Emerging Markets: Wie nachhaltig ist die Erholung?

Bonds und Aktien der Schwellenländer haben 2016 ein fulminantes Comeback erlebt. Das hat einen Ansturm der Anleger auf Emerging Markets Anlagefonds bewirkt. Wir gehen diesem Trend auf die Spur und blicken auf den Status quo, die Nachfrage und werfen die Frage auf, wie attraktiv die Märkte sind. Zum Schluss stellen wir eine Auswahl an empfehlenswerten Produkten vor.  

Ali Masarwah 21.09.2016
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Bei den Emerging Markets verhält es sich wie mit der sprichwörtlichen alten Liebe, die ungeachtet vieler Enttäuschungen nie ganz vergeht. Seitdem zur Jahrtausendwende die Märkte der Schwellenländer in grossem Stil investierbar wurden, haben diese Länder Anleger in Europa und den USA in ihren Bann gezogen. Sie haben vor allem über Investmentfonds auf Firmen - Bond-Anleger auch auf die Staaten – der aufstrebenden Länder gesetzt. Ein ganzes Bündel an günstigen Bedingungen befeuerte bis 2008 das Wachstum der Schwellenländer: global sinkende Zinsen, Wirtschaftsliberalisierung, ein boomender Handel, der sich in steigenden Import- und Exportzahlen manifestierte sowie ein Investitions- und Konsumboom. All das bewirkte ein rapides Wirtschaftswachstum, das begleitet wurde von einer nicht minder beeindruckenden Hausse an den Kapitalmärkten. Der Aufstieg Chinas stand und steht stellvertretend für diesen Wachstumstrend. 

Finanzkrise hinterlässt tiefe Kratzspuren 

Die Erfolgsstory erhielt jedoch im Zuge der Finanzkrise empfindliche Dämpfer. Das lag nicht nur am nachlassenden Wachstum der Weltwirtschaft, was vor allem den Rohstoffproduzenten zusetzte, sondern auch daran, dass in den langen Hausse-Jahren Strukturreformen vernachlässigt wurden. Die Folgen sind heute vor allem in Ländern wie Russland, Brasilien, Südafrika und Indien spürbar. Auch Technologieproduzenten wie Taiwan und Südkorea leiden als exportorientierte Länder unter der globalen Wachstumsschwäche. 

Diese Krise hat sich in stark schwankenden Wertpapierkursen manifestiert. In den vergangenen fünf Jahren legte der Morningstar Developed Market Index pro Jahr im Schnitt um 15,5 Prozent zu, während der Morningstar Emerging Markets Index jedes Jahr knapp zehn Punkte dahinter blieb. Besonders ausgeprägt war die Underperformance von Aktien der Emerging Markets zwischen 2013 und Ende 2015. 

Mittelflüsse in Fonds und ETFs schwanken stark 

Anleger in Europa changierten seit der Finanzkrise zwischen Bangen und Hoffen. Das äusserte sich an stark schwankenden Mittelzuflüssen in Fonds. Wie aus unserer Statistik über das Anlegerverhalten in Europa hervorgeht, zogen Anleger aus 43 Fondskategorien für Schwellenländerwertpapiere (aktive Fonds und Indexfonds/ETFs) 2011 über 14,9 Milliarden Euro ab. 2012 wurden dann gut 61,6 Milliarden Euro investiert. Im Folgejahr beliefen sich die Mittelabflüsse auf 5,6 Milliarden Euro, 2014 wurden dann netto 18,2 Milliarden Euro investiert. 

Der Tiefpunkt war 2015 erreicht: 44,2 Milliarden Euro wurden im vergangenen Jahr aus Publikumsfonds für Schwellenländer europaweit abgezogen. Emerging Markets Investments waren Ende 2015 vollkommen out. Das spiegelte sich auch in den Investitionsquoten global anlegender Aktienfonds wider, die Ende 2015 so niedrig waren wie zuletzt 2009 nicht mehr. „Das wirft die Frage auf, ob der Abschied der meisten Fondsmanager von Emerging Markets zur Unzeit erfolgte“, hatten wir in einer Analyse zu Jahresbeginn festgehalten

Nimmt man die Entwicklung der Aktien- und Bond-Kurse seitdem zum Masstab, dann ist die Antwort eindeutig: Ja, die Flucht der Fondsmanager und vieler Privatanleger aus Schwellenländern 2015 war verfrüht. Gemessen an der Performance von zwei global investierenden Indizes, haben seit Jahresbeginn Schwellenländer-Aktien ihre Pendants aus den Industrieländern deutlich übertroffen. Während der Morningstar Developed Markets Index mit einem minimalen Plus von 0,9 Prozent per 15. September praktisch auf der Stelle trat, legte der Morningstar Emerging Markets Index um 9,7 Prozent zu. 

