Auf der Suche nach den verkappten Russland-Fonds

Nicht überall, wo Russland drin ist, steht auch Russland drauf. Wir haben in einer umfassenden Analyse die Fonds am Markt auf russische Aktien abgeklopft. 

Ali Masarwah 11.03.2014
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Nicht überall, wo Russland drin ist, steht auch Russland drauf. Obwohl der russische Aktienmarkt im Bewusstsein der meisten Investoren eine Nische darstellt, finden sich russische Aktien in vielen aktiv verwalteten Fonds – auch dort, wo man sie nicht vermuten würde. Das ergibt eine umfassende Marktübersicht von Morningstar.

Vorab für Investoren zur Orientierung: Aktiv verwaltete Fonds haben im Vergleich zu Indexfonds große Freiheiten, wenn es um Investments fernab des Referenzindex geht. Off-Benchmark-Wetten nennt man das im Fachjargon. Investments, die Pfade fernab vom Index betreten, sind nicht verwerflich und auch gängige Praxis. Ja, sie gehören in gewissem Maße zum aktiven Fondsmanagement dazu wie das Salz in der Suppe. Allerdings sollte Maßhalten das Motto für Fondsmanager sein, gerade dann, wenn es sich bei den Beimischungen um riskante Assets handelt. Russland-Aktien dürften unbestreitbar dazu zählen.

Für manche sind Russland-Aktien heute Schnäppchen

Bis zur Eskalation der Ukraine-Krise sprach einiges für Russland-Aktien als Beimischung in globalen Portfolios. Der russische Aktienmarkt hielt sich in den vergangenen Jahren relativ wacker im Vergleich zu anderen Schwellenländer-Märkten. Bis weit in den Herbst 2013 überwogen die positiven Einschätzungen von Fondsmanagern und Ökonomen. Sie waren der Meinung, dass die russische Wirtschaft wegen der positiven Leistungsbilanz des Landes unter den Emerging Markets relativ gut dastehe.  Auch weil Russland nicht von den Finanzströmen aus dem Ausland nicht abhängig sei, werde sich der Rubel stabil halten.

Dass russische Aktien zudem auch mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von gerade einmal 4 niedrig bewertet sind, machte das Land sogar zu einem attraktiven Ziel für Investoren, die sonst eher in Europa oder den USA unterwegs sind. Beispielsweise Christoph Bruns, Fondsmanager des flexiblen Aktienfonds Loys Global. „Wenn wir in den entwickelten Ländern investieren, kaufen wir den Euro zu 70 Cent. In Russland kaufen wir ihn zu 40“, so Bruns jüngst im Gespräch (lesen Sie hier weiter). Bei einem KGV von 2 könne man „langsam ins Gespräch kommen“. Aktuell ist der Fonds zu rund 1,8% in Gazprom investiert.  

Doch allen Überlegungen zur Substanzhaftigkeit russischer Aktien und Stabilität des Rubels zum Trotz: Es kam, wie so oft, ganz anders. Der Rubel rollte – und zwar immer weiter bergab. Hinzu kamen ab Ende Februar die Kurseinbrüche am russischen Aktienmarkt im Zuge der Eskalation der Ukraine-Krise und der mit der Intervention russischer Kräfte auf der Krimhalbinsel verbundenen Internationalisierung des Konflikts. Gut 20 Prozent haben die russischen Aktienindizes in den vergangenen fünf Wochen verloren. Wer nun der Meinung ist, dass der Einbruch übertrieben sei und Kaufkurse winken, findet eine große Auswahl an Russland-Fonds oder –ETFs am Markt (lesen Sie hier weiter).

Gibt es viele Gazprom-Aktionäre wider Willen?

Doch nicht alle Fonds-Investoren dürften begeistert von einem Investment in einem kriselnden Schwellenland sein. Um aufzuzeigen, in welchen Fonds russische Aktien enthalten sind, haben wir unsere Datenbank Morningstar Direct nach russischen Aktien durchforstet. Dabei haben wir alle in Europa zum Vertrieb zugelassenen Aktienfonds – rund 11.400 an der Zahl - auf ihren Russland-Anteil abgeklopft. Alles in allem waren per Ende Januar rund 4.900 Aktienfonds in Russland-Aktien investiert. Diese Fonds wiesen eine insgesamt moderate Russland-Quote von durchschnittlich 1,7% auf. So weit, so beruhigend. Doch, wie wir zeigen werden, steckt der Teufel im Detail. Folgende Ergebnisse haben wir für Investoren in Deutschland, Österreich und der Schweiz ermittelt.

