„Es könnte auch sein, dass das alles nur ein Strohfeuer ist“

Ein Interview mit Georg von Wallwitz, Fondsmanager des Phaidros Funds Balanced, über die Frage, ob Joe Sixpack tatsächlich die Macht an den Märkten übernehmen wird und „Davos-Man“ damit Geschichte wäre.

Ali Masarwah 13.02.2017
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Wer sich mit dem Chef der Vermögensverwaltung Eyb & Wallwitz, Georg von Wallwitz, unterhält, merkt schnell, dass die Uhren in der Münchener Maximilianstraße anders ticken als in manch anderem Fondshaus. Am deutlichsten wird das beim Thema Risikomanagement. Im Jahr 2011 lautete die Lehre des Portfoliomanagers, dass weniger mehr sein kann. Obwohl die Performance der Mischfonds mit dem Namen "Phaidros" recht ordentlich ausfiel, kostete das Markt-Hedging wertvolle Performance-Punkte. Folglich wurden Market-Timing-Versuche, und sei es zur Verlustminimierung, aus dem Repertoire verbannt. Das hat der Performance keinen Abbruch getan. Das Flaggschiff des Hauses, der Phaidros Funds Balanced enteilt regelmäßig den meisten anderen flexibel verwalteten Mischfonds. Er verfügt über ein Vier-Sterne Rating und das Morningstar Analyst Rating "Bronze". Wir sprachen am Rande der Mannheimer Fondsprofessionell Messe mit Georg von Wallwitz über die Frage, ob politische Börsen nicht doch lange Beine haben können und was das für Folgen für sein Portfolio mit sich brächte.

Herr von Wallwitz, das Jahr 2016 war von politischer Unruhe geprägt, und 2017 dürfte es ähnlich werden -- Brexit, die Wahl von Donald Trump, der auch im Amt viel Wirbel verursacht und die bevorstehenden Wahlen in einigen europäischen Ländern. Derweil eilen die Märkte von Hoch zu Hoch. Fühlt sich ein fundamental arbeitender Manager wohl in so einer Situation?

Wohlfühlen sollte man sich nie, denn das ist das der beste Indikator dafür, dass irgendwas schieflaufen wird; steigt die Selbstsicherheit, dann steht der Absturz vermutlich kurz bevor (lacht).

Ich meinte das eher mit Blick auf die Frage, worauf man als Fondsmanager in unsicheren Zeiten reagieren sollte. Wer 2016 an einem ausgewogenen Aktien-Renten-Portfolio nicht gedreht hat, dürfte von einem ziemlich guten Aktien- und einem passablen Rentenjahr profitiert haben.

Das war im Wesentlichen auch unsere Vorgehensweise, wir haben nichts Grundlegendes an unseren Portfolios geändert und sind damit gut durchs Jahr gekommen. Aber wohl war uns nicht immer dabei. In der Rückschau ist alles immer ganz einfach. 2008 hat eigentlich jeder den Absturz der Banken kommen sehen, und im Jahr 2000 hat auch jeder die Tech-Bubble erkannt. In der eigentlichen Situation nimmt man das ganz anders, nämlich viel unmittelbarer, diffuser wahr.

Dennoch haben Sie, als es Anfang 2016 an den Märkten turbulent zuging, klare Kante gezeigt und nicht das Risiko reduziert, sprich: Verluste Realisiert.

Wir hatten uns schon 2015 mit Hochzinsanleihen eingedeckt, was natürlich viel zu früh war; als es rappelte waren wir also schon dabei. Aber immerhin haben wir Anfang Januar nachgekauft, als wir gesehen haben, dass alles immer billiger wird – auch bei Aktien. In meinem Börsenblatt habe ich damals sinngemäß geschrieben: „Ich weiß auch nicht, warum der Markt fällt, aber ich stelle fest, dass fast alles 20 Prozent billiger geworden ist“. Es ist aber nicht so, dass wir uns dabei wohlgefühlt hätten - wir haben schon mit zittrigen Händen nachgekauft.

Wer bei Ihnen investiert, muss mit Draw-downs leben können. Sie machen bei Ihrem Flaggschifffonds, dem Phaidros Funds Balanced klar, dass es sich hier nicht um einen Absolute-Return Fonds handelt. Sie haben nicht den Anspruch, Anleger mit einer prozyklischen Risikominimierung in der vermeintlichen Komfortzone abzuholen.

Wir sagen immer sehr deutlich, dass es in jedem Jahr zwischenzeitliche Aktienkorrekturen gibt. Wer heute in Aktien investiert, muss damit rechnen, dass sie drei Wochen später 20 Prozent tiefer stehen können. Wer das nicht aushält, ist weder am Aktienmarkt noch bei uns gut aufgehoben. Wir versuchen nicht, den Markt zu timen. Das bekommen wir nicht hin. Andere da draußen mögen das können, und denen muss man gratulieren. Aber die Realität der meisten Investoren sieht anders aus. Viele kaufen, wenn die Kurse oben sind und verkaufen, wenn sie unten sind. Das ist übrigens der größte Vorteil von ETFs - sie timen den Markt nicht; die sind immer investiert. Deshalb sind wir als Fondsmanager träge. Wenn wir eine Meinung zum Markt haben, dann haben wir den Anspruch, dass unser Szenario länger als Wochen oder Monate trägt. Herrscht ein bestimmtes Regime am Markt vor, dann bleiben wir unter Umständen auch jahrelang bei unserer Linie.

Wer heute in Aktien investiert, muss damit rechnen, dass sie drei Wochen später 20 Prozent tiefer stehen können

Stichwort Regimewechsel: In den USA strebt die neue Regierung offenbar ordnungspolitisch einen Regimewechsel in der Weltwirtschaft bzw. in den internationalen Beziehungen an. Eine protektionistische Politik der wichtigsten Wirtschaftsmacht hätte potenziell gravierende Folgen für die Kapitalmärkte.

Ja, man sollte die neue US Regierung nicht unterschätzen. Wenn Trump will, dann kann er auch. Die Gefahr eines Strukturbruchs ist da. Es könnte sein, dass wir einen neuen Nationalismus sehen werden, eine Welt, in der die Nationalstaaten aus der internationalen Ordnung ausscheren und sich auf ihre engen nationalen Interessen zurückziehen, neue Blöcke oder bilaterale Allianzen schmieden. Das kann so kommen, und darauf wird man reagieren müssen.

Trump kann die ganze Macht des Präsidentenamts ausspielen, und hinzu kommt der politische Gleichklang der Republikaner im Kongress, in dem sie beide Kammern beherrschen …

Ja, der US-Präsident hat viel Macht, keine Frage. Aber ganz so klar, wohin die Reise geht, ist es dann doch nicht. Das, was Trump bisher gemacht hat, tut den Vereinigten Staaten nicht weh, etwa das Trans-Pazifische Handelsabkommen TPP zu kündigen. Das war eher eine Vision Obamas, die zu kündigen Trump und seinen Anhängern symbolisch eine Genugtuung war. Viel bedeutsamer als TPP sind die bilateralen Handelsverträge, die die USA mit den Staaten des pazifischen Raums abgeschlossen haben. So richtig Wachstum kostet die USA die Aufkündigung von TPP also nicht. Und auch die Länder, gegen deren Bürger Einreiseverbote verhängt wurden, haben keine große Bedeutung für die USA: Saudi-Arabien, die Heimat Osama Bin Ladens, ist in Trumps Welt offensichtlich terroristenfrei…

Ab wann wird es ernst? Ab wann muss man mit dem Dämmern einer neuen Ordnung ausgehen?

Wenn Trump etwas eskalieren lässt, was den US-Bürgern weh täte. Etwa Strafzölle von 35 Prozent auf chinesische Importe. Die Chinesen können zurückschlagen und werden vermutlich auch nicht davor zurückscheuen.

Die Märkte nehmen die neue Linie der Trump-Administration bzw. die damit verbundene Aussicht auf steigendes Wirtschaftswachstum ernst. Value-Aktien laufen wieder. Sind Sie dabei?

