Vom Charme des deutschen Mittelstands profitieren

Unternehmen aus der zweiten Reihe werden von Anlegern oft vernachlässigt, dabei ist ihre Performance auf lange Sicht besser als die von Standardwerten. Bei Small und Mid Caps müssen Anleger allerdings eine „Nervenprämie“ bezahlen. Teil eins unserer Serie zu Nebenwerte-ETFs: MDAX und Co.

Michael Haker 17.04.2015
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Bei den immer neuen Börsenrekorden stehen zumeist Standardwerte-Indizes a la DAX, SMI & Co. im Blickpunkt der Meldungen. Nebenwerten wird weniger Aufmerksamkeit geschenkt – zu Unrecht. Auch Titel aus der „zweiten Reihe“ haben zuletzt immer wieder ihre Rekordmarken geknackt – oftmals sogar früher als der ihre Large Cap-Pendants. Auf längere Sicht laufen sie den prominenteren Indizes sogar den Rang ab. Betrachten wir zunächst nur den deutschen Markt: Auf drei, fünf und zehn Jahre liegt die jährliche Wertentwicklung von MDAX und TecDAX vor dem DAX.

Dabei sind die maximalen Verluste in den jeweiligen Zeiträumen sehr ähnlich – auch wenn man sich den maximalen Verlust in 10 Jahren anschaut – die Tech-Bubble des Neuen Markts ist mittlerweile aus der schwachen Performance des NEMAX/Tech-DAX „herausgerollt“ worden, und vermutlich ist das Platzen der dotcom-Blase bei den meisten Anlegern in Vergessenheit geraten.

Tabelle: Wertentwicklung Deutscher Indizes im Vergleich

Deutsche Indizes im Vergleich

Aus der vergleichsweise geringeren Aufmerksamkeit, die Small- und Midcaps zuteil wird, ergeben sich nach Meinung einiger Kapitalmarkt-Experten zugleich Chancen für Anleger. Die Idee ist, dass wenn sich weniger Investoren mit diesem Anlageuniversum befassen und Research betreiben, hier noch eher Anlageideen zu finden sind, mit denen man eine überdurchschnittliche Rendite erzielen kann. Das gilt allemal in der heutigen Situation: Internationale Anleger, die von der relativ günstigen Bewertung europäischer Aktien und dem tiefen Euro-Kurs angelockt werden, zieht es eher zu den klassischen Standardwerten im DAX, Euro STOXX oder SMI.

Nebenwerte sind oft "Hidden Champions"

Bei vielen Nebenwerte-Titeln handelt es sich im Mittelständler, die ihren Kapitalbedarf über die Börse gedeckt haben. Dabei sind oft noch wesentliche Anteile der Firmen in den Händen der Eigentümer und Gründer. Denen wird eher eine strategische Unternehmensführung zugesprochen, als es bei Großkonzernen der Fall ist, deren CEOs eher kurzfristige Vorgehensweisen zugeschrieben werden.

Der Charme an Nebenwerte ist auch, dass unter ihnen einige Weltmarktführer sind – gerade unter den Maschinenbauern –, die sich in einer Nische platziert haben und über 50% ihres Umsatzes im Ausland machen. Die Weltmarktführerschaft vieler Nischen-Player schafft Planungssicherheit in Bezug auf Umsatz- und Ertragsentwicklung.

Die Risiken sollen nicht verschwiegen werden. Die Vorteile der Globalisierung können den „Kleinen“ freilich auch zum Nachteil gerieren: Die internationale Konkurrenz kann auch Wettbewerbsdruck schaffen. Zudem operieren kleinere Unternehmen häufig von ihrem lokalen Markt aus und sind in der Regel zudem viel weniger diversifiziert als große Konzerne. Dadurch sind sie krisenanfälliger, wenn Geschäftsfelder oder Märkte wegbrechen. 

Beispielsweise stecken kleine und mittlere Unternehmen die jüngste Russland- und Ukraine-Krise nicht so einfach weg, wie die breit aufgestellten Konzerne im DAX. Schweizer KMUs sind zudem viel stärker von der Aufwertung des Franken betroffen als Konzerne wie Nestle, die ihre Produktionsstandorte global verteilt haben und ihre Produktion nicht nur vom Heimatmarkt aus stemmen. 