Grafik: Emerging Markets kaufen den Industrieländern 2016 den Schneid ab

EM vs DM 

Diese positive Entwicklung bei Aktien, Renten, Währungen und auch Rohstoffen hat zu einem dramatischen Stimmungsumschwung bei Anlegern geführt. Bereits in den ersten sieben Monaten flossen erneut 16,7 Milliarden Euro in Schwellenländer-Wertpapierfonds, die in Europa domiziliert sind. Allerdings hinterlassen solche Zahlen auch Unbehagen: Blickt man auf die fundamentale Lage in den Schwellenländern, dann lässt sich zwar eine Stabilisierung feststellen, allerdings stellt sich die Frage, ob diese Verbesserung einen Vertrauensvorschuss der Anleger in dieser Grössenordnung rechtfertigt. Denn die Bewertungen sind zuletzt gestiegen: Vorerst ist die Hoffnung auf eine Erholung der Unternehmensgewinne in Schwellenländern genau das: eine Hoffnung. 

Wie aus der untere Grafik hervorgeht, welche die Bewertungen von Aktien aus den Schwellenländern denen aus den Entwicklungsländern gegenüberstellt, hat der Kursanstieg bei Aktien aus Emerging Markets zum sogenannten „Multiples Expansion“-Phänomen geführt. Gemessen am Kurs/Gewinn-Verhältnis sind die Bewertungen gestiegen. Interessant ist dabei der Befund, dass Schwellenländer-Aktien nach wie vor deutlich günstiger bewertet sind als Aktien aus den Industrieländern. 

Grafik: Steigende Bewertungen – der Abstand bleibt indes gross

Valuations EM DM

 

Ist das Glas nun halbvoll oder halbleer? Optimisten mögen sich Hoffnungen machen. Die Rohstoffpreise sind in diesem Jahr in der Breite gestiegen, die Währungen haben sich stabilisiert, und es ist keinesfalls mehr ausgemachte Sache, dass die US-Notenbank die Zinsen in den USA substanziell erhöhen wird. Reformen in Ländern wie Argentinien, Brasilien oder Indien sind heute auch eher als noch vor 2,3 Jahren denkbar. 

Die Pessimisten werden indes darauf hinweisen, dass die erfolgreiche Umsetzung von Reformen noch in den Sternen steht. Zudem bleiben die Aussichten für das globale Wirtschaftswachstum gedämpft. Dass das im Vergleich zu den Vorjahren deutlich abgeschwächte Wachstum Chinas zudem fast ausschliesslich von staatlichen Investitionen angetrieben wird, wirkt nur begrenzt vertrauenerweckend. 

Diese ambivalente Situation verdeutlicht, dass Aussagen zu Bewertungen, Kursbewegungen und zur Stimmungslage von Investoren zwar hilfreich sein mögen, sie aber nur ein Anfangspunkt sind für Anleger und Berater, die ein Investment in Schwellenländer erwägen.

Deshalb wollen wir in einer dreiteiligen Serie die wichtigsten Aspekte des Aufschwungs der Schwellenländer-Börsen aus Sicht der Investoren aus Europa aufgreifen und auf die Details blicken. Dabei blicken wir zunächst auf die wichtigsten Wertpapier-Kategorien, in die Fonds hierzulande investieren. Welche Eigenschaften weisen sie auf, wie sind sie inzwischen bewertet? Wo flossen die meisten Anlegergelder hin und wie stark ist die Dynamik der Nachfrage? Zur Erinnerung: Anleger sollten die Geldflüsse in Investmentfonds in erster Linie als prozyklisches (Warn-)Signal ansehen, nicht als Aufforderung, sich der Karawane der Lemminge anzuschliessen.

Dabei wollen wir wollen wir auch hier die Aktiv-Passiv-Debatte aufwerfen und die relative Performance der Fonds versus Kategorie-Index prüfen. Zum Schluss stellen wir in Teil III der Serie, die wir in dieser Woche fortsetzen werden, eine Auswahl an empfehlenswerten Emerging Markets Fonds vor – die defensiven wie die aggressiven.

 

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich