Brasilien und Mexiko stehen vor Wahlen

Die lateinamerikanischen Börsen tanzen seit nunmehr 3 Jahren Samba. Es schadet nicht, nach diesem Run Positionen zu verkaufen und ein paar Caipirinhas von den schönen Kursgewinnen zu schlürfen.

Werner Hedrich 06.01.2006
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Der brasilianische Leitindex Bovespa steigt zum Jahresbeginn über die historische Bestmarke von 35.000 Punkten. Auch der mexikanische IPC-Index notiert auf einem Allzeithoch. Lateinamerikas Hauptbörsen weisen eine beeindruckende Performance auf. Auf Eurobasis konnten lateinamerikanische Aktienfonds im Schnitt 2005: 76%, 2004: 27% und 2003: 38% zulegen. Rückenwind erfuhren die Anleger in den letzten 12 Monaten durch die 15% Aufwertung des brasilianischen Reals. Dank expansiver globaler Geldpolitik, robustem Weltwachstum und haussierenden Rohstoffmärkten investieren internationale Anleger in die aufstrebenden Ökonomien Süd- und Mittelamerikas.

Dabei machen Brasilien und Mexiko durchschnittlich 90% der Positionen in den Fonds aus. Im Schnitt sind 60% der Portfolios in Rohstoff-, Ene

rgie- und Telekomaktien investiert. Die meist genutzte Benchmark der Region ist der MSCI-Lateinamerika. Dieser Index umfasst 120 Werte, wobei die 9 größten Titel die Hälfte der Benchmark ausmachen. Damit sind die Fonds eine hochkonzentrierte, gehebelte Wette auf das globale Wachstum 2006 und weiterhin robuste Notierungen an den Terminmärkten für Rohstoffe.

Unter der Annahme eines soliden weltweiten Wachstums sollten Investoren auch in Zukunft an den Emerging Markets südlich der Vereinigten Staaten richtig positioniert sein. Aber was könnte das optimistische Konjunktur-Szenario eintrüben? 1. Politische Unsicherheit, 2. Abschwächung des US-Wachstums und 3. eine restriktivere Geldpolitik Japans.

Lateinamerika ist immer gut für eine politische Überraschung. Gelegenheiten dafür gibt es 2006 genug. In Brasilien finden Wahlen im Oktober statt. Die von Präsident Lula geeinte Regierungskoalition zerfleischt sich aktuell mit gegenseitigen Korruptionsvorwürfen – eine eindrucksvolle Vorstellung im Demokratieseminar „Südamerika auf dem Weg zum Rechtsstaat“. Die mexikanischen Wähler gehen im Juli an die Urnen. Der einzige noch verbleibende lateinamerikanische Revolutionär ist der venezuelanische Präsident Chavez. Er kauft seinen Nachbarn Staatsschulden ab und bindet sie mit billigem Öl an sich. Trotz boomender Rohölmärkte sackte die Börse Venezuelas 2005 um 32% ab. Venezuela gehört dank seiner Vorkommen des schwarzen Goldes zu den rohstoffreichsten Ländern auf dem Globus. Andere Aktienmärkte ölexportierender Länder stiegen um mehr als 50% an. Der argentinische Präsident Kirchner verwaltet das Land nach Gutsherrenart und ärgert europäische Anleger mit einer vorzeitigen Rückzahlung eines Kredits an den Internationalen Währungsfonds. Die privaten Schuldner mussten vor nicht all zu langer Zeit ein Umschuldungsabkommen mit 60% Forderungsverzicht akzeptieren. Kolumbien und Peru spielen eine nur geringe Rolle an den Kapitalmärkten, auch sie wählen 2006 neue Regierungen. Sicherlich ist in Lateinamerika in den letzten Jahren einiges geschehen. Die Stabilität der politischen Institutionen hat zugenommen. Investoren haben dies mit Aktien– und Bondkäufen honoriert.

Die restriktive US-Zinspolitik sollte ihre Wirkung im Laufe des zweiten Halbjahres 2006 zeigen. Eine Abschwächung der US-Konjunktur könnte den Risikoappetit internationaler Investoren hemmen und die Aussichten der Weltkonjunktur mit einem Fragezeichen versehen. Kein optimistisches Szenario für Lateinamerika. So führen zum Beispiel Mexiko 85% ihrer Waren in Richtung USA aus. Auch die Rohstoffnotierungen könnten empfindlich reagieren.

Vorsicht ist auch mit Blick auf die japanische Nullzins-Geldpolitik geboten. Investoren leihen sich in Japan für fast umsonst Geld und kaufen damit Aktien an den Emerging Markets (sogenannte Carry Trades). Das geht so lange gut, so lange der Yen nicht aufwertet, die Zinsen nahe Null bleiben und die Schwellenländerbörsen Gewinne abwerfen. Alleine die Andeutung des Endes der expansiven Geldpolitik wird den Yen anziehen lassen und Investoren das Leben schwer machen. Dies könnte zu Auflösung von Positionen in den Emerging Markets führen. Dieses Szenario hat aber auch eine gute Seite. Erst wenn sich die Binnennachfrage in Japan erholt, sollte die japanische Notenbank die Geldschleusen langsam schließen. Uns allen wäre wohler, wenn Japan und die Eurozone robustere Wachstumszahlen aufweisen könnten, wenn den US-Konsumenten die Lust am Shoppen vergeht.

2006 wird ein spannendes Jahr für Lateinamerika. Für was steht nochmal die Abkürzung BRIC?
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Werner Hedrich