Am Markt für Unternehmensanleihen kehrt wieder Normalität ein

Die Berichtssaison wirft ihre Schatten voraus. Es gilt jetzt, die Fundamentaldaten der Unternehmen und die Ausblick genau im Blick zu behalten. Der Morningstar Bond Bericht.

Dave Sekera 02.10.2012
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Am Markt für Unternehmensanleihen ist wieder Normalität eingekehrt. Investoren kaufen nicht mehr alles, was ihnen vorserviert wird, sondern achten mehr auf die Unternehmen, die hinter den Anleihen stehen. Die Hilfsprogramme der Notenbanken aus Europa und den USA sind in den Kursen verarbeitet. Nun richtet sich der Blick nach vorn: Konjunkturdaten spielen wieder eine wichtige Rolle, und wichtige Ereignisse wie die Berichtssaison und die US-Präsidentschaftswahl werfen ihre Schatten voraus.

In der vergangenen Woche gab es wesentlich weniger Neuemissionen als in den Wochen zuvor: Mit 11 Milliarden Dollar halbierte sich das Gesamtvolumen der Neuemissionen fast, denn seit Anfang September waren im Schnitt jede Woche Papiere in Höhe von 21,7 Milliarden Dollar ausgegeben worden. Auch in den nächsten Wochen dürften sich die Unternehmen erst einmal darauf konzentrieren, ihre Quartalsberichte und Präsentationen fertigzustellen. Danach dürfte das Angebot wieder steigen, denn viele US-Unternehmen wollen noch vor den US-Präsidentschaftswahlen an den Markt gehen.

Zykliker werden verkauft, defensive Titel gekauft 

In der vergangenen Woche haben sich die Risikoaufschläge im Morningstar Corporate Bond Index im Schnitt um 2 Basispunkte auf +163 ausgeweitet. Dabei überrascht es nicht, dass vor allem Anleihen von Unternehmen mit einem „BBB”-Rating unter Druck gerieten. Auch wurden Papiere von Firmen verkauft, die stark von der Wirtschaftsentwicklung abhängen, wie beispielsweise Rohstoffkonzerne. Anleihen von Gesellschaften aus dem Bereich Konsumgüter standen etwas höher in der Gunst der Anleger, hier sanken die Spreads um einen Basispunkt. Generell lässt sich feststellen, dass eine Bewegung hin zu Unternehmen stattfand, die sich auch bei einem Wirtschaftsabschwung gut halten und solide Vermögenswerte besitzen.

Die Spreads von Unternehmen sowohl mit einem „A“- als auch einem „BBB“-Rating waren im vergangenen Monat gleichermaßen zusammengelaufen. Dabei ist bei einer typischen Rally eigentlich eine größere Bewegung bei den Spreads der Titel mit schlechterem Rating und höherer Schwankungsanfälligkeit zu erwarten.

Eine Überraschung war zuletzt vor allem die Entwicklung der Telekombranche – eine üblicherweise eher konjunkturresistente Branche. Hier weiteten sich die Spreads vergangene Woche um 4 Basispunkte. Offenbar machten einige Investoren Kasse. Trotzdem zählt die Branche zu den größten Gewinnern im September, nicht zuletzt wegen der starken Nachfrage nach einigen europäischen Unternehmen. Damit dürfte der Anstieg aber auch zu Ende sein. Wie wir kürzlich in einer Einschätzung von Comcast schrieben: Auf diesem Niveau würden wir die Branche insgesamt untergewichten, vor allem US-Firmen aus dem Investment-Grade-Bereich.

Jetzt zählen wieder die Fundamentaldaten

Generell dürften sich die Spreads von Unternehmensanleihen zunächst nicht mehr deutlich einengen. Der Markt scheint eine kleine Verschnaufpause einzulegen, nachdem die Notenbanken mit ihren Hilfsmaßnahmen einen wahren Ansturm  ausgelöst hatten. Jetzt zählen wieder Fundamentaldaten, und diese waren zuletzt meist eher ernüchternd. Zwar lagen viele der vergangene Woche veröffentlichten Konjunkturindikatoren auf einem höheren Niveau als im Vorjahr, doch im Vergleich zum Vormonat zeichnet sich ein langsamer Rückgang ab.

Zudem steht möglicherweise eine unruhige Berichtssaison vor. Schließlich haben einige Firmen wie etwa FedEx, Intel oder Daimler bereits gewarnt, dass die Geschäfte im weiteren Jahresverlauf nicht mehr so gut wie zuletzt laufen dürften.
Einige Unternehmen könnten böse überraschen.

