3 Europafonds gegen das Brexit-Szenario

Anleger, die nicht von einem Ausstieg Grossbritanniens aus der Europäischen Union ausgehen, können getrost britische Aktien übergewichten. Drei aktiv verwaltete Europafonds für Anleger, die britischen Aktien Potenzial zubilligen.

Ali Masarwah 01.06.2016
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Sind Grossbritannien-Aktien wegen der Brexit-Gefahr für Europafonds 2016 ein rotes Tuch? Nicht wirklich, wie wir anhand der Positionierung der Anlagefonds in der Kategorie "Aktien Europa Standardwerte Blend" festgestellt haben. Tenor unserer Auswertung: Grossbritannien-Aktien sind grundsätzlich weniger stark in europäischen Fonds vertreten, von einer akuten Absatzbewegung kann keine Rede sein. Offenbar haben viele Fondsmanager in diesem Frühjahr nicht die Notwendigkeit gesehen, britische Aktien noch weiter zu reduzieren. Vielleicht wollen sie ja kein zu grosses relatives Risiko eingehen? - (lesen Sie hier mehr). 

Wir kommen nun zur Produktebene. Zunächst präsentieren wir drei Europafonds, die gemäss der uns vorliegenden Portfoliodaten ein Übergewicht in Grossbritannien aufweisen und über ein positives Morningstar Analyst Rating verfügen. Diese Produkte sind für solche Anleger einen Blick wert, die nicht von einem Brexit ausgehen bzw. glauben, dass die Folgen nicht für schwerwiegend sein werden (lesen Sie hier weiter über gut bewertete UK-Aktienfonds).  

BlackRock European Focus Fund

Per Ende April waren britische Aktien in diesem mit dem Morningstar Analyst Rating „Silver“ ausgezeichneten Fonds mit knapp 40,5% sehr hoch gewichtet. Nicht nur im Vergleich mit der Kategorie-Benchmark MSCI Europe, sondern vor allem gegenüber der Peer Group, die, wir erinnern uns, im Schnitt traditionell einen deutlich geringeren Anteil an britischen Aktien aufweist als der MSCI-Index.   

Diese hohe Quote ist für Branchenveteran Nigel Bolton, der den Anlagefonds seit Februar 2008 leitet, nicht der Regelfall. Nach den uns vorliegenden Portfolio-Daten schwankte die Netto-Grossbritannien-Quote in den vergangenen fünf Jahren stark, lag im Schnitt mit gut 32% jedoch deutlich unter dem heutigen Niveau. Anfang 2014 lag sie bei nur 14%, Anfang 2015 markierte sie mit gut 45% den Höhepunkt – beide Extreme implizieren eine aktive Unter-/Übergewichtung von rund 15 Punkten gegenüber der Benchmark. Schon allein diese Schwankungsbreite legt nahe, dass in diesem Fonds ein flexibler Ansatz gefahren wird. Häufig wird entsprechend der Einschätzung der Konjunkturzyklen allokiert. Aktuell sind Energiewerte und Rohwarentitel gegenüber der Vergleichsgruppe übergewichtet. 

Zum Hintergrund: Fondsmanager Bolton war bei der schottischen Gesellschaft SWIP Leiter des Bereichs europäische Aktien. Er wechselte 2008 zusammen mit sieben langjährigen Kollegen zu BlackRock. Für die Anleger des Fonds erwies sich dies als Glücksgriff. Der Fonds, der zuvor mehrmals die Leitung gewechselt hatte, fand unter Bolton zu einer höheren Stabilität. Sein Team ist äusserst erfahren, arbeitet eng zusammen und ist unserer Ansicht nach eines der stärksten Teams für europäische Aktien. Die Manager verfolgen einen flexiblen Ansatz und suchen nach Firmen mit attraktiver mittel-/langfristiger Ertragskraft sowie nach Restrukturierungs- und Turnaround-Situationen. Hierbei berücksichtigen sie auch die Gesamtrisiken, u.a. das Makro-Umfeld sowie die Aktienmarktlage. 

Ein Wermutstropfen sind freilich die überdurchschnittlichen Gebühren von jährlich 1,75%. Auch wenn Bolten und sein Team das Zeug haben, diese Hürde zu überwinden, könnte diese Gebühr auch angesichts des hohen Vermögens von 2,3 Milliarden Euro per Ende April niedriger sein. 

Invesco Pan European Structured Equity Fund 

Auch der mittlerweile gut sieben Milliarden Euro schwere Fonds, der ebenfalls ein Morningstar Analyst Rating „Silver“ hält, weist mit knapp 38% eine überdurchschnittlich hohe Grossbritannien-Quote auf. Allerdings weicht sie nicht so stark wie der BlackRock-Fonds von der historischen Nettoquote von 33,5% ab. Auch die Schwankungsbreite der monatlichen Quoten von 22% (Juni 2014) bis 43% (Februar 2012) ist nicht so stark wie beim BGF European Focus. 

Das Aktienauswahlverfahren ist quantitativ. Die Gewichtung von Einzeltiteln und Ländern folgt einem Minimum-Variance-Ansatz mit einem vorgeschalteten, fundamentalen Filter. Es wird vorwiegend in Aktien mit geringer Volatilität investiert. Entsprechend sind defensive Branchen typischerweise in diesem Anlagefonds überrepräsentiert, wobei die hohe Gewichtung der Sektoren defensive Konsumgüter und Gesundheitstitel im vergangenen Jahr abgebaut wurden. Versorger und Telekom-Aktien sind derzeit deutlich gegenüber der Peer Group übergewichtet. 

Mit einem Portfolio-Beta von rund 0,8 hat der Fonds in stark steigenden Märkten tendenziell das Nachsehen. Im Gegenzug konnten Kursverluste in fallenden Märkten besser begrenzt werden als im Durchschnitt der Kategorie „Aktien Europa Standardwerte Blend“. Seit der Implementierung des Ansatzes 2006 gehört der Fonds zu den besten und gleichzeitig schwankungsärmsten der Vergleichsgruppe. 

MFS European Research Fund

Der MFS European Research Fund trägt ebenfalls das Rating „Silver“. Der Grossbritannien-Anteil beläuft sich auf knapp 31%. Das entspricht einer Übergewichtung von gut zwei Punkten über dem MSCI Europe und zählt damit auch zu den wenigen Produkten, die ein Übergewicht in britischen Aktien halten, wenn auch in einem gemässigteren Ausmass als das bei den BGF- und Invesco-Fonds oben der Fall ist.

Die Grossbritannien-Übergewichtung rührt auch daher, dass ab Mitte 2015 nach dem Ausverkauf von Rohwaren-Aktien ihr Anteil sukzessive erhöht wurde, um den Anlagefonds für eine Erholung der Aktienkurse im Zuge eines Rebounds der Rohwarenpreise in Stellung zu bringen (was sechs Monate später der Fall war). Aus diesem Grund wurde eine Position in BHP Billiton aufgebaut, die neben Rio Tinto die prominentesten Rohwaren-Gewichtungen waren. Auch wurden im vergangenen Jahr Positionen in den britischen Banken Barclays und Lloyds aufgebaut.

 Der von Gabrielle Gourgey implementierte Prozess ist das Ergebnis der besten Picks der Aktien-Researcher von MFS. Das bedeutet, dass hier unternehmensspezifische Faktoren dominieren. Per Ende März waren Rohwaren, zyklische Konsumgüter und Energie höher als im Durchschnitt der Kategorie gewichtet.

 

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich