Wie Morningstar Obligationenfonds analysiert

Um qualitative Ratings richtig zu interpretieren, muss man auch die Bewertungsfaktoren genau kennen. Wir unterscheiden klar zwischen Mut vs. Bewusstsein, bestimmte Risiken im Renten-Portfolio zu haben.

Shannon Kirwin 02.12.2016
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Oft werden wir Morningstar Fondsanalysten gefragt, ob wir bestimmte Ansätze (Value vs. Growth, aktiv gemanagt vs. benchmarkorientiert) grundsätzlich für besser halten als andere und ob dies in unseren Bewertungen von Fonds eine Rolle spielt. Die Antwort ist nein; wir achten darauf, ob ein Anlagestil sinnvoll, klar definiert und replizierbar ist, ob er effektiv umgesetzt wird und sich im Portfolio widerspiegelt. Mit diesen Kriterien versuchen wir, in jeder Kategorie die Fonds zu identifizieren, die über einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ähnlichen Strategien verfügen. Dieser Wettbewerbsvorteil manifestiert sich nicht zuletzt in einem soliden Risikomanagement.

In der Analyse von Rentenfonds heißt das, dass wir bestimmte Risikofaktoren im Portfolio bei jeder Analyse in Betracht ziehen. Zwei wesentliche Rendite- und Risikoquellen für Bondinvestoren sind das Kreditrisiko und das Zinsänderungsrisiko (Duration). Ersteres bezieht sich auf die Wahrscheinlichkeit, dass ein Emittent seine finanziellen Verpflichtungen nicht erfüllen kann; letzteres auf die Sensitivität einer Obligation bzw. eines ganzen Portfolios gegenüber Zinsänderungen. Anhand der Morningstar Obligationen Style Box, die Morningstar für jeden Bondfonds bei Vorliegen der relevanten Daten erstellt, können Anleger grob einschätzen, wieviel Risiko ein Fonds in beiden Hinsichten nimmt.

Wir sehen es nicht automatisch kritisch, wenn ein Rentenfonds mehr als andere Mitbewerber in risikoreiche Wertpapiere investiert. Jedoch versuchen wir, uns ein möglichst detailliertes Bild des Risikoprofils eines Anlagefonds zu machen, denn wir wollen keine Fonds empfehlen, mit denen Anleger eine böse Überraschung erleben könnten. Vor allem im Bondbereich, wo die Liquidität und Transparenz am Markt teils deutlich geringer ist als bei Aktien, kann ein gutes Risikomanagement entscheidend sein. Wir suchen nach Managern, die sich der von ihnen eingegangenen Risiken bewusst sind und die geeignete Systeme zur Risikoanalyse und –kontrolle verwenden.

Vertrauen dank ausgewiesenen Experten im Research

Wenn ein Rentenfonds viel Kreditrisiko eingeht, heißt das meistens, dass das Management viel in Unternehmen investiert, die eine niedrige Bonität haben und/oder Bonds kauft, die eine nachrangige Position in der Kapitalstruktur eines Unternehmens aufweisen. Hier ist die Finanzanalyse von einzelnen Emittenten wichtig, denn das Management muss unter anderem einschätzen können, welche Unternehmen das Potenzial haben, ihre Verpflichtungen (auch entgegen der Markterwartung) zu erfüllen oder sogar ihre finanzielle Lage zu verbessern. Gleichzeitgig muss das Fondsmanagement für den schlimmsten Fall (eine Insolvenz) vorbereitet sein, indem es weiß, welche Emissionen durch welche Vermögenswerte gesichert sind. Deswegen halten wir es für wichtig, dass ein Fonds, der in Obligationen mittlerer oder niedriger Bonität investiert, sich auf ein solides Kreditanalystenteam stützen kann.

Der UniEurorenta Corporates ist ein gutes Beispiel. Fondsmanager Stephan Ertz investiert viel in nachrangigen Obligationen europäischer Unternehmen und Banken, die von konservativeren Fonds eher gemieden werden. Diese Papiere beinhalten ein relativ hohes Kreditrisiko, weil sie im Insolvenzfall Senioranleihen untergeordnet werden; in der Regel bieten sie daher auch einen höheren Risikoaufschlag. Der Fonds verfügt über ein Morningstar Analyst Rating von Bronze, da wir meinen, dass der Manager bei diesem Fonds ein solides Risikomanagement etabliert hat.

