Was passiert, wenn die Schuldengrenze nicht erhöht wird?

Die politische Auseinandersetzung über die Erhöhung der Schuldengrenze in den USA könnte erhebliche Folgen für die Investoren haben.

Bearemy Glaser 23.05.2011
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Die USA spielen in Bezug auf ihre Schulden mit dem Feuer. Am 16.5.2011 lieh sich die US-Regierung so viel Geld wie legal möglich ist. Das Land kann nun keine weiteren Schulden aufnehmen, um seine Ausgaben zu finanzieren. Das Finanzministerium hat zwar außergewöhnliche Maßnahmen ergriffen, um das Land vor einer Zahlungsunfähigkeit zu bewahren und die Regierung kann noch einige Monate „kreative Buchhaltung“ betreiben. Aber im August wird man um wichtige Entscheidungen nicht herumkommen. Einige Zahlungen werden eingefroren werden.

Es handelt sich hier eher um eine politische als um eine ökonomische Krise. Die Schuldengrenze wurde vom US-Kongress festgelegt und der Kongress hat die Macht, sie zu erhöhen, um weitere Schulden zu machen. Aber die Angelegenheit ist zu einer politischen Schlacht geworden, aus der beide Seiten versuchen, ihren Vorteil zu ziehen. Die Republikaner möchten einer Erhöhung der Schuldengrenze nur zustimmen, wenn ihre Visionen über zukünftige Budgetkürzungen mit eingebracht werden. Die Demokraten dagegen möchten eine Erhöhung durchsetzen, ohne irgendwelche Bedingungen oder Kürzungsvorgaben zu nennen.

Es ist klar, dass eine Zahlungsunfähigkeit der USA oder nur ein Anzeichen dafür für Investoren dramatische Folgen haben könnte. Aber niemand weiß wirklich, was passieren würde, da es in der Geschichte der USA noch nie ein solches Ereignis gegeben hat. Es ist genau diese Ungewissheit, die Angst macht, da niemand weiß, was bei einer Nichterhöhung der Schuldengrenze eintreten würde.

Die US-Bundesregierung hat mehr Ausgaben als Einnahmen. Eine langfristige Lösung ist erforderlich um zu verhindern, dass aus der Budgetkrise eine wirtschaftliche Krise wird. Das Budget muss wieder ins Gleichgewicht gebracht werden (was durch einen Mix aus Ausgabenkürzungen und höheren Einnahmen möglich wäre). Aber die Verhandlungen für einen Lösungsansatz werden durch das Vorhandensein der Schuldenobergrenze nicht erleichtert.

Bisher glaubt der Markt, dass die politischen Querelen letztendlich gelöst werden. Die Renditen der Staatsanleihen haben sich kaum verändert und es herrscht keine Krisenstimmung am Markt. Dies resultiert nicht zuletzt aus der Tatsache, dass in der Vergangenheit immer eine Lösung gefunden wurde. Viele Entscheidungen in schwierigen Situationen wurden bis zur letzten Minute aufgeschoben und Investoren wetten darauf, dass es auch diesmal nicht anders ist. Hinzu kommt die Möglichkeit des Finanzministeriums, auf außergewöhnliche Finanzquellen wie den Exchange Stabilization Fund zurückzugreifen, um das Datum einer Zahlungsunfähigkeit heraus zu zögern. Der Markt könnte mit der Annahme Recht haben, dass der Kongress eine Lösung findet. Dennoch lohnt es sich darüber nachzudenken, was bei einer Überschreitung der Schuldengrenze passieren könnte.

Kosten der Verschuldung würden erheblich ansteigen

Die US-Regierung kann Schulden zu historisch niedrigen Zinsen aufnehmen, da Investoren davon ausgehen, ihr Geld wiederzubekommen. Jedes Signal, das diese Annahme in Frage stellt, würde die Zinssätze steigen lassen. Ein höheres Risiko, dass man sein eingesetztes Kapital nicht wiedererhält, müsste mit einer höheren Rendite entlohnt werden.

