Wird Europa wieder geteilt?

Einer der wichtigsten Entwicklungen der vergangenen Jahre in der europäischen Fondsbranche könnte sich wieder ins Gegenteil verkehren.

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Die große Mehrzahl der Fondsgesellschaften in Europa verwaltet ihre europäischen Aktien- und Anleihenfonds auf paneuropäischer Basis. Branchen und Sektoren werden auf gesamteuropäischer Ebene miteinander verglichen, und die vermeintlich besten Aktien und Anleihen ausgewählt, ohne gesonderte Berücksichtigung der nationalen Herkunft.

Spannungen innerhalb der Eurozone könnten jedoch dazu führen, dass der Trend zurückgeht in Richtung national getrennter Analyse der Märkte. Es fällt auf, dass dieses Auseinanderdriften parallel zu den Trennlinien des Irak-Kriegs verläuft. Vor allem Frankreich und Deutschland gefährden zurzeit den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt, den selbstgesetzten Rahmen in dem sich die Volkswirtschaften der Eurozone bewegen sollen.

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So haben diese beiden Aushängeschilder des ‚Old Europe’ jeweils Haushaltsdefizite von über drei Prozent des BIP zu verantworten, und verletzen damit die Kriterien. Laut Europäischer Kommission könnte Frankreich sogar in den kommenden drei Jahren die Grenze jeweils überschreiten.

Zugegeben, der Stabilitätspakt erlaubt eine Überschreitung des Limits in ‚außergewöhnlichen und zeitlich begrenzten Umständen’. Bislang erfüllen die Überschreitungen diese Definition freilich nicht.

Finanzielle Konsequenzen

Joachim Fels, Chef -Volkswirt für Europa bei Morgan Stanley, glaubt dass diese Teilung wichtige Konsequenzen für die Kapitalmärkte mit sich bringt. Dabei verweist er auf vier Schlüsselfaktoren:

* Der Länderfaktor wird für Anleihen- und vielleicht auch Aktienkurse eine verstärkte Rolle spielen. Es wird wichtiger werden, die nationale Herkunft eines Wertpapiers zu beleuchten.

* Die Märkte werden die erhöhte Wahrscheinlichkeit eines Auseinanderbrechens der Eurozone oder sogar der EU einbeziehen müssen. Dies bedeutet im Wesentlichen, dass europäische Wertpapiere riskanter werden.

* Die Aufgabe der EZB wird schwieriger. Sie operiert auf der Grundlage, dass Europa stärker zusammen wächst, nicht auseinander strebt.

* Die Inflation in der Eurozone dürfte langfristig ansteigen.

Positive Verletzung

Einige Fondsgesellschaften widersprechen jedoch der Auffassung von Fels. So sieht etwa Colin Robertson, Globaler Chefstratege bei Threadneedle, die Verletzung des Stabilitätspaktes als positiv: ‚Das sind verdammt gute Nachrichten, dass sie sich nicht an die Regeln halten.’

Seiner Meinung nach ist es richtig, dass die Eurozone während Schwächephasen konjunkturbelebend agiert. Die Defizite seinen momentan keineswegs besorgniserregend hoch.

Er weist ferner darauf hin, dass die meisten europäischen Großunternehmen ohnehin international orientiert seien. Der Ländereffekt spiele nur für wenige der wichtigsten Firmen eine bedeutende Rolle.

So oder so scheint jedoch festzustehen, dass der Prozess der wirtschaftlichen Einigung Europas auf Schwierigkeiten gestoßen ist. Die Konsequenzen daraus sollte jeder, der in europäische Fonds investiert im Auge behalten.
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