Wenn der Sommer schon im Mai ein jähes Ende findet

Warum in den vergangenen zwei Monaten Aktien, Anleihen und Edelmetalle auf breiter Front in die Knie gegangen sind – und was sich für Schlussfolgerungen für Anleger anbieten.

Ali Masarwah 17.07.2013
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Alle Investoren lieben Asset-Preis-Blasen, wenn sie praller und praller werden. Auch mit dem Wissen, dass Parties an den Märkten häufiger jäh abbrechen als sanft abklingen, verweilt man doch gerne an einem Markt, der nur eine Richtung zu kennen scheint. Und überhaupt: Gibt es nicht viele, viele gute Gründe, warum die Kurse weiter steigen werden? In den ersten fünf Monaten dieses Jahres waren die Kapitalmärkte von einer derartigen Welle der Zuversicht getragen.

Alle Investoren lieben Asset-Preis-Blasen, wenn sie praller und praller werden.

Kein Investor mag platzende Blasen. Sie sind der Stoff, aus dem Alpträume gemacht sind. Sie sind die hässliche Fratze der Kapitalmärkte, der Spiegel, der einem vor die Nase gehalten wird, wenn die Wertveränderungen im Portfolio in beunruhigendes Rot und nicht in saftiges Grün getaucht sind. Ende Mai war es wieder so weit: Nach Ben Bernankes Rede vor dem US-Kongress am 22. Mai (die unmittelbar danach von Marktteilnehmern positiv bewertet wurde) schienen Anleger erstmals zu realisieren, dass eine wirtschaftliche Erholung der US-Wirtschaft auch ein Ende der Anleihekäufe durch die FED zur Folge haben könnte. Gleich am nächsten Morgen krachte der japanische Leitindex Nikkei 225 um gut 7% nach unten, was den Auftakt einer scharfen Korrektur darstellte.

Kein Investor mag platzende Blasen. Sie sind die hässliche Fratze der Kapitalmärkte, der Spiegel, der Investoren vor die Nase gehalten wird.

Etliche Anleger dürften diese beiden konträren Gemütszustände erlebt haben und sich fragen, ob sie jüngst bereits die Sollbruchstelle zwischen zwei Marktphasen erlebt haben. Natürlich wissen wir das bei Morningstar auch nicht. Fest steht indes: Seit zwei Monaten befinden sich die Kapitalmärkte in schwierigem Fahrwasser. Das nehmen wir zum Anlass, in Kürze auf die am heftigsten gebeutelten Asset-Klassen und Fonds einzugehen und eine Standortbestimmung zu wagen.

Emerging Markets Bonds: Ein Evergreen, der plötzlich ziemlich welk wurde

Die Ausgangslage: Fonds für Schwellenländeranleihen waren in den vergangenen Jahren Anlegers Lieblinge. In Zeiten, in denen es für die Industrieländer Downgrades der großen Rating-Agenturen hagelte, waren bei Schwellenländern eher Aufstufungen angesagt. Mit der Folge, dass Währungen und Bonds im Gleichklang zulegten. Goldene Zeiten also für Anleger, die rechtzeitig auf Bond-Fonds für lokale Schwellenländerwährungen gesetzt hatten. Die Euphorie über Schwellenländer-Anleihen lässt darauf schließen, dass viele Anleger einige elementare Zusammenhänge verdrängt haben: Steigen die Zinsen in den Industrieländern, werden derartige Carry Trades weniger attraktiv.

Was ist seitdem passiert? Wenn Schwellenländeranleihen weniger attraktiv erscheinen, wechseln die Geldströme die Richtung. Die Aussicht auf steigende Zinsen  - vor allem in den USA – hatten im Juni massive Abflüsse aus den Schwellenländern zur Folge. Davon blieben auch die lokalen Währungen nicht unberührt. Wieder einmal zeigte sich, dass die Märkte der Schwellenländer am Tropf der Dollar-Investoren hängen. Und: nicht zuletzt machte sich die hohe Zinssensitivität der im Schnitt länger laufenden Emerging-Staatsanleihen bemerkbar – im JPMorgan EMBI Index etwa beläuft sich die modifizierte Duration auf gut sieben Prozent. Das bedeutet, dass ein Anstieg des Marktzinses um einen Prozentpunkt Verluste von sieben Prozent nach sich zieht. Entsprechend schwer hatten es diese Papiere. Die in Europa zum Vertrieb zugelassenen Schwellenländer-Bond-Fonds, die auf lokale Währungen lauten, verloren in den vergangenen zwei Monaten (per 16. Juli) im Schnitt satte 9,8%. Nicht viel besser erging es den Fonds für Emerging Markets Bonds, die in Hartwährungsanleihen, vor in US-Dollar denominierte Papiere, investieren. Sie verloren seit Mitte Mai im Schnitt 8,7%.

