Als die Lemminge laufen lernten

Was uns die beliebten stichtagsbezogenen Performance-Rankings wirklich sagen. Eine Quartalsanfangs-Analyse.

Ali Masarwah 02.10.2012
Facebook Twitter LinkedIn

Es ist ein gleichermaßen beliebtes wie berechenbares Spiel in den Medien: Regelmäßig zum Quartalsende werden Performance-Rankings aufgestellt: „Wer hat  die beste Rendite hingelegt?“, lautet die Standardfrage. Ins Windhundrennen können beliebige Finanzinstrumente geschickt werden: SMI-Aktien, Indizes, Anlagefonds, ETFs. Aus den Performance-Zahlen des vergangenen Quartals, das vorgestern zu Ende ging, lässt sich ablesen, dass Aktienfonds für griechische, portugiesische und deutsche Standardwerte im Schnitt die beste Performance zwischen Anfang Juli und Ende September lieferten. Auf Sektorenebene zählten Anlagefonds, die auf Minenbetreiber setzen sowie Edelmetall-(Gold!-)fonds, zu den Highflyern des 3. Quartals.

Welchen Wert hat das Quartalsmuster?

Die Frage, die sich mir immer wieder stellt ist: Welchen Erkenntnisgewinn versprechen derartige historische Statistiken? Warum werden die Zahlen der Vergangenheit immer wieder aufs Neue bemüht? Und warum macht man derartige Renditeberechnungen an Kalenderstichtagen fest? Geben diese Zahlenreihen nicht nur Aufschluss auf das, was passierte, sondern lassen sie vielleicht erahnen, was kommen wird? (Letzteres, sollte man meinen, denn schließlich ist ja in der Medienwelt nichts so alt wie die Schlagzeile von gestern). Aber wenn Letzteres zutrifft: Welche Indikatoren sollten den Ausschlag geben? Und für was?

Wir haben einen einfachen Test in Sachen Prognosefähigkeit dieser kurzfristigen  Vergangenheitsdaten gemacht. Man nehme dazu die 314 europäischen Morningstar-Fondskategorien, füge die Performance-Zahlen dieses Jahres hinzu, hebe die dazu gehörigen Volatilitäten unter und füge eine kräftige Prise unserer europäischen Fonds-Absatzstatistik bei. Wir haben unsere Datenbank Morningstar Direct angeschmissen, Zahlen berechnet, diese kräftig geschüttelt und gerührt. Und nun wollen wir den Versuch unternehmen, etwas Sinn aus dem Zahlenwust herauszulesen.

Rezept 1: Was garantiert nicht miteinander harmoniert

Da die Investment-Welt sich immer schneller dreht und die durchschnittliche Haltedauer von Fonds immer kürzer wird, haben wir zunächst die Performance der ersten drei Quartale dieses Jahres auf ihre Tauglichkeit als Prognoseinstrumente abgeklopft. Wir wollten sehen, wie sich die Hits des Vorquartals in den darauffolgenden drei Monaten entwickelten. Fangen wir mit dem ersten Quartal an: Wer per Ende März die Performance-Rankings des ersten Quartals zum Maßstab machte, investierte Anfang April in folgende Top-10-Aktienfonds-Kategorien:

Tabelle: Die Ersten werden im Folgequartal die Letzten sein 

Die linke Spalte unserer oberen Tabelle zeigt die Morningstar-Fondskategorien mit der besten durchschnittlichen Performance des ersten Quartals, die rechte Spalte die Durchschnittsrenditen des zweiten Quartals. Es zeigt sich, dass ein Investment in die Top-Performer des ersten Quartals Anlegern selten Freude gemacht hätte. Nur Türkei-Aktienfonds, die von Januar bis Ende März im Schnitt um 23,61% zulegten, waren auch im zweiten Quartal überdurchschnittlich erfolgreich und landeten erneut im ersten Quartil der Morningstar-Kategorien, wie aus der grünen Unterlegung der Performance-Felder hervorgeht. Vietnam- und Thailand-Fonds waren ebenfalls relativ erfolgreich. Sie lagen zwischen April und Juni im zweiten Quartil der Morningstar-Fondskategorien (blaue Unterlegung). Alle anderen Fondskategorien der Tabelle lagen im vierten Quartil und mussten empfindliche Verluste hinnehmen. Deutsche, russische und finnische Aktien schnitten dabei im zweiten Quartal besonders schlecht ab.

Wer sich nun Ende Juni ein Herz fasste und erneut in die Top-Performer des zweiten Quartals investierte, hatte per Ende September ebenfalls selten Anlass zur Freude, wie die untere Tabelle zeigt. 

Tabelle: Prozyklische Investments auch im zweiten Quartal wenig erfolgreich

Auch wenn die beiden am höchsten rentierlichen Fondskategorien des zweiten Quartals, Fonds, die in Getreide-Futures und Biotech-Aktien investieren, auch im dritten Quartal zu den besten zählten, war das eher eine Ausnahme. Fondskategorien, die im zweiten Quartal zu den besten zählten, landeten im dritten Quartal zumeist im dritten (gelb) und letzten Quartil (rot).

Sollen wir es zu Beginn des vierten Quartals erneut wagen?

Wir könnten nun sagen: Der dritte Versuch gilt! Sollen wir jetzt, zu Beginn des vierten Quartals in die Fonds investieren, die im dritten Quartal besonders gut gelaufen sind? Hierzu zählen griechische Aktien, Minenbetreiber-Aktien, portugiesische Aktienfonds und Fonds für deutsche Standardwerte.

Doch wollen wir das wirklich? Vielleicht ist die Vergangenheits-Performance ja nicht die entscheidende Zutat für eine Rezeptur, die Anlegerportfolios gut bekommt? Am Ende haben vielleicht ja die Disclaimer unter den beliebten Marketing-Performance-Charts sogar einen Sinn? Vielleicht ist ja die Formulierung, wonach die Vergangenheits-Performance keine Indikation für die künftige Wertentwicklung sei, sogar als handfester Risikohinweis zu verstehen?

Hierfür werfen wir einen Blick auf die Schwankungsintensität der Fondskategorien mit den höchsten Performance-Werten im dritten Quartal. Sie sind – mit der Ausnahme von Afrika-Fonds – allesamt rot unterlegt, was auf das Fondsquartil mit der höchsten Volatilität (zwischen 2009 und 2011) deutet. Nimmt man die Schwankungsintensität eines Fondspreises als Indikator für ein hohes Risiko, dann hat man es hier in der Tat mit hochriskanten Fonds zu tun, deren Performance-Güte sich nicht an Quartalen sondern eher (mehreren) Kalenderjahren bemessen sollte.

Tabelle: Die Volatilität ist hoch: Die kurzfristigen Chancen auch?

Rezept 2: Play it safe. Aber will man das wirklich?

Sollte man also angesichts derart schlechter Resultate bei hochvolatilen Fonds alles anders machen und das geringste Risiko vergangener Tage als Indikator für eine erfolgreiche Fondsanlage der Zukunft verwenden? Wir haben uns die 10 risikoärmsten Fondskategorien der vergangenen 3 Jahre angeschaut. Es handelt sich vor allem um Geldmarktfonds, kurzlaufende Obligationenfonds sowie Schweizer Immobilienfonds.

Tabelle: Mit Geldmarkt- und Immobilienfonds zum Anlageerfolg?

Sollte man seinen Portfolio-Mix mit den (vermeintlich) wenig riskanten Marktrezepturen bestreiten? Man kann, wenn man will, aber ob man sollte, steht auf einem anderen Blatt. Ob eine Kapitalanlage ihren Zweck mit derart bescheiden rentierlichen Produkten erfüllt, ist fraglich. Wer Geld anlegt, strebt selten negative Realrenditen, sondern eine ordentliche risikoadjustierte Rendite an. Was tun also?

Rezept 3: Risiken eingehen, aber die Fristigkeiten und die Zyklizität beachten

Natürlich kann eine Kolumne, die den Sinn der marktüblichen Quartalsrückblicke in Frage stellt, nicht nebenbei den Königsweg der Kapitalanlage verkünden. Allerdings möchte ich an dieser Stelle auf einige Punkte hinweisen.

Wer gegen den Strom der kurzfristigen Trends schwimmt, dürfte deutlich größere Chancen auf Outperformance haben als bei einer prozyklischen Renditejagd. In diesem Jahr haben sich Quartalsrückblicke als hervorragende Kontraindikatoren erwiesen. (Das dürfte übrigens in vielen volatilen Marktphasen der Fall sein.) Hierzu zwei Beispiele:

Wer Anfang April blind auf Fonds aus den schlechtesten Performance-Kategorien des ersten Quartals setzte, hatte eine realistische Chance, im zweiten Quartal eine ordentliche Performance hinzulegen: Nur 3 von 10 der Flop-Fondskategorien des ersten Quartals zählten auch in den darauffolgenden 3 Monaten zu den schwächsten Fondskategorien. 7 der Loser-Kategorien landeten indes im Folgequartal im ersten oder zweiten Quartil.

Tabelle: Im zweiten Quartal punkteten viele Underperformer

 

Dasselbe Muster war auch per Ende September zu beobachten: Wer Anfang Juli auf die Krücken des Vorquartals setzte, hatte beste Aussichten, in den 3 darauffolgenden Monaten eine vergleichsweise hohe Rendite zu vereinnahmen.

Tabelle: Wer Mut hatte und Ende Juni antizyklisch einstieg, wurde belohnt

Natürlich wollen wir mit unserem kleinen Zahlenspiel nicht kurzfristigen Trading-Strategien das Wort reden. Denn wer langfristig orientiert ist, aktive Fonds kauft und relativ hohe Gebühren in Kauf nimmt, sollte einen Anlagehorizont von mehreren Jahren haben.  Allerdings wollen wir an dieser Stelle andeuten, dass sich antizyklische Investment-Ansätze in der Regel für Privatanleger viel eher lohnen als auf die heißgelaufenen Märkte zu setzen - egal, ob wir über kurze oder lange Fristen sprechen.

Rezept 4: Auch die Geldflüsse in Fonds sprechen oft Bände

Ein weiterer Tipp: Auch die Mittelzuflüsse in Fonds können eine Indikation geben, wo besonders viel „heißes“ Geld unterwegs ist. Antizyklische Investmentstrategien verwenden deshalb oft die Geldflüsse in Fonds als (Kontra-)Indikator. Die untere Tabelle zeigt, dass sich die Aktienfonds-Kategorien mit den höchsten Netto-Mittelabflüssen im vergangenen Jahr überwiegend ordentlich geschlagen haben. Ungeliebte Fonds können also durchaus Freude machen.

Tabelle: Ein zweiter Blick auf die ungeliebten Fondskategorien kann helfen

 

Wie aus der oberen Tabelle hervorgeht, zählten europäische Aktien und Dividendentitel aus der Eurozone mit Abflüssen von 8,05 Milliarden bzw. 2,61 Milliarden Euro zu den Kategorien, die im vergangenen Jahr auf dem Höhepunkt der Eurokrise am meisten verkauft wurden. Das zeigt die rote Unterlegung der linken Spalte. Beide Kategorien legten in diesem Jahr indes ordentlich zu. Mit Ausnahme chinesischer Aktienfonds fiel keine Kategorie der Aktienfondskategorien mit hohen Abflüssen 2011 unter das schlechteste Performance-Quartil in den ersten 9 Monaten 2012.

Spiegelbildlich zeigt die unterste Tabelle die Aktien- und alternativen Fonds, die 2011 die höchsten Nettomittelzuflüsse europaweit verbuchten. Diese Produkte zeigen im Schnitt ein eher gemischtes Bild. Wer sich also der Investorenhorde des Vorjahres anschloss, musste sich in diesem Jahr häufiger als nicht mit einer unterdurchschnittlichen Performance begnügen.

Vor allem Fonds der alternativen Investments zeigten überwiegend eine bescheidene Performance in diesem Jahr. Gänzlich danebenlagen auch die Anleger, die 2011 auf das Comeback japanischer Aktien gesetzt hatten und japanische Standardwertefonds kauften. Wieder einmal. 

Tabelle: Prozyklick lässt sich auch an den Geldflüssen ablesen

 

Facebook Twitter LinkedIn

Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich