Welche Kennziffer gibt bei ETFs den Ausschlag?

Eine Studie der Humboldt-Uni analysiert den Tracking Error von ETFs - und gelangt zu fragwürdigen Schlussfolgerungen/ETF Times, die wöchentliche Morningstar-Kolumne. 

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Willkommen zur neuen Ausgabe der ETF Times! In unserer wöchentlichen Publikation für Deutschland, Österreich und die Schweiz diskutieren wir die Highlights der ETF-Märkte. Wir stellen die Gewinner und Verlierer unter den in Europa gelisteten ETFs vor und geben einen Überblick über die europaweit neugelisteten Indexprodukte.


ETF Markt 


Die Humboldt-Universität Berlin hat in dieser Woche eine Studie veröffentlicht, in der sie den Tracking Error (TE) von synthetischen Produkten mit dem TE von vollreplizierenden Produkten vergleicht. Das Ergebnis ist auf den ersten Blick erstaunlich: Synthetische ETFs tracken demnach nicht genauer. Auf den zweiten Blick ergeben sich für mich einige Fragen.


Gleich zu Beginn heißt es in der Einleitung, dass physisch replizierende ETFs kein Kontrahentenrisiko haben. Diese Aussage lässt darauf schließen, dass die Studie die Risiken aus der Wertpapierleihe nicht weiter berücksichtigt hat. Die weit verbreitete Praxis der Wertpapierleihe bei diesen Produkten birgt indes sehr wohl Risiken. Physische ETFs haben also angeblich vergleichbare TE teilweise mit einem Zusatzrisiko erzielt. Daher ist die Schlussfolgerung der Studie mit Vorsicht zu genießen. 


Auch mit Blick auf die untersuchten Produkte kann man die Ergebnisse der Studie hinterfragen. Es wurden lediglich synthetische und voll replizierende ETFs berücksichtigt, welche denselben Index abbilden. Dadurch wurden im Vorfeld die großen und illiquiden Indizes herausgenommen, bei denen Swap-basierte ETFs ihre Vorteile ausspielen können und wo ETFs, welche die optimierte Replikationsmethode anwenden, große Probleme bekommen können. Außerdem hat die Studie alle synthetische ETFs in einen Topf geschmissen hat und die physisch replizierenden in einen anderen. Aussagekräftiger wäre eine Analyse gewesen, die sich Index für Index vornimmt. Schließlich weist jeder Index seine eigenen Charakteristika auf, die Spreads, Liquidität, Wertpapierleihe und damit letztendlich den TE beeinflussen. 

Ebenfalls ist zu bemängeln, dass in der Analyse der Humboldt-Universität die Schlusskurse der Deutschen Börse verwendet wurden. Kurse können von Börse zu Börse leicht variieren, was mehrere Gründe hat. Aussagekräftiger wäre es deshalb gewesen, den Nettoinventarwert zu nehmen. 


Die Schlussfolgerung der Wissenschaftler, dass Bond-Indizes besser durch Swap-basierte ETFs abgebildet werden, ist hingegen weniger verwunderlich. Aufgrund des illiquiden und ineffizienten Marktes ist es hier besonders schwierig, diese Indizes physisch abzubilden. Eine letzte kritische Anmerkung betrifft den eigentlichen Untersuchungsgegenstand: Die Studie hat den TE im Fokus. Der TE ist zwar für einige institutionelle Investoren aufgrund der Natur ihres Mandates sicherlich wichtig. Allerdings zählt am Ende des Tages für den Investor die Performance des ETFs. Der Tracking-Unterschied, also die Performance-Abweichung zu zwischen ETF und Index, ist also die wichtigste Kennzahl eines ETFs.


Zusammenfassend kann man sagen, dass der Vergleich von synthetischen mit physischen ETFs in Bezug auf TE sehr komplex ist und man viele Punkte beachten muss. Insgesamt ist die Studie sicher ein guter Ansatz, jedoch sollte man die Ergebnisse differenziert betrachten und das eher pauschale Fazit hinterfragen. In unserer wöchentlichen Spread-Kolumne und anderen Artikeln haben wir mehrfach gezeigt, dass es keine allgemeingültigen Wahrheiten für oder gegen eine bestimmte Replikationsmethode gibt. Es kommt immer darauf an, in welchen Markt man investieren möchte.


Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat diese Woche mit Kommentaren von sich hören lassen, die mit Vorsicht zu genießen sind. Wie aus einem Bericht am Dienstag hervorgeht, fordert die EZB strengere Regeln für ETFs. Die Währungshüterin verweist dabei auf drei Risiken: Das Kontrahentenrisiko, die mangelnde Transparenz und Liquiditätsprobleme. Diese Kritik ähnelt im Ton der Diskussion vom vergangenen Jahr. Auch dieses mal ist anzumerken, dass diese pauschale Kritik auch auf aktiv verwaltete Investmentfonds und andere Finanzprodukte zutrifft. Beim Kontrahentenrisiko bezieht sich die EZB auf den Einsatz von Swaps. Jedoch wird die Wertpapierleihe, die bei physisch replizierenden ETFs und Investmentfonds eingesetzt wird, vernachlässigt, obwohl hier auch ein Kontrahentenrisiko besteht. Der ETF-Marktführer iShares hat zwar jüngst in Sachen Wertpapierleihe die Zügel angezogen und die Ausleihquote der physisch replizierenden ETFs auf 50% reduziert; auch ETFlab leiht die Bestände deutscher Staatsanleihe-ETFs nicht aus. Generell besteht jedoch bei der Wertpapierleihe ein Kontrahentenrisiko. 


Wer einen Investmentfonds besitzt, sollte der Frage nachgehen, in was er derzeit investiert ist und wie groß das Kontrahentenrisiko ist, das durch den Einsatz von Derivaten entsteht. Wie, das können Sie nicht? Ich kann Ihnen das für meine ETFs sagen. Warum? ETFs sind sehr viel transparenter als aktive Investmentfonds! Dem Argument des EZB-Papiers, dass der Sicherheitenkorb, das so genannte Collateral, von Banken oft als Ablage illiquider Wertpapiere benutzt wird, kann man teilweise zustimmen. Bei manchem Anbieter besteht der Sicherungskorb tatsächlich teilweise aus unbekannten, fragwürdigen Wertpapieren. Die meisten Anbieter haben jedoch europäische oder US-Standardwerte bzw. deutsche Staatsanleihen als Sicherheiten hinterlegt. Wichtig ist hierbei, dass Investoren jederzeit Zugriff auf diese Informationen haben und sich somit ein sehr gutes Bild über die Qualität machen können. Das ist bei ETFs der Fall.


Man sollte also weniger auf eine mangelhafte Transparenz der ETF-Branche als vielmehr auf mangelhaftes Wissen der EZB über ETFs schließen! Nach Durchsicht der EZB-Warnung vor ETFs bleibt mein Fazit, dass es sehr wichtig wäre, nicht die Fehler des vergangenen Jahres zu wiederholen und ETFs als Produkte zu stigmatisieren, die eine besondere Regulierung benötigten. Viele der Kritikpunkte treffen auf andere Finanzprodukte, allen voran die aktiven Investmentfonds, genauso zu.


Themenwechsel: Wie diese Woche bekannt wurde, hat Thomas Merz, zuständig für das ETF-Geschäft bei der Credit Suisse, freiwillig seinen Posten geräumt. Es ist noch unklar, wohin Merz nach seiner Kündigung gehen wird. Es wird jedoch spekuliert, dass er das ETF-Geschäft von Vanguard in der Schweiz verantworten wird.


Beim französischen ETF-Anbieter Lyxor scheint Großreinemachen angesagt zu sein. Wie diese Woche bekannt wurde, werden fünf Lyxor-ETFs von der Londoner LSE genommen. Bei den Produkten handelt es sich um Luxemburger ETFs, die teilweise nicht über €1 Millionen an verwaltetem Vermögen haben. Dies liegt unter anderem daran, dass die vergleichbaren Lyxor-Produkte aus Frankreich wesentlich größer sind.   


ETF Markt – Neuemissionen


db X-trackers hat diese Woche insgesamt vier Produkte an europäischen Börsen gelistet. Der db Commodity Momentum EUR hedged ETC wurde an der Deutschen Börse gelistet. Der Referenzwert zielt auf das kurzfristige Momentum der einzelnen Rohstoffe ab. Der Index bildet dabei einen breit diversifizierten Rohstoffkorb ab, der auf den 14 Subindizes des S&P GSCI basiert. 


Zudem wurden drei ETC auf Industriemetalle an der Londoner Börse gelistet. Anleger erhalten hierdurch Zugriff auf die Wertentwicklung von Kupfer, Nickel und Zinn. Dabei ist zu beachten, dass die Produkte nicht währungsgesichert sind. Alle db ETCs sind physisch mit Goldbarren hinterlegt.


Die Produktoffensive von UBS geht weiter. Nachdem Ende June 66 ETFs an der Londoner Börse gelistet wurden, hat der Schweizer Anbieter diese Woche insgesamt 45 neue Produkte an der Schweizer SIX gelistet, hinter denen 18 ETFs mit verschiedenen Währungen und Anlageklassen stehen. Unter anderem wurden 9 neue Anleihen-ETFs und 9 Aktien-ETFs aufgelegt. Eine vollständige Liste der ETFs können Sie hier nachlesen.


 

ETF Markt – Gewinner und Verlierer


Der Trend der vergangenen Wochen setzt sich fort. Getreide leidet weiterhin unter den Wetterbedingungen. Es gab einen nassen und wechselhaften Frühling, niedrige Temperaturen und wenig Sonne für den dritten Monat in Folge, was die Preise treibt.

Auf der Verliererseite finden wir diese Woche hauptsächlich rohstoffverarbeitende Firmen. Dies kann auf die schwächelnde Weltwirtschaft zurückzuführen sein. China vermeldete jüngst einen Importrückgang und auch die USA haben in der vergangenen Woche enttäuschende Wirtschaftsdaten gemeldet.




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Über den Autor

Gordon Rose, CIIA, CAIA,

Gordon Rose, CIIA, CAIA,  war von 2011 bis 2014 Fondsanalyst bei Morningstar.