Seit seiner Ankunft im Jahr 2007 hat Ertz die Kapazitäten von Union Investment im Bereich Fundamentalanalyse und Risikomanagement ausgebaut. Unter anderem hat er den Prozess für die Bewertung einzelner Emittenten besser strukturiert und in den letzten Jahren Systeme eingeführt, um die Liquidität einzelner Holdings zu beobachten. Diese Anpassungen haben zu verbesserten Risikokennzahlen beigetragen; in schwächeren Marktphasen wie der Euro-Krise im Sommer 2011 konnte der Fonds trotz seines höheren Nachranganteils mit der Konkurrenz mithalten. Unser Bonze Rating bringt unsere Überzeugung zum Ausdruck, dass der Manager in der Lage ist, Probleme rechtzeitig zu erkennen und das Portfolio anzupassen, bevor die Risiken sich in überdurchschnittlichen Verlusten niederschlagen.

Wer Erfolg hat, darf auch gerne aus der Reihe tanzen

Was das Management der Duration angeht, gibt es verschiedene Ansätze. Die Duration eines Fonds misst die Sensitivität des Portfolios zu einem (oder mehreren) Zinssätzen. Fonds, die eine längere Duration haben, können stärker schwanken, wenn eine Notenbank den Zinssatz ändert oder wenn sich die Nachfrage am Markt für fest verzinsliche Wertpapiere ändert. Manager, die eine aktive Durationsstrategie verfolgen, passen die Duration eines Portfolios an, um solche Marktbewegungen zu antizipieren und daraus einen Gewinn zu erzielen oder Verluste zu begrenzen.

Auch hier legen wir besonderen Wert darauf, dass die eingegangenen Risiken den Kapazitäten des Managers und des Teams entsprechen. Manager, die aktive Durationswetten eingehen, versuchen, die zukünftigen Bewegungen der Zinskurve zu prognostizieren. Sie benötigen ein umfassendes Verständnis der globalen Geldpolitik und anderer Makrofaktoren. Wo diese Ressourcen vorhanden sind und das Team über einen erfolgreichen Track Record verfügt, begrüßen wir es, wenn ein Fonds in Bezug auf die Duration oder Kurvenpositionierung von der Benchmark erheblich abweicht.

So sehen wir die Strategie beim PIMCO GIS Total Return Bond Fund trotz des Weggangs von PIMCO-Unternehmensgründer Bill Gross dieser Hinsicht weiter positiv. Der Fonds wird seit Gross‘ Wechsel zu Janus von einem erfahrenen dreiköpfigen Managerteam gesteuert, das aus Scott Mather, Mihir Worah und Mark Kiesel besteht. Sie gehören dem PIMCO Investmentkomitee an, das mehrere versierte Makroexperten umfasst. Angesichts der umfangreichen Research-Kapazitäten, die hinter der Durationsstrategie stehen, sowie der quantitativen Ressourcen, auf die sie zurückgreifen, schätzt Morningstar den Fonds weiterhin als überdurchschnittlich ein. Obwohl er sein Gold-Rating eingebüßt hat und die Gebühren der Privatanleger-Tranche überdurchschnittlich teuer ist, empfehlen wir den Fonds nach wie vor mit einem ´Bronze‘ Rating.

Research-Ressourcen effizient einsetzen

In Fällen, wo die Research-Kapazitäten eher begrenzt sind, begrüßen wir es, wenn Manager bewusst auf signifikante Makrowetten verzichten, um sich auf die Bereiche zu konzentrieren, in denen sie einen Mehrwert erwirtschaften können. Zum Beispiel arbeitet Ernst Konrad, der Manager des mit ‚Bronze‘ bewerteten Mischfonds Phaidros Funds – Balanced, in einem fünfköpfigen Team, das sich auf Aktien und Bonds spezialisiert. Angesichts der überschaubaren Research-Kapazitäten verzichtet der Manager auf Durationswetten im Bond-Anteil des Portfolios und fokussiert sich stattdessen auf die Sektorenallokation und die Einzeltitelauswahl, wo er bisher einen soliden Track Record aufbauen konnte.

Die Risiken, die wir bei einer Rentenstrategie in Betracht ziehen, hören hiermit nicht auf—Leverage, Derivateeinsatz, Währungsrisiken und andere Faktoren spielen je nach Ansatz ebenfalls eine wesentliche Rolle. Wichtig zu wissen ist, dass wir nicht das Eingehen von Risiken per se kritisch sehen, sondern mangelndes Risikobewusstsein und –kontrolle.

 

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Über den Autor

Shannon Kirwin  is a fund analyst with Morningstar