Bei Russland-Fonds ist die Sache glasklar

Bei den 73 Russlandfonds ist die Sache klar. Dass Aktienfonds wie der DWS Russia oder der ESPA Stock Russia eine Russland-Quote nahe 100% aufweisen, ist nicht weiter bemerkenswert, ja, es kann nicht anders sein. Man hört die Fondsmanager rufen: „hier stehe ich und kann nicht anders“. Sie haben die Aufgabe, dort zu investieren, wo es die Leitlinien des Fonds  vorsehen. Russland-Fonds sind nun einmal konzentrierte Investments. Auch wenn diese Produkte im Schnitt nur zu 85% in Russland-Aktien investiert sind: Am Ende sind die Cash-Quoten und Beimischungen in anderen Ländern (ironischerweise sind Russlandfonds zu etwa 1% in Ukraine-Aktien investiert) von begrenzter Relevanz.

Die Russlandlastigkeit von Osteuropa-Aktienfonds könnte dagegen nichteingeweihte Investoren erstaunen: Bei Aktienfonds der Morningstar-Kategorie Emerging Eastern Europe handelt es sich häufig um verkappte Russland-Fonds. Das liegt an der Größe des russischen Aktienmarkts im Vergleich zu anderen osteuropäischen Märkten. Die gängige Benchmark dieser Kategorie, der MSCI Eastern Europe Index, besteht zu rund 65% aus russischen Aktien – polnische Aktien machen 25% aus. Bei einer neutralen Gewichtung wären solche Fonds also zu etwa 2/3 in Russland-Aktien investiert.

Bei Osteuropa drohen unliebsame Überraschungen

Doch aktive Fonds fahren bekanntlich aktive Wetten. Etwa der UBS Eastern Europe. Er wies per Ende Januar eine Russland-Quote von gut 75% aus. Hoch gewichtet waren Russland-Aktien auch Fonds wie dem JPM Eastern Europe und dem Baring Eastern Europe. Hier machten Russland-Aktien per Ende Januar rund Zweidrittel der Fondsgelder aus. Am anderen Ende des Spektrums finden sich Fonds wie der Aberdeen Eastern European Equity, der per Ende Januar "nur" zu rund 45% in Russland unterwegs waren. Produkte wie der BNY Mellon Eastern Europe Dividend war sogar nur zu rund 24% in Russland investiert. Der Nachhaltigkeitsfonds ERSTE Responsible Stock Europe Emerging weist sogar lediglich eine Russland-Quote von 4% auf. Im Schnitt waren Osteuropa-Fonds allerdings zu knapp 50% per Ende Januar in russischen Aktien investiert.

Weniger intuitiv naheliegend sind hohe Russland-Quoten in so genannten EMEA-Aktienfonds. „EMEA“ steht für Europe, Middle East und Afrika. Diese Fonds sind in Teilen aber durchaus stark Russland-lastig, so etwa der JPMorgan Emerging Europe, Middle East and Africa Equity, der Fidelity EMEA oder der SSgA Emerging EMEA, die eine Russlandquote von 25 bis gut 35% aufweisen. Im Schnitt sind es bei dieser insgesamt recht kleinen Fondskategorie 33%.

Statik der BRIC-Fonds wird erneut zum Nachteil

Keine Überraschung indes bei so genannten BRIC-Fonds. Sie setzen sich per Definition zum Teil aus Russland-Aktien zusammen, ihr Anlagespektrum ist eng begrenzt. Wir haben immer wieder bemängelt, dass BRIC-Fonds keine gute Risikostreuung bieten und es keinen sachlich überzeugenden Grund gibt, einen Fonds aus nur vier Ländern (Brasilien, Russland, Indien und China) zu konstruieren. Im Schnitt sind BRIC-Fonds zu rund 17% aus Russland-Aktien zusammengesetzt, wobei die Quote zwischen hohen 21,1% beim ISI BRIC Equities und relativ moderaten 16,8% beim Allianz BRIC Stars schwankt.

Wer flexibel in Schwellenländer-Aktien investieren will, sollte auf global anlegende Emerging-Markets-Aktienfonds ausweichen. Diesen steht das gesamte Universum der Emerging Markets-Aktien offen. Diese Fonds müssen nicht zwangsläufig ein hohes Gewicht an Russland-Aktien haben. Nimmt man die Standard-Messlatte der Schwellenländer-Aktienmärkte, den MSCI Emerging Markets, zum Maßstab, dann müssten Russland-Aktien bei einer neutralen Gewichtung rund 5,5% ausmachen. Übergewichtet waren per Ende Januar vor allem die Fonds UBS Global Emerging Markets Opportunities, Robeco Emerging Stars Equities oder der Fidelity Emerging Markets. Sie wiesen Russland-Quoten von deutlich über zehn Prozent aus. Sie sind also mit einer sehr hohen Russland-Gewichtung in den wenig Russland-freundlichen Februar marschiert.

