Der unerwartete Trump-Sieg oder Vorsicht vor der vermeintlichen Ruhe nach dem Sturm

Die zunächst freundliche Reaktion der Märkte könnte durch Volatilitätsschübe unterbrochen werden. Investoren sollten nichts überhasten und die Konkretisierung der Trump-Agenda abwarten. Überlegungen zu möglichen Gewinnern und Verlierern der US-Wahl.

Ali Masarwah 10.11.2016
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In einer Zeit, die nicht arm ist an erdrutschartigen politischen Entwicklungen, ereignete sich in den USA vorgestern ein höchst brisanter politischer Erdrutsch: Donald Trump, Bürgerschreck, Enfant Terrible des politischen Establishments in den USA, der Outsider, der sogar noch nach der Nominierung durch die republikanische Partei in diesem Sommer oft nicht ernst genommen wurde, hat die US-Präsidentschaftswahl gewonnen. Was bedeutet dieses Ereignis für Anleger?

Zunächst zur ersten Reaktion der Anleger. Sie fiel erstaunlich gefasst aus. Am Tag T-Sieg+1 stabilisierten sich die meisten Aktienmärkte nach einem ersten Schock und beendeten den gestrigen Tag bequem im Plus. Am Tag T+2 setzte sich der Aufschwung fort (in Japan machte der Nikkei mit einem Plus von fast sieben Prozent die Vortagsverluste locker wett). Die Renditen von US-Staatsanleihen stiegen ebenfalls deutlich, und die Rendite der umlaufenden deutschen Staatsanleihen pendelt derzeit um die Nulllinie, was in etwa dem zuletzt im Juni erreichten Niveau entspricht.

Wie ist diese auf den ersten Blick erstaunliche, fast schon euphorische Reaktion der Märkte zu deuten? Als Beobachter läuft man Gefahr, die Entwicklung zu überschätzen und ihr zu viel Nachhaltigkeit zuzuschreiben. Ja, es gibt rationale Erklärungen für die freundlichen Reaktionen der Investoren: Donald Trump hat ein gigantisches Investitionsprogramm versprochen, er will die Steuersätze für Bürger und Unternehmen drastisch senken, die Bankenregulierung offenbar zurückdrehen. Einige Branchen wie die Rüstungsindustrie und der Pharmasektor könnten ebenfalls von der Politik der neuen Administration Trump profitieren.

Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Die freundliche Marktentwicklung der vergangenen zwei Tage ist dem Umstand geschuldet, dass Anleger derzeit nur den positiven Szenarien folgen. Gehandelt wird also auf das, was die Märkte sehen wollen. Marktteilnehmer könnten und werden vermutlich irgendwann auch wieder die Risiken in den Vordergrund rücken. Als da wären: Gefahren für den Welthandel infolge der wahrscheinlichen protektionistischen Politik Trumps (die vor allem die Emerging Markets treffen würde), die mögliche politische Destabilisierung Europas infolge der Schwächung der NATO sowie die in Teilen unrealistischen Investitionsprogramme. (Diese Argumente würden die Auguren übrigens heute als Gründe hervorheben, wenn die Marktreaktionen auf den Trump-Sieg panisch ausgefallen wären!)

Die Entwicklung der vergangenen Tage nicht verabsolutieren

Anleger was nun? Anleger was tun? Es spricht viel dafür, die Entwicklungen der ersten zwei Tage nicht zu verabsolutieren. Die Wahl von Donald Trump wird zweifellos Veränderungen mit sich bringen, und diese Veränderungen werden auch Auswirkungen auf die Fundamentaldaten der Unternehmen haben und auch die Asset-Klassen Bonds und Rohstoffe betreffen. Deshalb meinen wir, dass es am wahrscheinlichsten ist, dass die Volatilität in den kommenden Wochen zurückkehren wird.  

Opportunistisch auf den fahrenden Zug aufzuspringen, erscheint also keine gute Idee zu sein. (Umgekehrt hätten wir bei einer negativen Marktreaktion auch nicht zu Verkäufen von Risikopositionen geraten!) Auch wenn steigende Aktienkurse häufig einen Momentum-Effekt entwickeln, sind wir nicht der Meinung, dass Anleger die fundamentalen Aspekte außer acht lassen sollten. Schließlich sind viele der beliebten Assets recht teuer geworden.

Doch das heißt nicht, dass Anleger untätig bleiben sollten, wenn sie zu einer Neubewertung der fundamentalen Lage von Unternehmen und Branchen kommen. Auch wir meinen, dass einige Sektoren von der Wahl Donald Trumps profitieren werden, wie etwa die Hersteller von Rüstungsgütern, Pharmafirmen und Baufirmen bzw. andere Unternehmen, die Nutzen aus den kommenden Infrastruktur-Investments ziehen werden. Auch unsere Aktienanalysten werden diese positiven Szenarien in ihren Aktienbewertungs-Modellen berücksichtigen.

Anleger sollten sich darauf einstellen, dass die Märkte schon bald die bereits erwähnten Risiken stärker in den Mittelpunkt rücken werden. Es gibt noch viele Unklarheiten. So kann derzeit kein Investor seriös voraussagen, welche Politik die künftige Trump-Administration tatsächlich einschlagen wird. Geht man von der Prämisse aus, dass Anleger nichts so sehr scheuen wie die Unsicherheit und wir davon ausgehen müssen, dass die Quelle der Unsicherheit weiter existieren wird, dann wird es auch nach dem 20. Januar, dem Tag der Amtseinführung Donald Trumps, etliche Unsicherheiten geben und die  Märkte werden wieder in den Risk-off Modus umschalten. Auch dann sollten Anleger nichts überstürzen und sich nicht den Lemmingen anschließen und verkaufen.

Steigt die Volatilität gilt es aber auch die Lage zunächst fundamental zu bewerten. Anleger sollten sich also davor hüten, frühzeitig bei einer ersten Korrektur in die betreffenden Märkte einzusteigen. Antizyklisch agierende Anleger dürften in den nächsten Wochen und Monaten immer wieder die Möglichkeit haben, günstige Bewertungen auszunutzen. Das sollten sie dann tun, wenn sich der Pulverdampf verzogen hat und mehr Klarheit über die politischen Rahmenbedingungen herrscht.

Somit belassen wir es bei der vielleicht unbefriedigenden Empfehlung, Ruhe zu bewahren und fundamentales Research in den Mittelpunkt des Handelns zu stellen – sowohl was die Bewertung von Aktien anbelangt, aber auch mit Blick auf die Fondsanalyse. Von uns ist in dieser Hinsicht übrigens kein Aktionismus zu erwarten: Es wird keine Änderungen bei unseren qualitativen Fonds-Ratings aufgrund des politischen Erdbebens in den USA geben. Unsere Fonds-Ratings sind auf einen ganzen Börsen-Zyklus ausgerichtet und nicht darauf, auf punktuelle Ereignisse, deren Tragweite derzeit nicht zu überblicken ist, zu reagieren.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich