Lateinamerika: Risiko und Chance

Aktien aus Lateinamerika gehören zu den volatilsten Anlageformen der vergangen Jahre, auch wenn sie enorme Kurssteigerungen für sich verbuchen konnten. Neigt sich der Boom der vergangen Jahre seinem Ende zu oder scheint die Zukunft ähnlich rosig zu sein?

Simon Nöth 31.08.2007
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In den vergangenen fünf Jahren lag die jährliche Rendite der lateinamerikanischen Aktienmärkte (MSCI Latin America) um durchschnittlich 11 Prozentpunkte höher als die Rendite der Aktienmärkte aller Schwellenländer (MSCI Emerging Markets). Grund dafür waren die boomende globale Wirtschaft und die damit einhergehenden steigenden Rohstoffpreise. Die Motoren Lateinamerikas sind nach wie vor Brasilien und Mexiko, die durch ihre schiere Größe den Markt dominieren. Allerdings wurden die Aktien- und Anleihenmärkte nicht von den Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten verschont, die durch die „Subprime-Krise“ in den USA ausgelöst wurden. Der brasilianische Bovespa hat seit dem diesjährigen Höchststand stark korrigiert und auch sein mexikanisches Pendant, der Bolsa, konnte sich dem nicht en

tziehen. Für das laufende Jahr sind hingegen sowohl der Bolsa mit 14% als auch der Bovespa mit 19% im Plus, wohingegen der MSCI Emerging Market Index eine Rendite von 14% aufzeigt.

Auch in den Lateinamerika-Fonds nehmen Brasilien (55%) und Mexiko (30%) bei der Länderdiversifizierung mit durchschnittlich 85% den meisten Platz ein. Die dominierenden Sektoren sind Industrie und Baustoffe, Finanztitel, Telekommunikation und Energietitel. Aufgrund der geringen Diversifikation nach Ländern und Sektoren ist es nicht verwunderlich, dass die Volatilität in den letzten drei Jahren um durchschnittlich 5% höher war als für breit gestreute Schwellenländer-Fonds (16%). Für die Lateinamerika-Fonds gilt, dass den höheren Renditechancen auch höhere Risiken gegenüber stehen, verglichen mit den ohnehin schon risikoreichen Schwellenländer-Fonds. Wer angesichts dieses Risikos schlaflose Nächte befürchtet, sollte lieber die Möglichkeit nutzen, über breite Schwellenländer-Fonds vom lateinamerikanischen Aktienmarkt zu profitieren, da die Region in diesen Portfolios mit durchschnittlich 21% vertreten ist.

Die politischen Beziehungen innerhalb Lateinamerikas und zu den USA sind mit dem Auftreten der sozialistischen Regierungen in Venezuela (1998) und Bolivien (2006) angespannt, da in beiden Ländern der Energiesektor verstaatlicht wurde. Zwar werden nur eine Handvoll venezolanischer und bolivianischer Unternehmen in den Portfolios der Lateinamerika-Fonds gehalten, allerdings sind Energiekonzerne wie Petrobras oder Versorger von den venezolanischen Erdölfeldern oder dem bolivianischem Gas abhängig. Insgesamt bezieht Brasilien 5% seiner Energieversorgung aus Bolivien, wobei der Anteil in der wirtschaftlich aktivsten Region Sao Paulo um ein Vielfaches höher liegt. Außerdem wird die Energieversorgung zunehmend als politisches Instrument benutzt, um bestimmte Interessen durch zusetzen. Für Mexiko gilt allgemein eine höhere Abhängigkeit von der US-Konjunktur, die auch wegen der geografischen Nähe besteht. Zukünftig könnte eine größere Abhängigkeit vom bolivianischen Gas entstehen, weil in der Vergangenheit notwendige Investitionen in die eigene Gasindustrie versäumt wurden. Chancen bestehen für Lateinamerika-Fonds, weil sich Brasilien in den letzten Jahren zunehmend von der US-Konjunktur abgekoppelt und sich durch seine Rohstoffexporte (Erz, Nickel, Orangen, Soja etc.) stärker auf die chinesische Wirtschaft ausgerichtet hat. Sollte in China das Wachstum nach der Olympiade 2008 widererwartend einbrechen, würde mit großer Wahrscheinlichkeit auch die brasilianische Wirtschaft darunter leiden. Hingegen wird der brasilianische Agrar- und Chemiesektor von der steigenden Nachfrage nach Biotreibstoffen profitieren, die überwiegend aus Zuckerrohr und Soja hergestellt werden. Mexikos Möglichkeiten hängen von den Fortschritten der politischen Reformen ab, die eine vom Energiesektor unabhängigere Wirtschaft versprechen. Brasilien und Mexiko sind fundamental betrachtet in einer guten Ausgangslage, weil sie niedrige Leistungsbilanzdefizite, fast keine Auslandsverschuldung und erstarkte Währungen aufweisen.

In den meisten Lateinamerika-Fonds sind die „Multilatinas“ die Schwergewichte im Portfolio. So finden sich dort Aktien des Energiekonzerns Petrobras (Bras.), des Bergbaukonzerns CVRD (Bras.), des Telekommunikationsunternehmens America Mobile (Mex.) oder des Zementherstellers Cemex (Mex.). In den letzten Monaten sind in den unten vorgestellten Depots mexikanischen Positionen zu Gunsten der brasilianischen Aktien abgebaut worden, um sich etwas von der US-Konjunktur zu befreien.

Der Merrill Lynch IFF Latin American ist mit seinem Fondsvolumen von knapp € 3 Mrd. mittlerweile ein Schwergewicht in seiner Kategorie. Das Portfolio beinhaltet etwa 75 Aktien, wobei die 10 größten Positionen knapp 60% des Fondsvermögens ausmachen. Fondsmanager William Landers ist es in den vergangenen fünf Jahren gelungen, seinen Fonds mit jährlich 35,7% zu den fünf renditestärksten seiner Kategorie zu machen. Das Portfolio besteht zu 80% aus Standardwerten mit einer hohen Marktkapitalisierung. William Landers spielt damit die Binnenwirtschaft, da er Konsumdienstleister wie Wal-Mart Mexico oder die Immobilienholding Cyrela Brazil Realty zum Vergleichsindex übergewichtet. Die Turbulenzen auf den internationalen Finanzmärkten, die durch die US-Kreditblase ausgelöst wurden, hat der Fonds hingegen auch nicht unbeschadet überstanden. Die hohen durchschnittlichen Schwankungen spiegelten sich in der 6-Wochen-Performance wieder, als der Fonds mit -13% Kursrückgang mehr Rendite einbüßte als der Kategoriedurchschnitt mit -11,6%. Hier erwies sich die hohe Konzentration und damit verbundene Abhängigkeit von den Indexschwergewichten als ein Nachteil. Allerdings kann der Fonds für das laufende Jahr noch eine positive Rendite von 12,2% verzeichnen.

Der Gartmore SICAV Latin America Fonds ist mit einem Fondsvolumen von € 680 Mio. übersichtlicher als der obige und damit nur etwas größer als der Durchschnitt seiner Kategorie. Das Portfolio umfasst ca. 74 Einzeltitel. Der Fonds erzielte in den letzten fünf Jahren eine jährliche Rendite von 37,2% und schnitt damit besser ab als die Benchmark (MSCI Latin America) und der Kategoriedurchschnitt. Hingegen war die Volatilität im Vergleich dazu höher. Fondsmanager Chris Palmer hat sein Portfolio überwiegend aus Standard- und mittelgroßen Werten bestückt, die, wie für Lateinamerika-Fonds typisch, zu knapp 30% aus Mexiko und 60% aus Brasilien stammen. Chris Palmer schenkt dem ohnehin schon großen Sektor Industrie und Baustoffe noch mehr Gewicht als der Vergleichsindex. Damit macht er sich mit diesem exportabhängigen Sektor eher von der globalen Konjunktur abhängig. Der Finanzsektor ist zum Vergleichsindex untergewichtet. Der Fonds verlor im Zuge der „Subprime-Krise“ in den vergangene sechs Wochen 12,3%, wohingegen für das laufende Jahr noch eine positive Rendite von 17,8% zu Buche steht.

Der ISI Latin America Equities ist mit einem Volumen von gerade 45 Mio. Euro ein kleiner Fonds. Die Erstauflage war 1998 und er wird von Anders Damgaard gemanagt, der seit 1988 Fondsmanager bei Syd Invest International ist. In den letzten fünf Jahren erwirtschaftete er eine jährliche Rendite von durchschnittlich 38,1% und schlug damit sowohl den Vergleichsindex als auch seinen Kategoriedurchschnitt um jährlich 3,5% bzw. 6%. Das Portfolio umfasst 116 Aktien und ist im Vergleich zu den zwei anderen Fonds breiter aufgestellt. Denn die 10 größten Positionen machen nur 38% des Portfolios aus. Zudem hat der Fonds vergleichsweise viele mittelgroße Wachstumswerte im Portfolio. Auch kleine Nebenwerte wie das brasilianische Telekommunikationsunternehmen Telemic Cellular werden gekauft. Die Unternehmen kommen aus allen Branchen und Ländern, jedoch dominieren Brasilien und Mexiko mit 65% bzw. 26% die Länderauswahl und die Konsumdienstleister und Unternehmensdienstleister sind zum Vergleichsindex übergewichtet. Somit setzt auch Anders Damgaard auf die lateinamerikanische Binnenwirtschaft. Die Kursschwankungen waren mit 21,5% in den letzten drei Jahren genauso hoch wie beim Vergleichsindex und der Vergleichskategorie. Dementsprechend hat er in den turbulenten Sommerwochen genauso viel an Wert verloren wie der Kategoriedurchschnitt. Für das Jahr 2007 liefert der Fonds immer noch eine Rendite von 18,1%. Dem Fondsmanager scheint es gelungen zu sein, seine Konkurrenten bei steigenden Märkten und über einen längeren Zeitraum abzuhängen, jedoch in Krisenzeiten nicht schlechter als die Konkurrenz bzw. Vergleichkategorie abzuschneiden, was den Fonds daher zu den Favoriten in seiner Kategorie macht.
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Über den Autor

Simon Nöth  ist Fondsanalyst bei Mornigstar