Die möglichen Schlussfolgerungen: Die Kursverluste dürften ein willkommener Warnschuss sein. Denn allen Turbulenzen in den letzten Wochen zum Trotz hielten sich die Verluste seit Jahresanfang bei lokalen Schwellenländer-Bonds mit minus 3,7% in engen Grenzen, und auch bei Hartwährungsanleihen kann man nicht von einem Crash sprechen. Wer nun „aus Versehen“ in eine vermeintlich risikofreie Fondskategorie investiert hat – aus welchen Gründen auch immer -, dürfte also ohne große Schmerzen die Reißleine ziehen können. Die Mehrheit der Investoren, die – hoffentlich – die Risiken dieser Produkte einschätzen kann, könnte die Korrektur als Einstiegsgelegenheit erachten. Ungeachtet der Zinssteigerungs-Szenarien dürften nämlich sichere Bonds aus den Industrieländer auch in unmittelbarer Zukunft keine guten - im Sinne von rentierlichen - Investments sein.

Schwellenländer-Aktien:  freudlose Zeiten werden noch freudloser

Die Ausgangslage:Was ist bloss los mit den BRICs? Im Gegensatz zum abrupten Kurseinbruch bei Schwellenländer-Bonds beschäftigt Aktien-Investoren die Frage nach den Gründen für die schwache Performance von Schwellenländern schon länger – vor allem, wenn man die Renditen mit der nach wie vor auskömmlichen Performance von Aktien aus den Industrieländern kontrastiert. Investoren hatten bislang die gedämpften Wachstumsaussichten für die Schwellenländer, vor allem das verlangsamte Wachstum in China, geflissentlich ignoriert und unverdrossen die Wachstums-Story gespielt. Schwellenländer-Aktienfonds haben europaweit in den vergangenen 12 Monaten extrem hohe Mittelzuflüsse verzeichnet.

Was ist seitdem passiert? Eigentlich nicht so furchtbar viel, jedenfalls nicht viel mehr als das, was schon vorher bekannt war. Die politischen Turbulenzen im Nahen Osten und der Türkei, die sozialen Unruhen in Brasilien und die (relative) Wachstumsschwäche in China scheinen heute anders wahrgenommen zu werden als in der Vergangenheit. Mit gravierenden Folgen an den Märkten. Besonders hoch waren die Verluste in den vergangenen zwei Monaten bei Türkei-Fonds, die im Schnitt um 23% einbrachen, Brasilien-Aktienfonds büssten knapp 20% seit Mitte Mai ein, BRIC-Fonds verloren 11,4% und auch globale Schwellenländeraktienfonds sackten um 10,3% ab. 

Die möglichen Schlussfolgerungen: Ist das Glas denn nun halb voll oder halb leer? Viele Anleger dürften sich die Frage stellen, ob die jüngsten Kursverluste Kaufgelegenheit darstellen, oder ob noch mehr Unbill bevorsteht. Nimmt man die Bewertung der Aktien im MSCI Emerging Markets zum Massstab, impliziert ein durchschnittliches Kurs-Gewinn-Verhältnis von 12 (per Mitte Mai) eine deutlich höhere Bewertung als auf dem Tiefpunkt im Mai 2009, als das KGV im MSCI Emerging Markets bei 7,1 lag; der Fünfjahresdurchschnitt von 11,4 legt dagegen eine nahezu neutrale Bewertung nah, und nach den jüngsten Kursverlusten sind Schwellenländer attraktiver bewertet als zuvor. Nimmt man dann noch die Mittelflüsse in Fonds als Kontraindikator, dann liefern die leichten Abflüsse im Mai, die sich im Juni deutlich beschleunigten, weitere Kaufargumente.

Aktien-Renten-Fonds für Schwellenländer, die als Lösung für den risikoaversen Investor verkauft wurden, haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Ein Wort auch noch zu gemischten Aktien-Renten-Fonds für Schwellenländer, die jüngst in Mode gekommen sind. Diese Fonds wurden als Lösung für den risikoaversen Investor verkauft, der nicht alles auf die Aktienkarte setzen möchte. Diese Prämisse ist zumindest fragwürdig, betrachtet man die hohe Korrelation zwischen Emerging Markets Aktien und Bonds. Mit Verlusten von gut 9% litten Mischfonds für Schwellenländer in den letzten beiden Monaten sowohl unter der schwachen Bond- als auch unter der schwachen Aktien-Performance. Anleger sollten sich also nicht von den Marketing-Stories der Fondsindustrie blenden lassen, sondern kritisch hinterfragen, ob es sich bei Emerging Markets Anleihen wirklich um die sicheren Häfen handelt, die in Mischfonds die Aktienrisiken abfedern können. 

Edelmetalle und sonstiger Inflationsschutz: Botschaft angekommen?

Die Ausgangslage: Selten stand in der Frage, ob eine Inflation vor der Tür stehe, die Wahrnehmung vieler Investoren so diametral dem volkswirtschaftlichen Konsens gegenüber. Frei nach dem Motto: Die nächste Inflation kommt bestimmt, haben Anleger in den vergangenen Jahren Edelmetalle gekauft als gäbe es kein Morgen. Vor allem Untergangspropheten, die vom Interventionismus der Notenbanken nichts halten, rieten zu Gold-Investments in großem Stil. Auch Fonds für inflationsindexierte Anleihen wurden unter der Annahme gezeichnet, dass die extrem lockere Geldpolitik zwangsläufig zu einer galoppierenden Inflation führen werde. 

Was ist seitdem passiert? Immer mehr Investoren haben offenbar verstanden, dass der Kaiser keine Kleider trägt. Die Inflation kommt nicht. Jedenfalls nicht so lange, wie die expansive Geldpolitik nicht in die Realwirtschaft eingreift. Wer die extremen Schrumpfungsprozesse in Südeuropa und die Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe an Unternehmen zur Kenntnis nimmt, dürfte nicht von einer bevorstehenden Inflation ausgehen können. Und wer sich vergegenwärtigt, dass die Kerneurozone mit einem Nullwachstum in diesem Jahr allenfalls als Einäugiger unter den Blinden durchgehen kann und auch das Wachstum in den USA mitnichten stabil ist, der sollte sich schleunigst vom Teuerungsszenario verabschieden. Viel eher drohen Inflationsgefahren, vor allem in der Eurozone, wo ein Japan-Szenario inklusive taumelnder Zombi-Banken nicht unwahrscheinlich ist. Die eigentlich wenig spektakulären Konsequenzen dieser Erkenntnis: Gold- und andere Edelmetallaktienfonds setzten in den vergangenen zwei Monaten ihre Talfahrt fort. Fonds dieser Morningstar-Kategorie verloren im Schnitt 11,1%, physische Goldfonds büßten gut 8,7% ein. Die Mittelabflüsse aus Gold-ETFs haben sich jüngst dramatisch beschleunigt.

Auch Inflationsschutzanleihe-Fonds verloren seit Mitte Mai – je nach Anlageregion – zwischen 9,1% und 2,1%. Während die US-Rentenfonds, die auch unter der längeren Laufzeiten zu leiden hatten, besonders unter die Räder kamen, verloren Euro-Inflationsschutz-Fonds mit durchschnittlich 2,1% in den vergangenen 2 Monaten am wenigsten.

Die möglichen Schlussfolgerungen: Sollten Sie nicht ein Hedgefondsmanager mit dem Namen John Paulson sein, der unverdrossen an seinen gigantischen Gold-Positionen festhält, dürfte eine Reduzierung des Bestands an physischem Gold auf fünf, allerhöchstens zehn Prozent Ihres Portfolios Pflicht sein. Sie sollten zudem aus den richtigen Gründen in Gold investieren: Gold eignet sich allenfalls als Diversifizierer eines Aktienportfolios – als Versicherung gegen Inflation gibt es bessere Investments (lesen Sie hier mehr zum Thema Gold). Bei Goldaktienfonds stellt sich für Privatanleger sowieso die Sinnfrage, denn auch hier gilt: Branchenfonds sind selten eine gute Wahl. Bei Goldminenaktien liegen zudem auch die Profis mit ihren Einschätzungen daneben.

Sollten Sie nicht ein Hedgefondsmanager namens John Paulson sein, wäre es geboten, das Gold-Exposure in Ihrem Portfolio zu reduzieren.

Mit Blick auf Inflationsschutzanleihen ist die Lage etwas weniger kniffelig: Hier ist die Lage einfacher zu beurteilen als bei Gold, dessen Wert unmöglich zu beurteilen ist. Anleger sollten sich hier nur die Frage stellen, ob sie eine Versicherung gegen eine starke Teuerung wirklich brauchen. Wenn die Antwort ja lautet, dann ist die Lage klar: Jeder, der eine Versicherung kauft, zahlt dafür eine Prämie und hofft zugleich, dass der Ernstfall nicht eintritt. Wer sein Portfolio gegen Inflationsgefahren absichert, wird in Zeiten wie diesen laufend Geld verlieren bzw eine unterdurchschnittliche Rendite auf der Bond-Seite vereinnahmen. Die Verluste der jüngsten Zeit gehören dann dazu. Gerade die Verluste bei amerikanischen inflationsgesicherten Papieren zeigen, dass Prämien manchmal schmerzhaft hoch ausfallen können. Zu hoch? 

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich