Achterbahnfahren muss bei Aktien nicht sein

Heute setzen wir unsere Serie zu risikokontrollierten Aktienansätzen fort und diskutieren die so genannte Low-Beta-Strategie, die auf Aktien mit niedriger Volatilität setzt.

Facebook Twitter LinkedIn

Im dritten Teil unserer Serie zu Risiko-Management-Strategien haben wir uns ein Target-Volatility-Portfolio genauer angeschaut. Dabei handelte es sich um eine Strategie, die eine konstante Volatilität als Zielsetzung verfolgt. Heute widmen wir uns Low-Beta-Strategien, die defensive Aktien bevorzugen, um das Portfoliorisiko zu reduzieren.

Alternatives Beta muss nicht zwangsläufig "smart" sein

Bevor wir uns dem eigentlichen Thema widmen, sollten wir einen kleinen Ausflug unternehmen und uns sogenannte „Alternative Beta“-Strategien im Allgemeinen anschauen, da auch Low-Beta-Strategien zu dieser Kategorie zählen. ETF-Anbieter machen hierbei auch gerne vom Begriff „Smart Beta“ Gebrauch. Mir persönlich stößt diese Marketing-Floskel unangenehm auf, da sie impliziert, dass spezielle Strategien intelligenter sind als der Markt – und das sind sie nicht! Sie „definieren“ lediglich das Marktbeta anders. Ob diese Strategien besser oder schlechter sind als der Markt, liegt im Auge des betrachtenden Investors.

Die Diskussion zwischen aktivem und passivem Asset Management ist schon fast eine philosophische Debatte. Einige Marktteilnehmer entscheiden sich für die tatsächliche oder vermeintliche „goldene Mitte“ und setzen auf passive, quantitative Strategien - alternatives Beta eben. Dabei handelt es sich um transparente, regelbasierte Ansätze, wobei sich die Gewichtung der Indexbestandteile im Portfolio meist von dem nach Marktkapitalisierung zusammengesetzten Portfolio unterscheidet.

Alternative Indexstrategien sind nichts Neues. In den USA wurde bereits vor 10 Jahren der Rydex S&P 500 Equal Weight aufgelegt, und seit 2004 bietet Research Affiliates eine Reihe von Indizes an, die nach fundamentalen Kriterien gewichtetet werden. Dennoch: Strategien zu entwickeln, die das Marktbeta neu definieren, scheinen in letzter Zeit immer mehr in Mode zu kommen – vor allem solche, die das Risiko zu minimieren versprechen.

Auf der einen Seite können alternative Strategien durchaus Mängel beheben, die sich durch die Gewichtung anhand der Marktkapitalisierung ergeben. Gleichgewichtete Indizes sind zum Beispiel stärker diversifiziert, da es bei dieser Gewichtung zu keinem Konzentrationsrisiko in bestimmten Aktien bzw. Sektoren kommen kann. Ein großer Kritikpunkt an der Marktkapitalisierungsgewichtung ist vor allem, dass überbewertete Aktien zu stark gewichtet werden und unterbewertete Unternehmen nur im geringen Umfang im Index vertreten sind. Die Technologieblase zur Jahrtausendwende und ihre Folgen sind das Paradebeispiel dieser Problematik.

Auf der anderen Seite basieren alternative Strategien zumeist auf statistischen Modellen, die anhand von historischen Daten berechnet werden. Nur weil eine bestimmte Aktie in der Vergangenheit eine positive Rendite erwirtschaftet hat, heißt das aber nicht, dass sie auch künftig gut laufen wird. In der Praxis kann sogar das Gegenteil eintreten. Weist eine Strategie eine starke historische Rendite auf, dann kann sich durch vermehrte Kapitalzuflüsse die zukünftig zu erwartende Rendite reduzieren.

Außerdem kann es bei alternativen Strategien, die nicht auf Indizes der Marktkapitalisierung basieren, zu Liquiditätsproblemen kommen. Durch den größeren Anteil an Nebenwerten erhöht sich zudem das Risiko. Auch eine überdurchschnittlich hohe Umschichtungshäufigkeit bei alternativen Strategien kostet Geld und kann sich negativ auf die Rendite auswirken.

Niedriges Beta – hohe Rendite?

Zu alternativen Beta-Strategien gehört, wie bereits erwähnt, auch der Low-Beta-Ansatz. Hierbei handelt es sich um einen weiteren einfachen Ansatz, um das Portfolio gegen Tail-Risiken zu schützen. Dabei werden im Aktiensegment des Portfolios defensive Aktien gekauft; sprich: Man setzt auf Indizes oder einzelne Unternehmen mit geringem Beta.

Per Definition beträgt das Beta eines Referenzmarkts eins. Aktien bzw. Indizes werden relativ zu diesem Markt gemessen, um das Beta zu ermitteln. Ein Wert von 0,5 bedeutet, dass eine Aktie zu 50% an der Bewegung des Marktes nach oben bzw. nach unten partizipiert; sprich: Die Aktie steigt um 5%, sollte der Markt um 10% zulegen. Aktien mit einem Beta von größer als eins bieten sich also für rendite- bzw. risikohungrige Investoren an.

Diese Eigenschaft kann den Anschein erwecken, dass man mit Low-Beta Aktien nur durch einen Hebel eine Outperformance erzielen kann – das erscheint nicht unbedingt erstrebenswert. Da aber Aktien mit einem hohen Beta zumeist die bevorzugte Strategie für eine Outperformance ist, werden diese oft mit einer Prämie gehandelt. Im Gegensatz dazu werden Low-Beta Aktien oft auf Grund mangelnder Nachfrage eher mit einem Abschlag gehandelt. Und genau hier kommt es zu Ineffizienzen, die Investoren ausnutzen können.

Es ist weniger überraschend, dass High-Beta-Aktien zwischen 1987 und 2011 eine höhere Volatilität aufweisen als Low-Beta-Aktien. Im Gegensatz zur allgemeinen Meinung weisen Low-Beta-Aktien jedoch gleichzeitig eine wesentlich bessere Performance auf.

Investoren können also ihr Aktienrisiko minimieren, ohne gleichzeitig auf einen Teil der Aktienrendite verzichten zu müssen. Die Überrendite bei Low-Beta-Aktien kommt jedoch nicht von einer Outperformance in Bullenmärkten. Ein Blick auf den maximalen Verlust zeigt, dass Low-Beta-Aktien ihre Outperformance dadurch generieren, dass sie  Kurseinbrüche weniger stark mitmachen. Eine Beispielrechnung soll diesen Zusammenhang verdeutlichen. Angenommen wir haben zwei Portfolios im Wert von je €100. Portfolio A investiert zu 100% in globale Low-Beta-Aktien, Portfolio B investiert hingegen in High-Beta-Unternehmen. Legen wir die maximalen Drawdowns zu Grunde, fällt Portfolio A auf €55,8, während Portfolio B auf €19,8 fällt. Das High-Beta-Portfolio muss nun um 280% steigen, um mit Portfolio A wieder auf Augenhöhe zu sein.  Das Phänomen haben wir bereits beim Risk-Parity-Ansatz gesehen.

Für Investoren bietet sich also an, ihr Aktienportfolio mit Low-Beta Aktien bzw. Indizes zu bestücken, um langfristig das Risiko zu reduzieren. Stichwort ist hierbei „langfristig“, da dieser Ansatz in Bullenmärkten kurzfristig underperformen kann. Daher sollte diese Strategie am besten über mehrere Marktzyklen gefahren werden, um das ganze Potenzial auszuschöpfen. Low-Beta Aktien sind vor allem Unternehmen, die ihr Einkommen unabhängig vom Zustand der Wirtschaft erzielen. Dazu zählen z.B. Versorger und Pharmakonzerne.

Im letzten Teil unserer Serie werden wir die Stop-Loss-Strategie diskutieren und die Frage beantworten, wie alternative Anlageklassen sinnvoll im Portfolio zur Risikominimierung genutzt werden können. Bleiben Sie dran!

Facebook Twitter LinkedIn

Über den Autor

Gordon Rose, CIIA, CAIA,

Gordon Rose, CIIA, CAIA,  war von 2011 bis 2014 Fondsanalyst bei Morningstar.