Gehen Bond-Investoren zu hohe Risiken ein?

Anleger sollten US-Unternehmensanleihen Euroland-Titeln vorziehen.

Dave Sekera, CFA 01.06.2012
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Viele Investoren, vor allem große Institutionen, beurteilen die Aussichten für Unternehmensanleihen offenbar nach wie vor positiv. Das zeigen regelmäßig die Fondsabsatzzahlen, die wir für Europa erheben (lesen Sie mehr zu den aktuellen April-Zahlen hier). Ungeachtet der zu erwartenden konjunkturellen Schlechtwetterphase auf der Makroseite und den Liquiditätsrisiken, die durch die Bankenkrise drohen, greifen Anleger auch bei hochverzinslichen Papieren zu. Sie begründen das typischerweise mit der guten Lage vieler Unternehmen und der starken Nachfrage. Der Markt für Unternehmensanleihen, vor allem in den USA, scheint den Optimisten Recht zu geben. In der vergangenen Woche haben sich die Creditspreads nur leicht ausgeweitet. Sowohl der Morningstar Corporate Bond Index als auch der Morningstar Eurozone Bond Index weiteten sich - ungeachtet der Turbulenzen am Aktienmarkt - nur um jeweils zwei Basispunkte auf +218 beziehungsweise +241 Zähler aus.


Doch ganz so ruhig ist die Lage nicht: Die Veränderung der Kurse auf Wochenbasis gibt nicht das wahre Bild des Marktes wider: Im Tagesverlauf gab es bei Unternehmensanleihen hohe Schwankungen. Die täglich neuen Gerüchte über die krisenhaften Entwicklungen in der Europäischen Union führen zu großer Volatilität - vor allem in der Bankenbranche. Einmal mehr stehen die Manager von Bond-Fonds vor der schwierigen Aufgabe, die Auswirkungen der Krise nicht nur analysieren, sondern auch in Anlageentscheidungen umsetzen zu müssen. 


Der Makro-Rundumblick: Wolkig bis turbulent 


Fundamental sieht es in Europa nicht gut aus: Die systemischen Risiken sind hoch, und die Lage spitzt sich zu. Politiker und Experten beginnen den Markt darauf vorzubereiten, dass Griechenland aus der Eurozone austreten wird und versuchen zu taxieren, welche Folgen das für andere Peripheriestaaten haben könnte. In Spanien wird das Haushaltsdefizit wiederum immer größer, da die spanische Wirtschaft zunehmend ins Wanken gerät. Zuletzt  eskalierte die Krise um die drittgrößte Bank des Landes, Bankia, die jetzt mit sehr viel Geld gerettet werden muss. S&P und Moody's gossen Öl ins Feuer, indem sie die spanischen Banken herabstuften – zum Teil sogar unter den Investment-Grade-Status. Die Rating-Agenturen deuten an, dass Bankia nicht das letzte Institut sein dürfte, das die Regierung in Madrid um Kapital bitten muss. 


Während es in Europa immer schneller abwärts geht, zeichnen die Konjunkturdaten aus den USA weiterhin das Bild eines recht stabilen Wachstums. Die amerikanischen Einzelhandelsumsätze blieben am oberen Ende des zuletzt erreichten Niveaus, und der Immobilienmarkt scheint eine Art Erholung zu erleben. Darauf deuten die Verkaufszahlen sowie höherer Preise. Allerdings: Eine Schwalbe macht aber noch keinen Sommer, und schließlich ist das Ausgangsniveau vier Jahre nach der Eskalation der Finanzkrise extrem niedrig. 


Auch die Lage der Schwellenländer trübt sich ein: Der HSBC Flash China Manufacturing Index setzte seine Talfahrt fort und fiel auf 48,7 von 49,3 Punkten. Damit liegt der Index den siebten Monat in Folge unter der Marke von 50 Stellen, ab der die Signale auf Wachstum deuten. Der Einkaufsmanagerindex der Eurozone sank mit 45,9 von zuvor 46,7 Zählern auf den niedrigsten Stand seit Juni 2009. Die Komponente für den Verarbeitenden Sektor rutschte auf 45 von 45,9. Der Rückgang des Wirtschaftswachstums in China und Europa führt zu einem Dominoeffekt bei  Länder wie Brasilien oder Australien, die stark vom Rohstoffexport abhängen. Um die Auswirkungen auf ihre Wirtschaft zu verringern, senkten die dortigen Notenbanken rasch die Zinsen. 


Die Folgen für Credit-Investoren


Angesichts dieser eher trüben Aussichten raten wir zur Vorsicht bei Unternehmensanleihen, vor allem bei europäischen. Ein Investment in US Credits dürfte Anleger besser schlafen lassen als bei Euro-Unternehmens-Bonds. Die Volatilität dürfte diesseits des Atlantik deutlich höher bleiben, auch wenn unmittelbar nach Bekanntwerden der hohen Verluste im Eigenhandel bei J.P. Morgan sich die Volatilität der Spreads bei US-Papieren zeitweilig den europäischen Niveaus annäherten. Allerdings machen wir uns keine Illusionen, dass bei Eintreten des Crash-Szenarios in Euroland auch die US-Märkte in Mitleidenschaft gezogen werden. Besonders labil sind die Kurse bei US-Bankanleihen, weshalb wir innerhalb des US-Bond-Universums Banken-Titel untergewichten würden.


Derzeit hat sich zwar die Lage am Markt für Unternehmensanleihen in den USA und Europa zwar etwas beruhigt, doch wir nähern uns immer mehr dem Punkt, an dem die europäischen Regierungen ihre Probleme angehen müssen, bevor die Schuldenkrise auf die Märkte übergreift. Die EU muss auch die strukturellen Probleme am Arbeitsmarkt, in der Regulierung oder der Finanzkraft des Bankensystems angehen, anstatt die Mängel nur mit zusätzlicher Liquidität zu kaschieren. Solange diese Probleme nicht gelöst werden, rechnen wir damit, dass es nach dem altbekannten Muster weitergeht: Steigende Renditen bei den Staatsanleihen führen dazu, dass die Zahlungskraft des Bankensystems in Frage gestellt wird. Darauf werden die europäischen Politiker reagieren und versuchen, die Märkte mit einer Liquiditätsschwemme ruhig zu stellen. 

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Über den Autor

Dave Sekera, CFA  Dave Sekera, CFA, is chief U.S. market strategist for Morningstar.