Nebenwerte-ETFs sind somit weniger als Kerninvestment, wohl aber als Ergänzung in einem breit diversifizierten Aktienportfolio geeignet. Um an der Wertentwicklung der „Hidden Champions“ zu partizipieren, gibt es mehrere Indizes, die von ETFs abgebildet werden. Wir beginnen unsere dreiteilige Nebenwerte-Reihe mit deutschen Small und Mid Caps, arbeiten uns dann über andere europäische Nebenwerte-ETs hin zu weltweit anlegenden Produkten vor.

Deutsche Nebenwerte-Indizes

Die deutschen Nebenwerte finden sich im MDAX, SDAX und TecDAX. Sie machen zusammen rund 20% der Marktkapitalisierung der in Deutschland börsennotierten Unternehmen. Zusammen sind diese drei Indizes jedoch nicht zu haben: Der HDAX deckt zwar 95% des Börsenwerts deutscher Unternehmen ab, lässt aber den SDAX links liegen; der F.A.Z Index wiederum ist zwar von umfassender Natur, hat aber aufgrund der Dominanz der Standardwerte trotz seiner Breite einen klaren Large Cap-Bias.

Grafik: Aufteilung von 95% der deutschen Marktkapitalisierung

Aufteilung des HDAX
 
Allen im Folgenden vorgestellten DAX-Indizes gemein ist der Turnus der Neuberechnung, die Gewichtungsmethodik der Einzelwerte und die kalkulierten Varianten der Indizes: Alle drei Monate wird die Zusammensetzung überprüft und neu berechnet. Die Gewichtung der Aktien erfolgt anhand des freien Marktkapitals sowie des Handelsvolumens an der Börse Frankfurt.
Außerdem werden die Indizes als Kurs- und als Performance-Index berechnet, wobei letzterer die grössere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Performanceindex (auch TR, Total Return-Index) bedeutet, dass für die Indexberechnung die Kurse der einzelnen Aktien herangezogen werden und zudem angenommen wird, dass Dividenden reinvestiert werden. Die Folge ist, dass solche Indizes grundsätzlich Preisindex-Varianten übertreffen, die nicht von einer Reinvestition ausgeschütteter Dividenden ausgehen.

Mittelgrosse Unternehmen: MDAX

Der MDAX ist sozusagen der kleine Bruder des DAX und enthält die nach Marktkapitalisierung und Handelsvolumen 50 nächstgrößten Unternehmen hinter den DAX-Titeln. Dabei liegt die Marktkapitalisierung der Unternehmen zwischen 800 Millionen und 50 Milliarden Euro – allerdings ist das Schwergewicht Airbus Group, der Flugzeugbauer mit Hauptsitz in Holland, ein Ausreißer. Er ist mittlerweile gut 50 Milliarden Euro schwer. Das nächstgrößte Unternehmen, ProsiebenSat.1, bringt es nur auf eine Marktkapitalisierung von 10 Milliarden Euro. Zusammen machen die zehn größten Positionen 50% des MDAX aus.

Bei den Einzelwerten ist es möglich, dass auch Unternehmen mit Hauptsitz in einem anderen EU-Mitgliedsstaat aufgenommen werden können, solange der Hauptanteil des Aktienhandels an der Frankfurter Börse stattfindet – das gleiche gilt für SDAX und TecDAX. Die Airbus Group (12,2%) führt daher auch die Liste der Top-5-Indexbestandteile an, gefolgt von ProsiebenSat.1 (6%), Brenntag (5,4%), GEA Group (5%) und Symrise (4,6%). Auf Sektorebene befinden sich im MDAX keine Technologietitel – sie bleiben alle dem TecDAX vorenthalten. Insgesamt kann der MDAX aber dennoch als Kopflastig bezeichnet werden: knapp drei Viertel machen Industriewerte (30,3%), zyklische Konsumgüter (24,5%) und Rohstoffe (16,2%) aus.

In den letzten 10 Jahren sind durchschnittlich pro Jahr 5 Unternehmen im MDAX ausgetauscht worden, vor allem weil Unternehmen regelmäßig in den DAX aufgestiegen oder in den SDAX abgestiegen sind. Anleger sollten berücksichtigen, dass das Aktienuniversum nicht starr ist. Im Vergleich mit einem aktiv gemanagten Fonds ist diese Turnover-Rate freilich sehr gering.

Technologiewerte: TecDAX

Nachdem 2000-03 die dotcom-Blase platzte, wurde die Berechnung des Neue-Markt-Index NEMAX zum Dezember 2004 eingestellt. Sein Erbe hat gewissermaßen der TecDAX übernommen, der heute immerhin 16 ehemalige Unternehmen NEMAX50 enthält, die aktuell sogar gut 70% des Index ausmachen. Dem Fegefeuer des Neuen Markts sind also absolut lebensfähige Unternehmen entstiegen! Insgesamt befinden sich im TecDAX 30 Werte mit einer Marktkapitalisierung zwischen 180 Millionen und 4,1 Milliarden Euro. Auch der TecDAX ist sehr Kopflasting: die Top-10-Werte machen zusammen 72,6% aus. Zu ihnen gehören Qiagen (10,2%), United Internet (9,4%), der Zahlungsabwicker Wirecard (9,1%), BB Biotech (8,9%) und Freenet (8,1%).

Seit 2005 sind im Durchschnitt pro Jahr gut vier Unternehmen in den Index aufgenommen bzw. entfernt worden – absolut gesehen ist der TecDAX damit der beständigste der hier vorgestellten DAX-Nebenwerteindizes.

Deutsche Small Caps: SDAX

Die hinter dem MDAX hinsichtlich Marktkapitalisierung und Handelsumsatz 50 nächstkleineren Unternehmen vereint der SDAX. Die Marktkapitalisierung der Bestandteile reicht hier per Mitte April von 100 Millionen bis 1 Milliarden EUR. Mit Blick auf die Einzeltitel ist der SDAX deutlich weniger Kopflastig. Die zehn größten Werte machen knapp 30% aus. Zu ihnen gehören CTS Eventim (5,1%), Rational (4,6%), das Immobilienunternehmen Alstria Office REIT (4,2%), der IT-Dienstleister Grenkeleasing (3,9%), die Beteiligungsgesellschaft Indus Holding (3,6%) und der Automobilzulieferer HELLA (3,3%). Auf Sektorebene ist das Bild weniger ausgeglichen: Industriewerte und Gebrauchsgüter machen je gut 35% im Index aus, Finanzwerte bewegen den SDAX zu 19%.

Wirft man einen Blick auf die Veränderungen im Index, macht der SDAX auf die vergangenen zehn Jahre einen sehr lebhaften Eindruck: seit 2005 gab es im Durchschnitt gut 11 Änderungen pro Jahr hinsichtlich der Aufnahmen bzw. Entfernung von Bestandteilen.

Solactive Mittelstand & MidCap Deutschland TRN Index

Im Ergebnis umfasst der der Solactive Mittelstand-Index zahlreiche Mitglieder der drei zuvor beschriebenen Indizes. Allerdings folgt er einer anderen Logik als die Indizes der DAX-Familie. Mit 69 kleinen und mittelgroßen deutschen Unternehmen ist er der am breitesten diversifizierte Index. Die Gewichtung erfolgt auch hier wieder nach der Marktkapitalisierung. Allerdings hängt die Indexzusammensetzung auch davon ab, ob Unternehmensgründer oder Vorstände einen signifikanten Anteil am Unternehmen haben. Zudem fließt die Liquidität der Aktien in die Berechnung der Gewichtung mit ein. Da es sich hier um einen Performance-Index handelt, sind auch hier wieder die Dividendenausschüttungen in der Indexberechnung inkludiert.

Drei Sektoren bilden relativ ausgewogen den Löwenanteil des Indexes: Industriewerte (28%), Rohstoffe (23,3%), Zyklische Konsumgüter (21,1%). Kein Unternehmen darf mehr als 10% im Index ausmachen, wobei Mitte April die höchsten Gewichtungen auch Symrise (5,3%), Metro (5,2%), United Internet (4,5%), K+S (4%) und Wirecard (3,7%) fallen. Die Top-10-Titel machen zusammen 40% aus. Anpassungen und Neugewichtungen erfolgen einmal pro Jahr.

Nebenwerte-ETFs: eine kleine Auswahl

Kommen wir nun zu der recht überschaubaren Auswahl an ETFs, die deutsche Nebenwerte-Indizes abbilden. Es sind insgesamt vier Produkte auf den MDAX, hierunter auch das Volumenstärkste Produkt mit über 1,6 Milliarden Euro Vermögen. Er stammt vom Marktführer iShares und ist mit seinen 14 Jahren seit Auflage einer der ältesten ETFs unserer Auswahl. Zugleich setzt er mit laufenden Kosten von 0,51% das obere Ende der Gebührenspanne bei MDAX-ETFs fest. Die Wettbewerber zeigen, dass es auch günstiger geht. Lyxor bietet die Abbildung des MDAX für 40 Basispunkte an, Comstage ist sogar nochmal 10 Basispunkte günstiger. Auch der Deka-MDAX-ETF gehört mit 0,3% laufenden Kosten zu den günstigsten Produkten unserer Auswahl. Hier erfolgt die Replikation des Index physisch, genau wie beim iSharesMDAX.

