diese Weise ähnelt Apple eher Microsoft aus dem Jahr 1995 als RIM im Jahr 2008. Es ist das schlagende Herz eines Ökosystems geworden! 

Was würde Apple-Kunden veranlassen, die Plattform zu wechseln?

Auch wenn man nichts kategorisch ausschließen darf, erscheint es fast undenkbar, dass treue Apple-Nutzer einen Plattform-Wechsel vornehmen würden. Bedingung hierfür wäre, dass Apple mit einer Reihe mieser Produkte aufwarten würde. Doch dafür gibt es bisher wenig Anzeichen. Im Gegenteil: Apple entzieht sich dem üblichen brutalen Wettbewerb der Unterhaltungselektronik. Er artet häufig in einer Margenschlacht aus, bei dem auch an der Qualität gespart wird, um die Kosten zu senken.

Apple hat seine Strategie indes mit Bedacht gewählt und den Fokus vor allem auf Qualität gelegt. Mehr als ein Jahrzehnt nachdem der erste iPod auf den Markt kam war niemand in der Lage, Apples Dominanz bei tragbaren Musik-Playern anzugreifen. Eine ähnliche Nischenposition scheint Apple im High-End-Laptop-Markt aufzubauen. Das Branding, also die Marke, ist dabei ähnlich wichtig wie die technischen Spezifikationen.

Die größte Sorge der Apple-Investoren ist der Konkurrenzdruck von Samsung. Samsung konnte schneller als Apple Marktanteile im Smartphone-Segment gewinnen. Das sollte aber keine Überraschung sein. Konsumenten mit höheren Einkommen waren die ersten Anwender von Smartphones. Sie wurden von Apples Premium-Produkten angezogen. Wer aus niedrigeren Einkommensschichten oder aus den Schwellenländern stammt, wird zwar zunehmend zu Smartphone-Käufer, ist jedoch preissensitiver als es Apple-Kunden sind.  

Die Stammkunden von Apple scheinen zufrieden zu sein, weshalb sie auch künftig regelmäßig Ersatzinvestititionen tätigen werden - also die neuen Versionen ihrer Apple-Geräte kaufen. Angesichts des langfristigen Wachstumstrends in der Branche kann es sich Apple durchaus leisten, seinen Marktanteil auf Kosten von Massenanbietern allmählich sinken zu lassen, ohne dass das einen Zusammenbruch wie bei RIM zur Folge hat. Ich glaube nicht, dass die schrittweisen technologischen Verbesserungen der Wettbewerber ausreichen werden, um die Position Apples zu unterminieren. Apple müsste schwerwiegende Fehler machen und eine ganze Innovationsstufe verschlafen – so wie es bei RIM mit Blick auf den Trend Richtung Touchscreen der Fall war. 

Bei einer Vielzahl von möglichen Szenarien, die von leichten Gewinnrückgängen bis durchschnittlichem Wachstum reichen, sieht die Apple-Aktie günstig aus. Wenn es Apple weiter gelingt, seine Serie an erfolgreichen Produkten fortzuführen, ist die Bewertung der Aktie fast schon lächerlich niedrig. Natürlich müssen Investoren berücksichtigen, dass die Produktlebenszyklen in dieser Branche sehr kurz sind und viele Unternehmen aus der Unterhaltungselektronik Trends versäumten. Wesentliche Umsatzausfälle sind nicht unmöglich, wahrscheinlich sind sie jedoch nicht.

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Über den Autor

Matthew Coffina  Matthew Coffina is the editor of the Morningstar StockInvestor newsletter.