Entwicklungen im Gassektor mahnen zur Vorsicht 

Bei einigen Unternehmen besteht ein größeres Risiko für enttäuschende Quartalszahlen als bei anderen. Als Beispiel nennt David Schivell, unser Bond-Analyst für den Energiesektor, die beiden amerikanischen Erdöl-Unternehmen Devon (DVN, „BBB+”) und Anadarko (APC, „BB+”). Unser Energie-Experte ist vor allem skeptisch, weil die beiden Firmen relativ stark von dem Geschäft mit Flüssiggasen abhängen. Weil Flüssiggase aus vielen verschiedenen organischen Komponenten bestehen, gibt es keinen übergreifenden Flüssiggaspreis, und es ist schwer zu sagen, wie sich der Markt entwickeln wird. Seit Anfang des zweiten Quartals sind die Preise um rund 50% gefallen. Allerdings gerieten die Preise für einige Kohlenwasserstoffe wie Butan oder Pentan weniger stark unter Druck als andere – Ethan etwa fand keine Abnehmer.

Auch Weatherford International (WFT, „BB+”), ein amerikanischer Hersteller von Ausrüstungsgütern für die Erdöl- und Erdgasgewinnung, könnte im dritten Quartal wieder mit einer Enttäuschung aufwarten, befürchtet unser Energie-Experte. Wir haben Weatherford erst kürzlich auf „BB+” von „BBB-“ heruntergestuft, weil das Unternehmen zu wenig freien Cashflow generiert.

Halbleiterwerte vor einem heißen Herbst?

 

Für den Technologie-Sektor haben sich nach Ansicht von Mike Hodel, Associate Director des Credit Research von Morningstar, die Aussichten ebenfalls eingetrübt, auch wenn es in einzelnen Bereichen noch gut läuft. Vor allem die Hersteller von Halbleitern, die im zweiten Quartal noch von einer Geschäftsbelebung gesprochen hatten, sind etwas vorsichtiger geworden. Intel (INTC, „AA”) hatte Anfang September die Umsatzprognose für das dritte Quartal um rund 8% gesenkt. Die dahinter steckende Schwäche könnte sich auf das Geschäft der Halbleiterausrüster auswirken, besonders auf Applied Materials (AMAT, „AA-"). Deswegen wird die Analystenkonferenz von Hewlett-Packard (HPQ, „A“) an diesem Mittwoch von Technologie-Investoren sicher mit großer Spannung verfolgt werden. Wenn Sie an weiteren Einschätzungen der einzelnen Sektoren oder des Anleihemarktes insgesamt interessiert sind, empfehlen wir Ihnen unseren Bericht auf Englisch erschienenen Bericht "Our Outlook for the"ShoShd Credit Markets".

Zinssitzungen, Einkaufsmanagerindizes, Arbeitsmarktbericht

In den kommenden Tagen werden sicher einige Konjunkturdaten für Gesprächsstoff sorgen. Der Start in die neue Woche gelang mit den Daten der Einkaufsmanager aus dem Verarbeitenden Gewerbe in Europa und den USA zwar gut, doch ist keineswegs sicher, dass auch die folgenden Konjunkturdaten positiv überraschen werden.

Auf dem Kalender stehen unter anderem der europäische und der amerikanische Einkaufsmanagerindex des Dienstleistungssektors. Am Donnerstag richten sich die Blicke dann wieder auf die Notenbanken: Die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of England verkünden ihre aktuellen Zinssätze, die Bank of Japan veröffentlicht ihre Zinsentscheidung am Freitag. Im Fokus steht natürlich die EZB, aber dass EZB-Präsident Mario Draghi mit einer Zinssenkung aufwartet, gilt nach den Äußerungen einiger Ratsmitglieder in den vergangenen Tagen als unwahrscheinlich.

Zudem macht die Federal Reserve am Abend das Protokoll ihrer Sitzung im September öffentlich. Ebenfalls am Donnerstag werden die Auftragseingänge der US-Industrie mitgeteilt, die entsprechenden Daten aus Deutschland folgen am Freitag. Und zu guter Letzt steht – wie jeden ersten Freitag im Monat - der amerikanische Arbeitsmarktbericht für den vergangenen Monat an.

Investoren sollten allerdings auch die Entwicklungen in der Eurokrise beachten. Denn es rumort nach wie vor in der Eurozone: Griechenland könnte wieder mit bösen Überraschungen aufwarten, und möglicherweise beantragt Spanien nun schlussendlich doch Hilfe aus Brüssel. Am Donnerstag will das Land wieder mit dem Verkauf von Staatsanleihen Geld in die Kasse bekommen – es wird sich dann zeigen, wie stark das Vertrauen der Marktteilnehmer in das Land und seine Reformbemühungen ist. Auch Frankreich hat für Donnerstag eine Anleiheauktion angekündigt. Auf eine Verschnaufpause hoffen die Börsianer angesichts all dieser Termine vergeblich: Zwar ist am Mittwoch der Tag der Deutschen Einheit, doch an der Börse wird gehandelt.

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