Tabelle: ETFs auf Deutsche Nebenwerte-Indizes

Deutsche Nebenwerte-ETFs
Beim SDAX, TecDAX und dem Solactive Mittelstand & MidCap Deutschland ist die Auswahl kleiner. Das älteste Produkt ist der TecDAX-ETF mit einem verwalteten Vermögen von gut 190 Millionen Euro. Er stammt ebenso vom Marktführer iShares und ist genau wie dessen MDAX-ETF für 0,51% Kosten zu haben. Das einzige Produkt auf den SDAX kommt von ComStage und ist in unserer Gesamtauswahl am teuersten: 0,7% müssen Anleger für den SDAX-ETF berappen. Der Fonds ist synthetisch repliziert und ist etwas unter 60 Milliarden Euro schwer.
Der ETF der Deutschen Bank, der den Solactive-Index abbildet, bewegt sich von den Kosten her mit 40 Basispunkten im Mittelfeld. Bislang konnte er aber noch nicht wirklich die Gunst der Anleger finden: Mit knapp 30 Millionen Euro an verwaltetem Vermögen ist er einer der kleinsten ETFs unserer Auswahl.

Traumrenditen seit Jahresanfang

Welche Produkte mit Blick auf die Wertentwicklung vorne liegen, lässt derzeit nicht sagen, da die meisten ETFs noch recht jung sind. Im laufenden Jahr sind die Performance-Zahlen allesamt noch zufriedenstellend, wobei die Abkoppelung des Schweizer Franken einiges an Performance gekostet hat. Der MDAX ist mit einem Plus von gut 9,2% in den vergangenen dreieinhalb Monaten am besten gelaufen ist. Die anderen DAX-Indizes mit Unternehmen, die eine Marktkapitalisierung zwischen 100 Millionen und 5 Milliarden Euro haben, haben ebenso respektable 5,8% - 4,7% eingefahren.

Auf drei Jahre hatten Anleger mit dem SDAX unter Berücksichtigung des Risikos am ehesten das Nachsehen. Bei der Wertentwicklung brachten deutsche Small Caps 13,7% jährlich ein, im Vergleich zum MDAX und TecDAX ist das jedoch die geringste Rendite. Gleichzeitig mussten Anleger mit einem maximalen Verlust von 22,6% im selben Zeitraum die höchsten Rückschläge hinnehmen. Wer bislang also den SDAX im Portfolio hatte, musste also Nervenstärke zeigen.

Anders beim TecDAX. Auf drei Jahre zeigt er die beste Wertentwicklung mit einem Plus von 22,2% jährlich. Der maximale Verlust von 16,5% im selben Zeitraum ist am geringsten. Der MDAX-ETF von iShares war hier in der Vergangenheit noch ein wenig nervenaufreibender: In den letzten drei Jahren ging es bis zu 17,4% nach unten bei gleichzeitig einer durchschnittlichen Drei-Jahres-Rendite von 20,1% annualisiert – etwas weniger als beim TecDAX.

Am Rande: Ertragsverwendung und Vertriebszulassung

Wer in ETFs investiert, sollte nicht nur auf Faktoren wie Kosten und Replikationsmethode achten, sondern auch die Verwendung der Erträge. Bei unserer Auswahl werden im Allgemeinen die Dividendenzahlungen der Unternehmen, die an die Anleger weitergegeben werden, direkt reinvestiert. Ausnahmen sind der db x-trackers Mittelstand&MidCap sowie der Lyxor-ETF auf den MDAX. Dividendenzahlungen und Sonderausschüttungen der Unternehmen werden nicht reinvestiert, sondern an die Anleger ausbezahlt.

Zudem sind beide Fonds – zusammen mit dem iShares TecDAX ETF und dem Deka MDAX ETF – nicht in Österreich oder der Schweiz zum Vertrieb zugelassen. Für Anleger dieser Länder heisst das, dass es zu zusätzlichen Kosten kommen kann, da sich ein Kauf nur über eine Auslandsorder realisieren lässt. 

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Über den Autor

Michael Haker  Michael Haker ist Research Editor bei Morningstar.