Dass die Notenbanken die Richtung der Kapitalmärkte sehr stark beeinflussen können, ist eine Binsenweisheit, und nicht umsonst zählt das Motto „don´t fight the Fed“ zu einem der am häufigsten zitierten Klassiker unter den Börsenweisheiten. Die Bedeutung von Federal Reserve, Europäischer Zentralbank und Bank of Japan als prägende Akteure ist seit der Eskalation der Finanz- und Eurokrisen ab 2008 noch einmal gestiegen. Kein Wunder also, dass auf der Morningstar Investment Conference am 30. Oktober in Zürich die Politik der Notenbanken nicht nur ein wichtiges Leitthema darstellte, sondern auch implizit etliche Diskussionen und Panels prägte.
Dr. Karsten Junius, Chefvolkswirt der Bank J. Safra Sarasin rückte die Frage der Zinswende in den USA in den Mittelpunkt seines Vortrags. Bereits der Titel des Vortrags „Die Weltwirtschaft vor der Zinswende“ deutet an, welchen Stellenwert die US Notenbank derzeit für Investoren hat – wir erinnern uns: Im Mai 2013 reichte bereits die Ankündigung des seinerzeitigen Fed-Chefs Ben Bernanke über den Fahrplan für die Beendigung des Anleihekaufprogramms (QE3) aus, um die Kapitalmärkte weltweit in Aufruhr zu versetzen.
Gemäss Karsten Junius dürfte sich dieses Szenario nicht wiederholen. „Die Fed wird kleine, langsame Schritte auf dem Weg zu höheren Zinsen gehen, sie wird dabei zwar nicht stehenbleiben, aber sie will die Märkte nicht überfahren wie es beim Tapering Tantrum im Sommer 2013 passiert ist“, sagte der Sarasin-Volkswirt.
Dass die Zinswende kommt, seht für Junius ausser Frage. „Die Fed hat es am 17. September schliesslich klar gesagt“. Dazu passe, dass die US-Notenbank im Anschluss an die jüngste Sitzung am 29. Oktober Optimismus gezeigt. Junius: „Sie ist in ihrem Statement nicht auf die Gefahren für die Weltwirtschaft eingegangen, und das war auch richtig so“, lobt Junius. Er erwartet, dass der erste Zinsschritt im zweiten Quartal 2015 erfolgen wird. Noch früher dürfte die Bank of England zu einer Straffung der Geldpolitik übergehen. Hier erwartet der Sarasin-Chefvolkswirt bereits in den ersten drei Monaten des kommenden Jahres die erste Leitzinserhöhung.
So weit, so gut. Doch die logische Folge steigender Zinsen sind üblicherweise steigende Belastungen für Haushalte, Unternehmen und auch Staaten. Was ist hier zu erwarten? Gemäss Karsten Junius wird aufgrund der hohen Verschuldung der kommende Zinserhöhungszyklus „moderat“ ausfallen. „De facto läuft es auf eine Normalisierung der Geldpolitik hinaus, nicht auf eine restriktive Politik. Dies sei auch für die Lage in den Schwellenländern wichtig, wo bei einem starken Anstieg der Zinsen in den USA Verwerfungen drohten.
Problemkind bleibt die Eurozone
Die grosse Ausnahme der insgesamt positiven Entwicklung der Weltwirtschaft stellt die Eurozone dar. „Die Wirtschaft hebt nicht ab, und das ist frustrierend“, so Junius. Argumente, wonach die politischen Krisenherde, vor allem die Ukraine-Krise, auf das Wachstum drückten seien für ihn als sekundär zu beurteilen.
Das Wirtschaftswachstum in der Eurozone sei schon vorher schwach gewesen, die Verschuldung und die Arbeitslosigkeit hoch, und die Preise zeigten seit längerem nach unten. Problematisch sei bei keinem der Faktoren die absolute Größe, sondern die regionale Verteilung: Die Eurozone sei sehr heterogen, und zwischen dem schwachen Süden und dem relativ starken Norden sei eine grosse Spreizung zu konstatieren. „Wir sehen vor allem in den südlichen Ländern eine allgemeine Vertrauenskrise in der Wirtschaftspolitik und auch der Währungsunion, und das kann sich durch Wahlergebnisse noch verschärfen“, brachte es der Sarasin-Chefvolkswirt auf den Punkt.
Banken sind zu schwach, um Konjunkturexpansion zu finanzieren
Einen markanten Schwachpunkt machte Junius bei den Banken aus. Ungeachtet des überwiegend positiv verlaufenen EZB-Stresstest seien die Probleme des Sektors keinesfalls gelöst. Denn die Banken seien zu schwach kapitalisiert, um einen neuen Kreditzyklus für Investitionen und Konsum zu tragen. Es sei bezeichnend, dass die Banken in den USA ungeachtet des im Ergebnis tiefen Volumens an öffentlichen Hilfsgeldern deutlich besser dastünden als die Banken in der Eurozone, deren Rettung den Steuerzahler teuer zu stehen gekommen sei.
Als wirkungsvollste Medizin machte Junius Strukturreformen aus. Es sei kein Zufall, dass die angelsächsischen und Länder im „Easy of Doing Business“-Indikator der Weltbank regelmässig am besten abschnitten. Wer mochte, konnte einen positiven Aspekt für die Eurozone an Schluss der Ausführungen von Karsten Junius herauslesen: „Von Inflationsgefahren kann in Euroland keine Rede sein“, so der Sarasin-Experte.