Ja, zum Teil schon. Allerdings haben wir die Rohstofferholung auf der Aktienseite verpasst. Das war schade. Aber das Thema haben wir auf der Anleihenseite schon früh gespielt, Petrobras war der stärkste Wert, aber wir hatten auch Glencore, Pemex und Anglo American. Die haben wir sehr günstig eingesammelt. Der Glencore Bond, immerhin ein Investmentgrade-Paper, rentierte damals mit zehn Prozent. Das war schon ordentlich. Aber natürlich waren wir vor einem Jahr nicht so supersicher, dass bei Rohstoffen nichts schief gehen würde, deshalb haben wir auf die Bonds und nicht die Aktien gesetzt.

Auch andere Zykliker, etwa Banken, hatten einen Riesenlauf, wenn auch nicht so extrem wie Rohstoffaktien. Aber so ganz scheinen Sie dem Braten noch nicht zu trauen?

Seitdem der ehemalige US-Finanzminister Larry Summers Anfang 2015 auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos vor einer Deflationskrise, einer säkularen Stagnation gewarnt hat, ist viel passiert. Sehen wir heute ein Ende vom Davos-Man und den Auftritt von Joe Sixpack? Es sieht tatsächlich so aus, dass jetzt der Reflations-Trade im Vordergrund steht, dass also Zykliker und Value ein Comeback feiern. Wie gesagt, wir stehen ja auch nicht im Abseits, wir sind schon dabei, etwa über eine BASF, die man immer kaufen kann. Aber ich will erst den Strukturbruch sehen, bevor wir komplett umschwenken. Es könnte auch sein, dass das alles nur ein Strohfeuer ist und das Wachstum nicht so in Gang kommt, wie es die Märkte heute spielen. Wenn es tatsächlich so kommt, dann werden wir natürlich stärker in Zykliker gehen.

Ich will erst den Strukturbruch sehen, bevor wir komplett umschwenken. Es könnte auch sein, dass das alles nur ein Strohfeuer ist und das Wachstum nicht so in Gang kommt, wie es die Märkte heute spielen 

Derweil sind Pharmawerte ziemlich unter die Räder gekommen, und die haben Sie noch immer in Ihren Fonds hoch gewichtet. Sind die Ihre Versicherung für den Fall, dass der Strukturbruch nicht kommt und Davos-Man doch wieder die Bühne betritt?

Ja. Wir haben bei Pharmawerten nach den Kursverlusten übrigens nachgekauft. Wir haben eine Position in Novartis aufgebaut und auch Nestlé aufgestockt. Aber wir stellen uns darauf ein, dass die Zinsen steigen. Staatsanleihen haben wir derzeit keine, die haben wir 2015 verkauft, weil wir nicht glauben konnten, dass die Renditen zehnjähriger Bunds unter 1 Prozent fallen könnten. Bei unseren Euro-Hochzinsanleihen haben wir die Duration verkürzt für den Fall, dass die Renditen steigen, aber ich glaube nicht, dass die Europäische Zentralbank in der nächsten Zeit die Zinsen erhöhen wird, da dürfte nicht so viel passieren.

Nun sind ja die meisten Fonds in der Regel weitgehend investiert. Sollte das Wachstumsszenario voll aufgehen: wo zwacken Sie was ab, was sind Ihre Verkaufkandidaten?

Dann würden wir Bonds verkaufen. Wir halten noch viele Kurzläufer, die wir verkaufen würden und dafür zyklische Aktien aufstocken. Unsere Aktienquote von derzeit 45 Prozent ist relativ niedrig, da streben wir eher 55 bis 60 Prozent an. Wir sind derzeit eher vorsichtig und halten immer noch weniger Aktien als üblich. Sie merken, wir reagieren ungern, wenn wir den Verdacht haben, dass hinter Kursbewegungen nur Getöse steckt, dass das Ganze also nur ein Strohfeuer sein könnte. Aber wenn wir reagieren, dann tun wir das substanziell und nachhaltig. Es ist natürlich bedauerlich, den Anfang eines neuen Trends nicht voll mitzunehmen, aber die Bewegungen, für die wir uns interessieren, dauern länger als nur wenige Monate.

Das Interview führte Ali Masarwah

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich