Fonds-Fokus: ESPA Stock Europe Emerging

Der älteste Osteuropa-Fonds Österreichs geriet in der diesjährigen Baisse besonders stark unter Druck.

Alexander Ehmann 19.09.2008
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Mit osteuropäischen Aktien waren in den letzten fünf Jahren rund 19% jährlich zu holen. Anleger mit Engagements in Schwellenländer brauchen allerdings starke Nerven, denn wenn es dort zu Korrekturen kommt, dann umso heftiger. Seit Jahresbeginn verlor der ESPA Stock Emerging Europe mit Schwerpunkt auf osteuropäischen Aktien aller Marktkapitalisierungen 38%.

Fondsmanagerin Amalia Ripfl befindet sich bis Juni 2009 in Mutterschutz und wird seit Februar von Doris Stadler vertreten. Der Wechsel fand zu einem undankbaren Zeitpunkt statt, denn allein im Januar verlor der Fonds 15% an Wert.

Die Aktienauswahl basiert auf einem Top-Down-

Ansatz. Länder- und Sektorenwetten sowie technische Elemente sind die Hauptmerkmale des Fonds. Da die ESPA keine hauseigenen Aktienanalysten hat, beziehen die Fondsmanager fundamentale Unternehmenseinschätzungen über die Erste Bank oder andere Broker. Für Stadler ist die Liquidität der an osteuropäischen Börsen gehandelten Aktien wichtig. Sie verlässt sich nicht nur auf den börsengehandelten Streubesitz (Aktien eines Unternehmens, die frei am Markt gehandelt werden), weil in Osteuropa große Volumina außerbörslich (Over the Counter) ihre Besitzer wechseln. Der Länder- und Sektorenallokation entsprechend analysiert Stadler die fundamentalen und technischen Werte der rund 150 Aktien, die den Liquiditätsanforderungen gerecht werden sollen. Aus technischer Sicht kommt es ihr auf das Momentum und die jeweiligen Börsenumsätze an. Die Orientierung an Kennzahlen und Charts kann zur Folge haben, dass der Verkauf einer Aktie fundamental nicht hinterfragt wird und mehr Trades stattfinden. Über das letzte Jahr betrug die Umschlagshäufigkeit 163%.

Stadler wettet derzeit auf Versorger und hält davon fast viermal soviel wie Vergleichsfonds (19% vs. 5%). Aus ihrer Sicht bieten sich vor allem wegen der Umstrukturierung des russischen Versorgermarktes Chancen. Energieerzeuger- und Lieferanten müssen jetzt strikt voneinander getrennt sein. Auch wenn sie momentan bei Finanzwerten relativ zur Kategorie untergewichtet ist, sieht die Managerin dort Potentiale für die Zukunft. In Osteuropa stecke der Bankensektor vor allem im Privatkundengeschäft noch in den Kinderschuhen.

Ein Grund für die hohen Verluste des Fonds im laufenden Jahr war der Schwerpunkt auf den russischen Markt, der seit Jahresbeginn um 30% einbrach. Zudem hielt der Fonds Aktien, die besonders stark unter Druck gerieten. Der Öl- und Gasförderer Surgutneftegas verlor seit Jahresbeginn 56%, der Minenkonzern European Nickel musste sogar einen Verlust von 67% einstecken. Dies macht sich auch in der langfristigen Historie des Fonds bemerkbar: seit Auflage erzielte der Fonds eine jährliche Rendite von 6% und ist damit um vier Prozentpunkte schlechter als Vergleichsfonds.

Für diesen Fonds fällt eine jährliche Verwaltungsgebühr von 1,8% an, die über dem Durchschnitt von 1,6% liegt. Aus unserer Sicht legt der Fonds zu viel Gewicht auf die technische Analyse. Darüber hinaus handelt es sich hier überwiegend um Länder- und Sektorenwetten in Schwellenländern. Anleger, die ein Engagement in diesem Fonds beabsichtigen, sollte es also nicht an einem gesunden Risikobewusstsein mangeln. Wir warten ab, welchen Touch Doris Stadler dem Fonds geben und wie sich die personelle Situation entwickeln wird.

