Welche ETFs bilden Schwellenländer-Indizes am besten ab?

Keine Regel ohne Ausnahme: Auch wenn synthetische ETFs generell Vorteile haben, sollten Anleger nie ungeprüft eine Replikationsmethode ausschließen. 

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Im vergangenen Jahr haben sich einige Regulierungsbehörden – aber auch ETF-Anbieter – auf das Thema „Replikationsmethode“ eingeschossen. Obwohl jede Abbildungsmethode ihre Vor- und Nachteile hat, gibt es ein schlagkräftiges Argument pro synthetische ETFs, die über die Diskussion „pro und kontra Swap-ETF“ in Vergessenheit geraten ist: Wenn es um die Replikation illiquider Märkte geht, haben sie Vorteile. Je illiquider der zugrundeliegende Markt ist, desto schwieriger ist es für ETF-Anbieter, diesen physisch zu replizieren. Diese Schwierigkeit spiegelt sich meist in einer größeren Indexabweichung und höheren Kosten wider. Im Extremfall kann es  unmöglich sein, einen illiquiden Markt mit ETFs physisch abzubilden.  


ETF-Anbieter haben grundsätzlich drei Möglichkeiten einen Index abzubilden: über eine vollständige, optimierte oder eine synthetische Replikation. Die optimierte Replikation, bei der nur ein Teil des Indexes gekauft wird, wird meist für große bzw. illiquide Indizes verwendet, wie den MSCI Emerging Market Index. Insbesondere in einem normalen Marktumfeld erzielt diese Replikationsmethode gute Ergebnisse. In Krisen kann die optimierte Replikation, die auf statistischen Modellen basiert, jedoch zu einer unerwünscht hohen Indexabweichung führen. Zwei Beispiele aus der Praxis: 


1. Das eine betrifft den iShares MSCI Emerging Market Index ETF, welcher von der optimierten Replikation Gebrauch macht. Er investierte im Jahre 2009 nur in etwa die Hälfte der 800 Indexbestandteile. Aufgrund des volatilen Marktes war die Abbildung nicht optimal: Der ETF hinkte 2009 seiner Benchmark um fast 7% hinterher. Im darauffolgenden Jahr stockte iShares das Portfolio des ETFs um 625 Aktien auf. Die Abweichung gegenüber dem Index war 2010 auf lediglich 2% begrenzt. 


2. Der Vanguard MSCI Emerging Markt ETF machte demgegenüber von Anfang an von der vollständigen Replikation Gebrauch und wich damit von seiner Benchmark im Jahre 2009 lediglich um 2% ab. Dieses Beispiel verdeutlicht die allgemeine Replikationsproblematik bei illiquiden Märkten. 


"Vietnam" steht für die Schwierigkeiten für voll replizierende ETFs


Noch relevanter wird die Replikationsmethode bei einzelnen Schwellenländern, wie wir im Folgenden sehen werden. Ein Beispiel hierzu liefert Vietnam. Das fernöstliche Land hat zwar im Vergleich zu China oder Indien anlegerfreundlichere Regelungen für ausländische Investoren, dennoch dürfen diese aber nur zwischen 30% und 49% an einem Unternehmen besitzen. Dies bringt natürlich Liquiditätsprobleme für physisch Replizierende ETFs mit sich. Im Vergleich zu aktiven Investmentfonds sind ETFs recht spät in den vietnamesischen Markt gedrungen. Investmentfonds haben durch ihre frühe Präsenz einen Großteil der im Streubesitz befindlichen Aktien bereits gekauft. Daher bleiben den physisch replizierenden ETFs oft nur illiquidere, kleinere Unternehmen „übrig“. In Deutschland gibt es derzeit nur den synthetisch replizierenden db x-trackers FTSE Vietnam. 


In den USA gibt es hingegen auch physisch replizierende ETFs auf den vietnamesischen Aktienmarkt. Das ist jedoch nicht ganz unproblematisch. Der Market Vectors Vietnam ETF bildet den hierzu eigens konstruierten Market Vectors Vietnam Index ab. Dieser modifizierte marktkapitalisierungsgewichtete Index besteht aus ca. 30 Aktien. Qualifiziert sind  Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von über 150 Millionen US-Dollar, einem täglichen Handelsvolumen von 1 Million US-Dollar und einem Geschäftsumsatz, der mindestens zu 50% in Vietnam generiert wird. Dieser Index ist sehr konzentriert und spiegelt die Gesamtwirtschaft nur unzureichend wider. Da der ETF direkt in die Indexbestandteile investieren muss, führt dies zu einer ganzen Reihe an Problemen; unter anderem sind einige Unternehmen, gemessen am KGV, unverhältnismäßig teuer. Aufgrund dieser Beschränkungen sind synthetische ETFs auf derartig enge Märkte oft die bessere Lösung. Das hat selbst iShares als Verfechter physisch replizierender Produkte erkannt und bildet sowohl den MSCI Russia Capped Index als auch den S&P CNX Nifty India Index swap-basiert ab. 


