Auf Sandy folgt eine Welle von Neuemissionen

Die US-Präsidentschaftswahlen werden Aufschluss bringen über die Rettung der Finanzen vor dem „Fiscal Cliff“. Der wöchentliche Bond-Bericht.

Dave Sekera 06.11.2012
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In der vergangenen Woche hat der Wirbelsturm Sandy das Leben in Amerika durcheinander gebracht. Am Montag und Dienstag fand in den USA kein Handel mit Unternehmensanleihen statt, und auch am Mittwoch kehrte noch keine Normalität am Anleihemarkt ein. Zum Wochenschluss ging es dafür aber richtig rund: Für die rekordverdächtige Summe von über 19 Milliarden Dollar wurden neue Unternehmensanleihen auf den Markt gebracht. Die Papiere fanden rasch Käufer. Ob die Investoren aber tatsächlich so unersättlich sind wie es scheint, wird sich in den nächsten Tagen zeigen, denn es steht einer der größten Deals eines Unternehmens mit guter Bonität bevor: Über 10 Milliarden Dollar soll die Pharmasparte AbbVie des amerikanischen Konzerns Abbott noch vor der Abspaltung zum Jahresende bei Investoren einsammeln. Werden die Titel gut aufgenommen und behaupten sich auch im Sekundärmarkt, könnte das kurzfristig die Richtung für den Gesamtmarkt in den USA vorgeben.

Allerdings stehen in den kommenden Tagen noch weitere große Ereignisse auf der Tagesordnung, allen voran natürlich die US-Präsidentschaftswahlen. Daneben finden zeitgleich die Wahlen zum US-Kongress statt, und das ist besonders wichtig für ein anderes Ereignis, das bereits seine Schatten vorauswirft: Das so genannte „Fiscal Cliff”. Sollten sich die amerikanischen Politiker nicht einigen, treten zum Jahreswechsel automatisch Ausgabenkürzungen des Staates und massive Steuererhöhungen in Kraft – keine guten Aussichten für die US-Wirtschaft und damit für die Märkte. Je deutlicher die Machtverhältnisse in der US-Regierung sind, desto leichter wäre es, die „fiskalische Klippe“ zu umschiffen. Wer die besseren Karten in den Verhandlungen hat, werden die Wahlen zeigen.

Dagegen treten die Konjunkturdaten in dieser Woche etwas in den Hintergrund. Dabei verkündet die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag ihre Entscheidung über die Zinssätze im Euroraum, und auch die Bank of England berät über das aktuelle Zinsniveau. Ein Zinsschritt wird allerdings weder von den Notenbankern der EZB noch von ihren Kollegen aus Großbritannien erwartet. Am Donnerstag werden daneben die deutsche und die amerikanische Handelsbilanz veröffentlicht. Zum Wochenschluss kommen mehrere Konjunkturdaten aus China, der Index der Uni Michigan zum Verbrauchervertrauen und die US-Importpreise. Auch unzählige Quartalsberichte werden erwartet. Das Thema Schuldenkrise in Europa ist ebenfalls noch lange nicht abgehakt, schließlich machen wieder Berichte über einen Schuldenschnitt Griechenlands die Runde. Zudem hat Spanien noch nicht – wie schon seit langem erwartet – offiziell bei der EU Hilfe beantragt. Am Donnerstag wird sich zeigen, ob das ein Fehler war, denn dann will das Land wieder 3- bis 7-jährige Staatsanleihen an den Mann bringen.

 

Institutionelle Investoren setzen stärker auf Anleihen von US-Unternehmen

Zuletzt ging es am Anleihemarkt in den USA aufwärts, was vor allem an technischen Faktoren lag. Der Appetit auf Unternehmensanleihen scheint schier unersättlich. Nicht nur, dass Fonds weiter Geld in Unternehmensanleihen investieren, auch gibt es weniger Konkurrenz für Corporate Bonds, etwa durch hypothekenbesicherte Anleihen oder US-Staatsanleihen. Daneben gibt es vermehrt Anzeichen dafür, dass institutionelle Investoren aus anderen Anlageklassen in Papiere amerikanischer Unternehmen umschichten. Ein Beispiel dafür ist Aflac (AFL, „A-“). Der amerikanische Versicherungskonzern hatte bereits angekündigt, den Anteil nachrangiger Anleihen und Anleihen mit unbegrenzter Laufzeit in seinem Portfolio zu reduzieren. Nun ließ das Unternehmen seinen Worten Taten folgen, wie die Zahlen zum dritten Quartal zeigten. Da Aflac einen Großteil seiner Versicherungspolicen auf dem japanischen Markt verkauft, muss das Unternehmen in Yen-Anleihen investieren, und das waren zu einem großen Teil Yen-Bonds europäischer Finanzinstitute. Doch seit Jahresanfang sank der Anteil an nachrangigen Anleihen und Anleihen mit unbegrenzter Laufzeit im Portfolio von Aflac auf 9,0% von 13,8%. Im gesamten Portfolio wurde der Anteil europäischer Titel unseren Berechnungen zufolge auf 22% von 29% abgebaut. Dafür schichtete Aflac in Senior Notes amerikanischer Unternehmen um.


Sandy drückt auf die Bilanzen der Versorger

Sandy dürfte in den Bilanzen der Versorger starke Spuren hinterlassen haben. Denn selbst wenn die Stromwerke der Versorger nicht beschädigt sein sollten, dürften die Übertragungswege und –netze nicht funktionieren. Viele Versorger werden Einnahmeeinbußen verzeichnen, und auch die Liquidität der Unternehmen dürfte in Mitleidenschaft gezogen worden sein. Das drückt die Margen, auch wenn es die Unternehmen nicht in einer Hochsaison trifft. Die meisten Versorger der betroffenen Region haben mit ihren Kunden Verträge geschlossen, denen zufolge nach Verbrauch abgerechnet wird. Aber nach ersten Gesprächen mit Vertretern der Branche und angesichts der Erfahrungen der vergangenen Stürme rechnen wir damit, dass die Unternehmen den Großteil ihrer Kosten an die Endkunden weiterreichen können und somit auf längere Sicht nur minimale Verluste erleiden werden. Möglicherweise kommen auch spezielle Anleihen auf den Markt, um die Reparaturkosten zu decken. Consolidated Edison (ED, „BBB+”) dürfte am stärksten betroffen sein. Wir schätzen, dass das Unternehmen Kosten für Reparaturen und Entschädigungszahlungen durch Stromausfälle von mehreren Hundert Millionen Dollar schultern muss. Doch auch Public Service Enterprise Group (PEG, „BBB+”) in New Jersey, FirstEnergy (FE, „BBB-“) in New Jersey, Pennsylvania, Maryland, Ohio, und West Virginia, Exelon (EXC, “BBB+”) in Maryland und Pennsylvania, Dominion (D, „BBB+”) in Virginia und North Carolina, Northeast Utilities (NU, “BBB”) in Connecticut, Massachusetts, und New Hampshire und Pepco (POM, “BBB”) in Washington, D.C., Virginia und Maryland dürften von Sandy beeinträchtigt worden sein. Weitere Informationen zu den Auswirkungen auf die Versorgerbranche finden Sie in dem Bericht von Joe DeSapri "Utilities Respond to Hurricane Sandy's Aftermath: Impact on Credit Profiles."

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