Management:

Doris Stadler vertritt seit Februar 2008 die eigentliche Fondsmanagerin Amalia Ripfl, die sich bis Juni 2009 in Mutterschutz befindet. Stadler kam vor einem Jahr zur ESPA und war davor anderthalb Jahre bei der Allianz Investmentbank als Managerin des Allianz Invest Austria Plus und des Allianz Invest Osteuropafonds tätig. Bevor sie zur Allianz Investmentbank wechselte, war sie Managerin des Raiffeisen Österreich Aktienfonds. Amalia Ripfl hatte das Mandat im Februar 2007 von Harald Gallop übernommen, der den Fonds zuvor vier Jahre lang verwaltete. Ripfl verfügt über einen starken Osteuropa-Background und Erfahrung im dortigen Bankenbereich. Nach ihrem VWL-Studium in Bukarest, Rumänien, begann Sie ihre Karriere in der Corporate Finance Abteilung bei der Creditanstalt. Später wechselte sie zur Ersten Bank in die Handelsabteilung. Seit 2001 ist sie bei der Ersten Sparinvest als Senior Fundmanager Equities im CEE-Team (Zentral- und Osteuropa) beschäftigt. Neben dem Europe Emerging war Ripfl noch für den ESPA Stock New Europe Active verantwortlich, den sie inzwischen an Doris Stadler abgab. Die ESPA hat keine eigenen Analysten, weshalb sie auf Sell-Side-Research und die Einschätzungen der Analysten der Ersten Bank angewiesen ist. Die Fondsmanager sind in unterschiedliche Teams gegliedert. Das CEE-Team hat langjährige Erfahrung auf dem osteuropäischen Finanzmarkt und gute Kontakte zu den hiesigen Brokern.

Strategie:

Dieser Fonds basiert auf Top-Down Wetten. Bei der Länderallokation orientiert sich die Managerin am BIP und an Inflationsraten, über die Sektorengewichtung entscheiden die Wachstumserwartungen der einzelnen Branchen. Die rund 500 in Frage kommenden Aktien werden mit einem Liquiditätsscreening auf 150 Titel reduziert. Stadler verlässt sich nicht nur auf den Free-Float, da in Osteuropa viel außerbörslich gehandelt wird. Die notwendigen Informationen bezieht sie über Broker. Kurz gesagt, wertet die Managerin das externe Research aus und wählt den Länder- und Sektorengewichtungen entsprechend die Einzeltitel aus. DCF-Berechnungen kommen nur in Ausnahmefällen zum Einsatz, eigene Modelle verwendet die ESPA nicht. Auf der technischen Seite fließen Sentiments (Momentum, Börsenumsätze), Trendanalysen und Candle-Stick-Formationen ein. Aufgrund von technischen Verkaufssignalen kann eine Aktie abgestoßen werden, obwohl aus fundamentaler Sicht kein Grund besteht. Potentielle Kaufkanditaten müssen auch durch eine starke Marktposition, Wettbewerbsvorteile und Transparenz überzeugen. Wenn ein Titel im MSCI EM Europe 10/40 nahe an der 10%-Hürde liegt und Stadler ihn übergewichtet will, holt sie sich das Exposure über Futures. Mit diesen Derivaten steuert sie auch die Investitionsquote, die zwischen 70% und 130% betragen kann. Aus unserer Sicht schenkt dieser Ansatz technischen Kriterien zu viel Aufmerksamkeit. Die technische Analyse eignet sich kaum für langfristige Anlageentscheidung. Fonds, die zu sehr darauf bauen, handeln meist zu kurzfristig. Zudem sind Länder- und Sektorenwetten in Schwellenländern mit höheren Risiken verbunden als in etablierten Märkten.

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Über den Autor

Alexander Ehmann