Was wirklich eine Rolle spielt, ist das wahrgenommene Risiko. Selbst wenn die Schuldengrenze überschritten würde, ist es sehr wahrscheinlich, dass für einige Zeit die Zinsenzahlungen an die Investoren weiterlaufen würden. Dabei würden wahrscheinlich Gelder, die vorher für andere Zwecke bestimmt waren, für die Zahlung der Zinsen eingesetzt. Das kann allerdings nur eine Zeit lang funktionieren. Investoren könnten zudem daraus auch schließen, dass die Regierung nicht gewillt ist, fundamentale Änderungen durchzusetzen, um die bestehenden Schulden zu bedienen.

Wie hoch die Zinsen sein würden, bleibt offen. Es könnte zwar zu einer Panik kommen. Dennoch würde es für die zahlreichen in- und ausländische Investoren, die Anleihen der US-Regierung halten, schwer werden, ihre Papiere schnell auf dem Markt zu verkaufen. US-Staatsanleihen bilden den größten und liquidesten Markt für Rentenpapiere und es gibt keine offensichtliche Alternative, wohin das Geld wiederangelegt werden könnte. Anleihen in Euro bilden nicht unbedingt einen sicheren Hafen und die Anleihemärkte der schnell wachsenden Schwellenländer sind relativ klein.

Was institutionelle Investoren und Regierungen unternehmen würden, ist schwer vorherzusagen. Aber die Zinsen würden sicherlich nach oben tendieren, wo sie auch einige Jahre bleiben könnten. Es könnte dann Jahrzehnte dauern, bis die Glaubwürdigkeit der US-Regierung wieder hergestellt wäre.

Geringere Ausgaben

Selbst wenn das Finanzministerium seinen Zinsverpflichtungen weiter nachkommen könnte, hätte die Kürzung bei anderen Ausgaben einen Einfluss auf die Wirtschaft. Sollten Zahlungen an die Sozialversicherungsträger, sonstige Vertragspartner und Angestellte der Regierung nicht erfolgen, würde das Fehlen dieser staatlichen Ausgaben die Erholung der Wirtschaft beeinträchtigen. Sollte die Schuldengrenze erhöht werden mit der Auflage, die Ausgaben stark zu reduzieren, käme dies einer Art Pyrrhussieg gleich. Ein Blick nach Großbritannien zeigt, wie scharfe Einschnitte im Budget das Wachstum bremsen können.

Selbst bei starken Kürzungen wäre das Budget ohne eine Erhöhung der Schuldengrenze nicht ins Gleichgewicht zu bringen. Es gibt zu viele Zahlungsverpflichtungen, die nicht erfüllt werden können, ohne dass mehr Anleihen ausgegeben werden. Die Schuldengrenze sollte angehoben werden, da dies unumgänglich ist und dann sollte ein gut durchdachter Plan zur Reduzierung der Ausgaben erarbeitet werden. Meine Befürchtung ist aber, dass überstürzt und in letzter Minute ein Paket geschnürt wird, das alles andere als ideal wäre.

Großer Vertrauensverlust

Einer der größten Risikofaktoren liegt in der Reaktion der Investoren, wenn der US-Kongress nicht die Schuldengrenze anhebt. Die hohe Unsicherheit, die dadurch am Markt entstehen würde, könnte ähnliche Schwankungen auslösen wie auf dem Höhepunkt der Finanzkrise. Die Ungewissheit über die künftigen Kapitalkosten, die Stabilität der Regulierungs- und Steuerpolitik, Befürchtungen vor einer stockenden Wirtschaft sowie Sorgen um die Qualität der Vermögenswerte der Banken könnten die Aktienkurse stark unter Druck bringen. Der Vertrauensverlust könnte schnell auf den Konsumenten übergreifen, der seine Ausgaben senken dürfte, was die anderen Probleme noch verschärfen würde

Bearemy Glaser ist das pessimistische Alter Ego unseres Marktstrategen Jeremy Glaser. Dieser Artikel erschien ursprünglich am 19. Mai 2011 auf www.morningstar.com.

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Über den Autor

Bearemy Glaser  Bearish markets editor Bearemy Glaser is the worry-prone alter-ego of markets editor Jeremy Glaser. Each week, Bearemy will share what's topping his list of concerns and invites you to reply or add your own in the comments section below.