Einschränkungen für ausländische Investoren sind hohe Hürden für ETFs


Um beim Beispiel Russland zu bleiben: Das Engagement ausländischer Investoren wird dergestalt stark eingeschränkt, dass diese zum Beispiel maximal 20% an russischen Ölfirmen halten dürfen. Da derzeit ca. 55% des MSCI Russia Capped Index aus Energiewerten besteht, ergeben sich für physisch replizierende ETFs einige Schwierigkeiten. Credit Swiss hat sich dennoch entschieden, gegen den Strom zu schwimmen und hat im Mai die Replikationsmethode des CS ETF (IE) on MSCI Russia von swap-basiert auf physische Replikation umgestellt. Wir dürfen auf die Performance gespannt sein.


Auch Indien gewährt ausländischen Investoren derzeit keinen freien Marktzutritt - Währungstransfers sowie Auslandsinvestitionen werden reglementiert. Erst kürzlich hat die indische Regierung angekündigt, dass qualifizierte ausländische Investoren lediglich bis zu 5% an einzelnen indischen Firmen besitzen dürfen. Solche Restriktionen lassen wenig Spielraum für physisch replizierende ETFs, und die Zahlen verdeutlichen dies auch: In Europa gibt es keinen physisch replizierenden ETF auf den indischen Aktienmarkt. Die physisch replizierenden ETFs in den USA zeigen eine mittelmäßige Performance. Der iShares MSCI India Index ETF hinkt dem Referenzwert seit Januar 2010 um über 3% hinterher. Zum Vergleich: Der swap-basierte Amundi ETF MSCI India liegt im selben Zeitraum lediglich 1,5% hinter dem Index.


Keine Regel ohne Ausnahme oder kein Ausweg aus der Due-Dilligence-Falle


Alle Macht den "Synthetischen" also? Gemach, denn es gibt keine Regel ohne Ausnahmen. Physisch replizierende ETFs sind nicht immer die schlechtere Variante in Randmärkten, wie sich am Beispiel von HSBC zeigt. HSBC ist in den meisten Fällen der günstigste Anbieter für ETFs auf einzelne Schwellenländer, und in Märkten wie China oder Russland übertreffen die HSBC-ETFs zudem teilweise synthetische Produkte mit Blick auf die Performance. Wie ist das Möglich? Haben wir nicht gerade gelernt, dass aufgrund mangelnder Liquidität physische Replikation einzelner Schwellenländern problematisch ist? Im Prinzip ja, aber in diesem Beispiel profitiert HSBC von seinem globalen Netzwerk als Aktienbroker und kann in diesen Märkten Aktien zu teilweise besseren Konditionen im Handel herausschlagen. Zudem sind Swap-ETFs keine Wunderkinder: Illiquide Märkte machen sich auch bei synthetischen ETFs in Gestalt höherer Kosten und Performance-Einbußen bemerkbar, da die Hedgingkosten in diesen Märkten um einiges höher sind als es bei entwickelten Märkten der Fall ist. Dennoch sind die oben aufgeführten Probleme in illiquiden Märkten weiterhin existent, wie die restlichen Beispiele, insbesondere Indonesien und Malaysia, beweisen. Unsere Tabelle unten zeigt einige Indizes und die unterschiedliche Tracking-Qualität.


Investoren sollten also nicht zwangsweise eine Replikationsmethode kategorisch ausschließen, auch nicht in illiquiden Märkten. Es ist immer ratsam, erst die Asset-Allokations-Entscheidungen zu treffen und dann die individuellen Produkte bzw. Anbieter zu evaluieren, um die beste Lösung für die einzelnen Märkte zu finden. So bedauerlich es also ist: Es gibt keine einfachen Lösungen, genaue Due Dilligence ist gefragt. Für jeden Markt, bei jedem ETF.


Tabelle: Die ETF-Tracking-Qualität in ausgewählten Emerging Markets




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Über den Autor

Gordon Rose, CIIA, CAIA,

Gordon Rose, CIIA, CAIA,  war von 2011 bis 2014 Fondsanalyst bei Morningstar.