Freunden Sie sich nicht mit diesen IPOs an

Investoren könnten gut beraten sein, die jüngsten Social-Network-Angebote zu meiden.

Bearemy Glaser 29.06.2011
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Begeisterung für Technologie ist wirklich nichts Neues. Von der Aufregung über neue holländische Tulpenzwiebeln im 17. Jahrhundert bis zum Dot.com-Hype haben Investoren schon immer ein Händchen dafür gehabt, Geld darauf zu setzen, wovon sie überzeugt sind, dass es das nächste große Geschäft werden könnte.

Und dasselbe könnte aktuell wieder passieren. Die Begeisterung institutioneller und privater Investoren für Social-Network-Unternehmen nimmt rapide zu. Die Aufregung um fast jeden Börsengang (IPO), um IPO-Anmeldungen, Privatplatzierungen oder nur Gerüchte darüber kann gelegentlich schon ohrenbetäubend sein. Diese Woche werde ich darauf eingehen, warum Anleger so begeistert von diesen Firmen sind und warum sie wahrscheinlich wieder enttäuscht werden.

Die Suche nach Wachstum

Investoren suchen verzweifelt nach Wachstum. Aber es gibt nicht viele Wachstumswerte in der entwickelten Welt. Die Erholung in den Vereinigten Staaten scheint sich zu verlangsamen und es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Wirtschaft in absehbarer Zeit wieder mit beträchtlichem Tempo wachsen wird. Aktien scheinen fair bewertet zu sein. Investoren, die heute Geld in Aktien anlegen, erwarten keine riesigen Renditen. Festverzinsliche Anlagen sehen unter Berücksichtigung von Steuern und Inflation, die ohnehin nur steigen können, nicht viel besser aus. Das Bild in Europa ist nicht rosiger. Die Schuldenkrise und begleitende Sparmaßnahmen haben die Bremsen beim Wachstum in der Eurozone angezogen. Es könnte Jahre dauern, bis die Schuldenprobleme in Ordnung und der Kontinent wieder auf Kurs gebracht ist.

Hier kommt das Internet ins Spiel. Social Networks und andere Tech-Firmen sind viel schneller als die übrige Wirtschaft gewachsen. Was mit dem Erstellen von Profilen auf MySpace oder Friendster begann, Diensten, die meist von Jugendlichen genutzt wurden, hat sich zu einem echten Geschäft mit Leuten aller Altersstufen entwickelt, die sich bei Facebook oder Twitter vereinen und miteinander in Kontakt treten. Mit dem Wachstum dieser Websites sind sie allgegenwärtig geworden. Verweigerer stehen nun unter Druck, daran teilzunehmen, aus Angst, etwas zu verpassen, was ihre Freunde und Verwandten in diesen sozialen Netzwerken kundtun. Der Netzwerk-Effekt hat das Wachstum dieser Seiten angeheizt und ihnen einen erhebliche Aufmerksamkeit beim Internet-Publikum verschafft. Für viele ist an diesem Wachstum besonders spannend, dass es sich um vollkommenes Neuland handelt. Diese Seiten haben eine völlig neue Kategorie geschaffen. Das Wachstum ist somit nicht nur die Verschiebung der Präferenzen der Verbraucher von einer Marke zur anderen.

Und ein aufstrebender Markt!

Die wachsenden sozialen Netzwerke bieten auch eine Möglichkeit, Emerging-Markets-Verbraucher zu erreichen. Schwellenländer sind ein Teil der Welt, der immer noch wächst. Für die meisten aufstrebenden Länder gilt, dass sie über eine geordnete Finanzlage verfügen und aus einer jungen Bevölkerung bestehen, die begierig darauf ist, in die Mittelschicht aufzusteigen. Anleger sehen die sozialen Netzwerke und das Internet als eine gute Möglichkeit, diese Konsumenten zu gewinnen. Die Internet-Durchdringung und die Zahl der Zugänge nehmen rasant zu, so dass sich das Internet weiter ausbreitet. Die User in den Schwellenländern sind gerne bereit, sich für Dienstleistungen anzumelden, um so in Kontakt mit der ganzen Welt zu treten. Ein Großteil des Wachstums von Seiten wie Facebook kommt in der Tat aus den Schwellenländern.

Nun kommen die Banker

Wenn Sie eine Tech-Story, eine Emerging-Markets-Wachstums-Story und eine Mangel-an-Wachstum-überall-sonst- Geschichte kombinieren, ist es nicht verwunderlich, dass Sie eine große Zahl an Investoren für diese eine Idee begeistern können. Aber es gibt auch Gruppen, die aktiv versuchen, diese Euphorie zu schüren. Banken blicken auf ein paar schwere Jahre zurück. Diejenigen, die die Finanzkrise überlebt haben, tun sich schwer damit, zu ihrer früheren Ertragskraft zurückzukehren. Investmentbanking ist ein Bereich, in dem Banker versuchen einen Teil der Verluste wettzumachen. Das heißt, es gibt viele Banker da draußen, die versuchen IPOs, Privatplatzierungen und andere Dienste anzuschieben, um eine Provision zu erhalten. Sie sind nur zu gerne bereit, sich auf eine schnell wachsende Branche  zu stürzen und den Hype weiter anzuheizen, um ihre Gewinne zu steigern.

Aber viel von diesem Hype ist leider genau dies.

Können Sie Geld verdienen?

Wachstum ist großartig, aber es ist nur gut für Investoren, wenn das Unternehmen profitabel wachsen kann. Im Gegensatz zu anderen Tech-Lieblingen wie Apple (AAPL), die kontinuierlich gutes Geld verdienen, haben Social-Network-Seiten die Profitabilitätsgrenze meist noch nicht erreicht. Natürlich sind es Unternehmen, die noch in den Kinderschuhen stecken. So gibt es unzählige Investitionen, die gemacht werden müssen, und so ist es auch sinnvoll, dass alle Einnahmen (und noch einiges mehr) wieder in das Geschäft investiert werden. Aber es ist oftmals nicht klar, ob es ein stimmiges Geschäftsmodell gibt, außer „wirklich groß zu werden und später mal zu sehen, was wird". Dies ist kein Weg zum Reichtum für Investoren.

Firmen wie LinkedIn (LNKD) haben versucht, Einnahmen durch Premium-Abonnement-Modelle zu generieren und dadurch, dass sie Zugang zu Arbeitsuchenden verkaufen, aber auch dieser Vorstoß hat sich nicht nennenswert auf die Profitabilität ausgewirkt. Natürlich stellt schon die schiere Zahl der Nutzer einen großen Wert für sich dar; denn über Displaywerbung und andere Werbeformen lassen sich Einnahmen erzielen. Aber es ist sehr schwer, die unglaublichen Bewertungen, die für einige der Seiten diskutiert werden, zu rechtfertigen.

Darüber hinaus kann das Wachstum in den Schwellenländern, das die Anleger so sehr begeistert, gegenwärtig eine Bürde für die Rentabilität sein. Die Breitbandkosten für die Bereitstellung von inhaltsreichen Websites sind ziemlich hoch, aber in aufstrebenden Märkten lassen sich nur geringe Anzeigenerlöse erzielen. Werbetreibende sind nur selten bereit, große Summen für Zielgruppen einzusetzen, die nicht über ein hohes Einkommen verfügen. Um dem entgegenzuwirken, haben viele Seiten von Facebook bis YouTube „Light“-Versionen ihrer Produkte geschaffen, um zu versuchen, die Bandbreite niedrig zu halten, aber dies kann das grundsätzliche Problem nicht lösen.

Auch Firmen wie Groupon, die Unmengen an Geld einnehmen, das von Nutzern für Gutscheine gezahlt wird, sind nicht so profitabel, wie man zunächst gedacht hätte. Der Betrag, den diese Firmen für Infrastruktur und Vertrieb aufbringen müssen, hat ihre Margen schmelzen lassen 

Bis Social-Network-Unternehmen das Geheimnis entschlüsselt haben, wir sie ihre Nutzerdatenbänke zu Geld machen, sollten Anleger vorsichtig bleiben.

Werden sie auf der Strecke bleiben?

Das Internet ist voller einst mächtiger Riesen, die jetzt ein Schatten ihres früheren Selbst sind. AOL (AOL) und Yahoo (YHOO) sind die beiden, die einem zuerst in den Sinn kommen, aber es gibt viele weitere Beispiele von Firmen, die einen Markt zuerst erobert haben, dann schnell gewachsen sind und es „geschafft“ haben, wieder sehr klein zu ihren Aktionären zurückzukehren. Es ist schwer vorherzusagen, welche durchschlagende Technologie oder welcher Verbrauchertrend die aktuellen Wachstumskurven dieser Firmen, die jetzt auf den Markt kommen (oder das Gerücht, dass sie auf den Markt kommen), entgleisen lassen könnte. Es ist jedoch nicht angemessen, einen hohen Zuschlag für ein Unternehmen einzupreisen, das gerade erst beginnt, seine Wettbewerbsvorteile auszuloten. Viele der Firmen haben gegenwärtig starke Netzwerkeffekte, aber die hatten auch MySpace und sogar AOL zu einem gewissen Zeitpunkt. Ein paar Fehltritte und die Verlockung von etwas Neuem könnten diese jungen Unternehmen daher radikal verändern.

Profitable Unternehmen beginnen Geld zu verschwenden

Die Manie um einige dieser neuen Firmen bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die besser etablierten, profitablen Tech-Riesen. Die Management-Teams von großen Unternehmen wie Google (GOOG) oder Microsoft (MSFT) wollen nicht das Gefühl haben, bei der Party außen vor zu bleiben. Sie scheinen bereit zu sein, mit einer beträchtlichen Menge Geld um sich zu werfen, um die neuesten Dinge für sich zu blockieren und dadurch potenzielle Konkurrenten in Schach zu halten. Leider zahlen sich diese Akquisitionen nur selten aus. Riesige Preisschilder und Integrationsprobleme führen dazu, dass jeder strategische Vorteil zunichte gemacht wird. So werden Mittel verschwendet, anstatt sie klug zu investieren (oder auch nur an die Aktionäre auszuschütten). Die künstlich hohen Bewertungen dieser Firmen führen zu fehlgeleiteten Anlage-Entscheidungen von Unternehmen, die sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren sollten.

Trotz der Begeisterung über die Social-Network-Unternehmen sollten Anleger deren IPOs eher meiden. Mit all den Fragezeichen und Unsicherheiten ist es schwer, ihre Bewertungen zu rechtfertigen. Es kann schwer sein, im derzeitigen Umfeld Wachstum zu finden, aber auf diesen Zug sollte man nicht aufspringen.

Bearemy Glaser ist das pessimistische Alter Ego unseres Marktstrategen Jeremy Glaser.

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Über den Autor

Bearemy Glaser  Bearish markets editor Bearemy Glaser is the worry-prone alter-ego of markets editor Jeremy Glaser. Each week, Bearemy will share what's topping his list of concerns and invites you to reply or add your own in the comments section below.