Fondsanleger nehmen Gewinne mit, bleiben Risikoanlagen aber treu

Juli-Daten zeigen Ausverkauf bei Hochzins-Bonds und etlichen Aktienkategorien – Mischfonds verbuchen Rekordzuflüsse. Schwellenländer-Aktienfonds mit den höchsten Zuflüssen seit Anfang 2013, wie die Morningstar Fondsabsatz-Statistik zeigt.

Ali Masarwah 15.09.2014
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Auf den ersten Blick war das Verhalten europäischer Fondsanleger im Juli von Kontinuität geprägt. Langfristfonds für Privatinvestoren – also Anlagefonds exklusive Geldmarktfonds – konnten im Juli für das Jahr 2014 sogar überdurchschnittlich hohe 39,13 Milliarden Euro an Nettoneugeldern auf sich vereinen. Dies beruht in erster Linie auf die steigende Nachfrage nach Mischfonds, die 16,12 Milliarden Euro an Zuflüssen verbuchen konnten. Das entspricht dem höchsten jemals gemessenen Investitionsniveau für diese Anlageklasse in einem Monat. Bereits im Juni hatten die Mischfonds-Zuflüsse mit gut 12,6 Milliarden Euro einen historischen Höchststand erreicht, der nunmehr deutlich übertroffen wurde. 

Auch Aktienfonds sammelten für dieses Jahr überdurchschnittlich hohe Summen ein. Im Juli wurden netto 8,05 Milliarden in Aktienfonds angelegt, was vor allem auf die hohe Nachfrage nach Fonds mit Schwerpunkt Schwellenländer global und Asien-Pazifik zurückgeht. 

Obligationenfonds (12,73 Milliarden Euro) und alternative Anlagefonds (2,6 Milliarden Euro) verzeichneten deutlich positive Zuflüsse, allerdings auf eine tieferen Niveau als in den Monaten zuvor.

Tabelle: Die Geldflüsse in Fonds nach Anlageklassen im Juli

 

Auf den zweiten Blick zeigten sich im Juli allerdings durchaus Nuancen im Vergleich zu den Vormonaten. Geldmarktfonds waren im Vergleich zur deutlich negativen Absatztendenz in diesem Jahr stark nachgefragt. Was angesichts des extrem niedrigen Zinsniveaus in Europa erstaunen könnte, wird durch die steigende Risikoaversion infolge der geopolitischen Unsicherheit in Nahost und der Ukraine erklärbar. Anleger in Europa haben diese Unsicherheiten offenbar zum Anlass genommen, an einigen Stellen ihre Portfolio-Risiken zu reduzieren und selektiv Gewinne aus den am stärksten überbewerteten Segmenten am Kapitalmarkt mitzunehmen. 

Stichwort Hochzinsobligationen: Wie auch im Vormonat wurden in hohem Masse Fonds für Hochrisiko-Bonds verkauft. US- und global investierende Hochzinsfonds waren die am stärksten verkauften Fondskategorien im Juli. Sie mussten Nettomittelabflüsse in Höhe von 4,58 Milliarden bzw. 1,88 Milliarden Euro hinnehmen. Offenbar waren die Äußerungen von FED-Chefin Janet Yellen, die sich in einer Anhörung vor dem Kongress Mitte Juli warnend über die Bewertung von Unternehmensanleihen mit niedrigen Ratings geäussert hatte, ein wichtiger Auslöser für diesen Abverkauf, der sich im August bereits deutlich abschwächte. 

Auch auf der Aktienseite gab es - ungeachtet der insgesamt positiven Absatzbilanz - Gewinnmitnahmen. Stichwort Europa- und USA-Aktien: Verkauft wurden vor US-Aktienfonds für Wachstumswerte, was vor dem Hintergrund der historischen Höchstständen bei US-Papieren nicht überraschend war. Auch Eurozonen-Aktienfonds und Fonds für europäische Nebenwerte, die seit rund einem Jahr starke Zuflüsse verbucht hatten, wurden im Juli stark verkauft.

Tabelle: Die Flucht der Anleger aus Hochzinsfonds und einigen Aktienkategorien

 

Spiegelbildlich dazu sind die Zuflüsse in defensive Mischfonds zu sehen. Die Morningstar Kategorie EUR Mischfonds defensiv mit Schwerpunkt europäische Wertpapiere war die am stärksten nachgefragte Fondskategorie in Europa. Auch die zweite EUR Mischfonds defensiv-Kategorie, die weltweit investiert, konnte im Vertrieb punkten. Beide Kategorien verbuchten Zuflüsse von insgesamt 4,66 Milliarden Euro, mehr als jede andere Mischfondskategorie.

Dafür, dass Anleger in Europa zugleich vorsichtiger wie selektiver geworden sind, spricht auch der Umstand, dass sich im Kauf- und Verkaufverhalten eine gewisse Wertorientierung widerspiegelt. Schwellenländer-Aktien sind - gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis - deutlich günstiger bewertet als Aktien aus den Industrieländern. Global anlegende Schwellenländer-Aktienfonds verzeichneten im Juli Zuflüsse von 2,38 Milliarden Euro, mehr als jede andere Aktienkategorie im Juli. Dies entsprach der stärksten Nachfrage nach Schwellenländeraktienfonds in einem Monat seit Januar 2013.

Tabelle: Defensive Mischfonds waren - erneut - das Gebot der Stunde 

Interessant ist, dass auch Schwellenländer-Bonds inzwischen ebenfalls wieder als werthaltige Investments angesehen werden. Sowohl Schwellenländer-Bonds, die auf lokale Währungen lauten, als auch solche, die in US-Dollar denominiert sind, konnten Nettoneugelder auf sich vereinen (nicht in der Tabelle der Top-Kategorien enthalten). Dass es sich mit Blick auf Emerging Markets Bonds um einen bedeutenden Stimmungsumschwung handeln könnte, zeigt auch die Tatsache, dass im Juli die beiden grossen globalen Bond-Fonds von Franklin Templeton, die substanzielle in den Schwellenländern investieren, gleichermassen Zuflüsse verzeichnen konnten.

Während der grösste europäische Wertpapierfonds, der von Michael Hasenstab verantwortete Templeton Global Bond, zum ersten Mal seit Mai 2013 Nettomittelzuflüsse verbuchen konnte  - 74 Millionen Euro – konnte der ebenfalls von Hasenstab gemanagte Templeton Global Total Return zum zweiten Mal in Folge Neugelder verbuchen, immerhin 266 Millionen Euro netto. 

Ein Blick auf die zehn grössten Publikumsfonds in Europa zeigt ansonsten recht viel Kontinuität. Nach wie vor war der defensive Mischfonds M&G Optimal Income stark gefragt. Ihm gingen netto 760 Millionen Euro zu. Inzwischen ist die Aktienquote in diesem gut 28 Milliarden Euro schweren Fonds auf unter fünf Prozent gesenkt worden, was Fondsmanager Richard Woolnough mit den hohen Bewertungen am Aktienmarkt begründet. Er sieht dagegen unverändert Werthaltigkeit in Euro-Peripheriebonds und hält deutsche Staatsanleihen im Gegenzug für überbewertet. 

Kein Ende der Misere zeigte dich dagegen bei den Flaggschiffen von Carmignac, Invesco und - mit Einschränkungen - bei PIMCO. Der Invesco Perpetual High Income, ein Fonds, der eine Dividendenstrategie auf britische Aktien verfolgt, musste hohe 590 Millionen Euro an Abflüssen verkraften. Wenig besser sah es beim ausgewogenen Mischfonds Carmignac Patrimoine aus. Der Fonds leidet unverändert unter der unterdurchschnittlichen Performance der vergangenen Jahre und musste im August 320 Millionen Euro an Abflüssen hinnehmen. Deutlich verlangsamt haben sich unterdessen die Abflüsse aus dem Flaggschifffonds der Allianz-Tochter PIMCO. Der PIMCO GIS Total Return Bond Fund verlor im Juli 133 Millionen Euro. Allerdings war dies immerhin der 18. Monat in Folge, in dem der von Bill Gross verantwortete Rentenfonds eine negative Vertriebsleistung aufwies.

Tabelle: Die Absatzbilanz der größten Retail-Fonds in Europa im Juli

 

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich