Short-ETFs oder kommt Godot doch?

Zu den prominenteren Themen gehört heute die Frage, ob und wann die Aktienmärkte nach dem starken Anstieg der vergangenen Monate korrigieren werden. Wir haben uns deshalb Short-ETFs vorgenommen, die einige Tücken aufweisen.

Michael Haker 27.03.2015
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Der Jahresstart war furios. In weniger als drei Monaten sind DAX und MDAX um etwas mehr als 20% gestiegen. Noch 2014 trat der deutsche Leitindex mehr oder weniger auf der Stelle. Der EuroStoxx 50 hat 2015 ebenfalls 16,5% gut gemacht. Deutlich schwächer, aber dennoch positiv zeigen sich auch die US-Indizes, die über die vergangenen Jahre ihre europäischen Pendants hinter sich gelassen haben. Selbst der Schweizer SMI hat den Schock der Franken-Aufwertung recht gut überstanden. Aus Sicht von Schweizer Investoren lag der Leitindex per Ende März bei plus 2,4% (SMI-Investoren aus der Eurozone verbuchten sogar zweistellige Renditen.)

Vor dem Hintergrund dieser phantastischen Kursentwicklungen ist es nur logisch, dass Anleger zunehmend skeptisch werden und eine Korrektur erwarten. Auch für solche Szenarien halten ETF-Anbieter die passenden Produkte bereit: Short-ETFs. Zudem gibt es für renditehungrige Investoren gehebelte Short-ETFs, mit denen sie noch stärker von der Kursentwicklung des Underlyings partizipieren. Wir stehen diesen Produkten eher skeptisch gegenüber. Aufgrund des erhöhten Risikos sind sie allenfalls für risikobereite, erfahrene und disziplinierte Anleger geeignet. Short-ETFs sollten nur einen geringen Teil des Portfolios ausmachen und als kurzfristig-taktisches Element ihren Einsatz finden.

Short-Produkte, und hier gerade die gehebelten ETFs, bringen einige Stolperfallen und Kostenpunkte mit sich, denen man sich als Anleger vor der Kaufentscheidung bewusst sein sollte.

Die Berechnung auf Tagesbasis

Der Multiplikator eines Hebelproduktes wird täglich auf den Ursprungswert zurückgesetzt (in der Finanzsprache spricht man von „glatt stellen“). Wird ein Hebelprodukt länger gehalten als einen Tag, so ist die erwartete Rendite nicht exakt die mehrfache Rendite, die der Anleger aufgrund des Hebels erwarten könnte. Grund ist der Zinseszinseffekt. Mit anderen Worten: Wer sich heute für einen zweifach gehebelten Short-ETF entscheidet, darf am Ende der Haltedauer nicht erwarten, die zweifache Rendite des Basiswertes erzielt zu haben.

Hebelkiller Volatilität

Bei der Kursberechnung von Hebel-Indizes durch die Deutsche Börse spielt der  Volatilitätsindex VSTOXX eine wesentliche Rolle: Erhöhen sich die Schwankungen im Markt, wird der Hebeleffekt geringer. Wer also darauf setzt, dass der DAX in kürzester Zeit um 20% fällt, und deshalb einen zweifach gehebelten Short-ETF auf den DAX hält, der sollte nicht mit Kursgewinnen von 40% in der selben Zeit rechnen. Bei volatilen Märkten lassen Produkte mit dem Hebelfaktor zwei oder mehr erschreckend viel Performance liegen. Die Deutsche Bank bietet auf Ihrer Seite einen Simulator, der diesen Effekt gut verdeutlicht. Notiert der DAX etwa in einem Jahr bei -4,4%, müsste ein einfacher Short-ETF 4,4% Performance bringen, ein doppelter Short ETF plus 8,8% und ein vierfach gehebelter Produkt rein rechnerisch etwa 17,5%. Die Grafik zeigt allerdings, dass bei einem Vierer-Hebel tatsächlich aber nur 9,6% zu erwarten sind – bei geringerer Volatilität wäre die Performance der Short-Produkte besser.

Versteckte Kosten

Short-ETFs sind zudem keinesfalls kostenlos. Zum einen fallen natürlich die Gebühren der ETF-Anbieter an, die aber vergleichsweise transparent sind. Zum anderen fallen Kosten bei der Replikation des Short-Index an. Wer auf fallende Kurse setzt, der verkauft ein geliehenes Wertpapier, investiert den erhaltenen Betrag zu einem risikolosen Zinssatz (bei Short-Indizes der Deutschen Börse ist es der EONIA) um nach Auflösung der Position das Wertpapier zu einem hoffentlich niedrigeren Kurs wieder zu kaufen und dem Entleiher zurückzugeben. Dieser Vorgang wird von den Indexanbietern repliziert. Das Problem hierbei: Zum einen ist das Leihen von Wertpapieren nicht kostenlos und zum Zweiten ist der Euro OverNight Index Average (EONIA) aktuell negativ verzinst mit knapp -0,05%.

DB Leverage Simulation

Abbildung 1: Leverage-Simulation der Deutschen Bank

Der Einfluss der Volatilität auf die Performance bei Hebelprodukten wird auch „Pfadabhängigkeit“ genannt und ist stärker ausgeprägt, je höher der Hebel ist – egal, ob man letztlich eine Long- oder Short-Position eingeht.

Wer sich der Risiken von Short-Produkten bewusst ist und auf fallende Märkte wetten möchte, kann auf eine große Auswahl von Produkten zurückgreifen. Unsere Auswahl unten  umfasst die größten 10 Short-Produkte am Markt.

Tabelle: Eine Auswahl an Short-ETFs am Markt

Auf fallende Märkte in den USA wetten

Die Aktienmärkte in den Vereinigten Staaten liefen in den vergangenen fünf Jahren extrem gut. Für dieses Jahr wird erwartet, dass die amerikanische FED erstmals nach fast sieben Jahren die Leitzinsen anheben wird. Marktbeobachter erwarten, dass daraufhin die Renditen im Bond-Markt steigen. Nicht auszuschließen, dass auch der Aktienmarkt in den USA eine Pause einlegen wird nach einem mehr oder weniger linearen (und starken) Anstieg seit Anfang 2009.

Es gibt etliche Short-Produkte auf die beiden großen USA-Indizes S&P 500 und MSCI USA. Letzterer ist auf Sektorebene recht ausgewogen, zyklische Werte stemmen jedoch den größeren Teil: Technologiewerte (20%), Finanztitel (16%), Konsumzykliker (13,1%) und Industriewerte (10%). Mit seinen 631 Einzelwerten deckt der Index gut 85% der Marktkapitalisierung in den USA ab, wobei die Volatilität (ohne Berücksichtigung des Währungseffekts) in den letzten drei Jahren bei vergleichsweise geringen 9,5% p.a. lag.

Amundi bietet einen ungehebelten Daily-Short-ETF an, der mit 0,35% laufenden Kosten das günstigste Produkt unserer Auswahl ist. Allein in diesem Jahr hat der ETF 10,8% abgegeben, was auf den Anstieg des MSCI USA in diesem Jahr zurückzuführen ist.

Der ebenfalls sehr breit gefasste und marktkapitalisierungsgewichtete S&P500 weist eine ähnliche Sektorgewichtung auf wie der MSCI USA: Technologiewerte  sind mit 20% am stärksten gewichtet, gefolgt von Finanzwerten (16%), Industrieunternehmen (10,3%) und zyklischen Konsumwerten (12,5%). Energietitel (8%) und nichtzyklische Konsumwerte (10%)  spielen eine etwas kleinere Rolle. Mit 500 Einzeltiteln ist der Index wenig kopflastig; die Top-10-Werte machen knapp 18% im Index aus. Die Standardabweichung ist mit 9,5% ähnlich wie die des MSCI USA, aber immer noch deutlich geringer als im DAX.

In unserer Tabelle findet sich ein Produkt von db x-trackers, das die inverse Performance des S&P 500 abbildet. Mit Gebühren von 0,5% ist dieser ETF deutlich teurer als der ETF von Amundi auf den MSCI USA. Er legte in diesem Jahr per 25. März um gut 8,8% zu. Leser sollten sich vom Performance-Unterschied zwischen dem Amundi-Produkt und dem Short-ETF von db x-trackers nicht irritieren lassen. Dies ist auf den Währungseffekt zurückzuführen: Das Amundi-Produkt sichert die Währung ab, was bedeutet, dass Anleger die „echte“ Indexperformance bekommen; beim Deutsche-Bank-ETF ist der für Euro-Anleger sich günstig auswirkende Aufwertungseffekt des US-Dollar enthalten. Wir hatten bereits in der vergangenen Woche auf die große Bedeutung der Währung als Performance-Faktor hingewiesen.

Wer an eine ausgeprägte Korrektur des US-Standardwerte-Index glaubt, kann von der Deutschen Bank auch ein zweifach gehebeltes Produkt wählen. Kostenseitig ist der Zweierhebel um 20 Basispunkte teurer, was im Falle einer deutlichen Korrektur in den nächsten Monaten aber nicht weiter ins Gewicht fallen dürfte.

Europa Shorten

Der europäische Markt könnte ebenfalls nach der Outperformance 2015 reif für eine Korrektur sein. Der Anstieg des Euro Stoxx 50 um 16,9% ist bemerkenswert. Der Index setzt sich aus Banken (17,3%), Chemie- (10%), Industriewerten (9,1%) Energietitel (7,8%) und Versicherungen (7,4%) zusammen. Die meisten Werte stammen dabei aus Frankreich (35%), Deutschland (32,6%) und Spanien (12%) – die Leitindizes aller drei Länder sind in den vergangenen drei Monaten um zweistellige Prozentsätze gestiegen. Bei der Schwankungsanfälligkeit liegt Europa deutlich vor den USA: die Drei-Jahres-Volatilität liegt beim Euro Stoxx 50 bei 18%.

Zu den ältesten ETFs unserer Auswahl und zugleich einer der Größten von Volumen ist der db x-trackers Euro Stoxx50 Short. Mit jährlichen Kosten von 0,4% ist er einer der günstigeren Produkte am Markt.

Contra DAX, CAC40 und FTSE MIB

Auf Länderebene präsentieren wir Ihnen Short-ETFs auf deutsche, italienische und französische Standardwerte. Hier finden sich auch folgende Produkte mit doppeltem Hebel: db x-trackers ShortDAX x2 Daily, ETFS DAX Daily 2x Short GO ETF und Lyxor ETF Daily ShortDAX x2. Auch hier lautet wieder die Devise: doppelter Hebel, höhere Gebühren.

Der Dax ist zuletzt so stark gestiegen wie lange nicht mehr und seit einigen Wochen mehren sich die skeptischen Stimmen, dass eine Korrektur überfällig sei. Tatsache ist, dass seine zyklische Natur den deutschen Standardwerte-Index besonders anfällig macht. Zykliker machen knapp 60% des DAX-Gewichts aus, konjunktursensible Titel sind mit immerhin 25% gewichtet. Enttäuscht das Wachstum in der Eurozone, dürften deutsche Aktien besonders gefährdet sein. Das höchste Gewicht haben auf Branchenebene Finanzdienstleister (18%), Automobilhersteller (17,7%), und Chemie- bzw. Rohstoffabhängigen Titel (15,7%), sowie der Gesundheitssektor (16,4%) und Industriewerte (13,3%).

Der Französische CAC 40 ist mit einer Standardabweichung von 15,2% pro  Jahr seit 2012 noch volatiler als der DAX. Werte, die auf den Wirtschaftszyklus sensibler reagieren, machen insgesamt gut 72% aus, ein Drittel des CAC40 entfällt auf eher defensive Unternehmen. Zu den größten Werten gehören der Öl-  und Gaskonzern Total (10,6%) und das healthcare-Unternehmen Sanofi (10,5%).

Der italienische Leitindex MIB umfasst die Aktien der 40 größten Unternehmen Italiens und wird maßgeblich von drei Branchen bestimmt: Finanzdienstleister mit gut 40%, Energietitel machen 21% und Versorger 14%. Auf Einzeltitelebene ist der MIB kopflastiger als die oben erwähnten Länderindizes: die Top-Fünf-Positionen machen über 50% aus. Das größte Gewicht hat der Energie- und Erdölkonzern Eni (15,2%), gefolgt von der Bank Intesa Sanpaolo (10,4%), Unicredit (10,35%), Generali (7,7%) und dem Versorger Enel (10%). Wesentliche Einflussfaktoren auf den italienischen Leitindex dürften somit die Entwicklung der Europa-Konjunktur sowie der aktuell niedrige Ölpreis sein, der auf die Margen des Schwergewichts Eni drückt.

Für Pessimisten bildet der Lyxor ETF FTSE MIB Daily Db Sh XBear A/I die doppelte umgekehrte Wertentwicklung des italienischen Leitindexes ab und steigt, wenn der FTSE MIB fällt (den Volatilitätsfaktor gilt es aber zu beachten!). Von den Kosten her liegt er mit 60 Basispunkten auf dem Niveau der anderen zweifach gehebelten Produkte.

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Über den Autor

Michael Haker  Michael Haker ist Research Editor bei Morningstar.