Etliche Sustainability-Fonds hielten sich von Russland fern

Deutlich untergewichtet bzw. nicht in Russland investiert waren bei globalen Schwellenländerfonds vor allem Nischenprodukte, etwa Nachhaltigkeitsfonds vom Schlage des First State Global Emerging Markets Sustainability.  Dies gilt auch für zahlreiche Nebenwerte-Fonds. Aber auch marktbreit investierende Fonds mussten nicht zwangsläufig Russland übergewichten. Der Robeco Emerging Conservative Equities war per Ende Januar zu nur 3,5% in Russland investiert, beim Morgan Stanley INVF Emerging Markets Equity waren es 3,8%, ebenso wie beim Lombard Odier Emerging Equities Risk Parity.

Ein gänzlich anderes Spiel sind Russland-Aktien für breit aufgestellte Aktienfonds, die europaweit oder global investieren. Man muss wissen, dass solche Fonds üblicherweise Indizes wie den MSCI Europe oder MSCI World als Vergleichsmaßstab verwenden. Diese Indizes bilden Aktien aus Industrieländern ab, russische Aktien sind also per definitionem nicht enthalten. Fondsmanager derartiger Produkte, die russische Aktien kaufen, gehen eine Wette fernab ihrer Vergleichsindizes ein. So der GS&P Fonds Aktien Global Dividends, ein – der Name deutet es an – global anlegender Dividendenfonds. Er war per Ende Januar  zu rund 7,7% in russischen Aktien investiert. Tatsächlich weisen russische Aktien hohe Dividendenrenditen auf. Beim Energie-Schwergewicht Gazprom sind es etwa 6,5%. Das dürfte freilich auch für Dividendenjäger eine nur ungenügende Kompensation für den 12-Monatsverlust von 27% sein!

Christoph Bruns und Nicolas Walewski fliegen auf Gazprom

Russland-Affinität zeigt auch der Alken European Opportunities, ein flexibler Europa-Aktienfonds. Er wies per Ende Januar eine Russland-Quote von 7,4% auf, die auf Investments in Gazprom (4%) und Sparbank (3,4%) zurückgeht. Beim Energieriesen Gazprom hat Fondsmanager Nicolas Walewski zuletzt sogar zugekauft.

Bei Russland-Aktien sind in den vergangenen zwei Jahren – einhergehend mit den sinkenden Kursen - zunehmend mehr global orientierte Value-Manager eingestiegen. Zuletzt wiesen innerhalb der Morningstar-Kategorie globale Standardwerte Value der SKAGEN Global mit 6,3% Russland-Anteil per Ende Januar den höchsten Russland-Anteil auf. Auch der Keppler-Global-Value LBB-Invest setzte per Ende Januar zu 3,5% auf Russland, eine Quote, die ungeachtet der Kursverluste auch per Ende Februar aufrecht erhalten wurde, was impliziert, dass der Manager nachgekauft haben muss, um diese Quote konstant zu halten.

Zu den globalen Standardwerte-Fonds, die diese Off-Benchmark-Wette fuhren, zählten per Ende Januar der BGF Global Equity, der zu rund 4,8% in Russland investiert war. Der RP Global Market Selection brachte es auf 4,5% und der Baring Global Select auf 4,1%.

Auch in Infrastruktur-, Rohstoff- und Agrarfonds blitzen immer wieder Russland-Positionen auf, etwa beim DWS Global Natural Resources, BGF World Agriculture oder Investec Global Natural Resources. Angesichts der großen Performance-Probleme dieser Fonds dürften die homöopathischen Russland-Quoten von 2-3% der Portfolios allerdings ein sehr begrenztes Problem für diese Fonds gewesen sein. 

Russland-Aktien müssen aber nicht für Investoren ein rotes Tuch sein. Wer glaubt, dass auch die derzeitige Krise irgendwann beendet ist und von den sehr niedrigen Bewertungen überzeugt ist, findet hier eine Liste an Russland-, Osteuropa- und globalen Schwellenländerfonds, die positive Morningstar Analyst Ratings aufweisen. 

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich