Rätsel Bonds: Warum sich US-Obligationen den Erwartungen widersetzen

Die US-Notenbank Fed hat im März die Leitzinsen erhöht. Dennoch sind anschliessend die Kurse von US-Staatsbonds gestiegen. Zinsanstieg=Renditeanstieg bei Treasuries? So einfach ist die Gleichung nicht.

Eric Jacobson 24.05.2017
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Viele Anleger nicht nur in den USA reiben sich erstaunt die Augen. Die US-Notenbank, genauer gesagt: Das Federal Reserve Open Market Committee (FOMC), hat am 15. März die Federal Funds Rate um einen Viertelprozentpunkt auf eine Zielspanne von 75-100 Basispunkten erhöht. Doch was passierte mit den richtungsweisenden zehnjährigen Staatsobligationen? Deren Rendite hatte noch am 13. März, also zwei Tage vor der Zinsentscheidung, bei 2,62 Prozent gelegen. Anschliessend gingen sie deutlich zurück, und zwar auf 2,38 Prozent am 27. März. Aktuell liegt deren Rendite bei 2,33 Prozent. Im Monat nach dem Zinsbeschluss stieg der breit gefasste Bloomberg Barclays U.S. Aggregate Index um 2,3 Prozent.

Vielen Anlegern erscheint das unlogisch, weil sie zwischen Leitzinsen und Bondkursen von folgendem Zusammenhang ausgehen – steigen die Leitzinsen, dann steigen auch die Renditen. Weil die Renditen invers mit den Anleihekursen korreliert sind, müsste ein Zinsanstieg demnach zu fallenden Obligationenpreisen führen. Denn steigende Leitzinsen sind folglich schlecht für Bonds. Oder etwa doch nicht? 

Zunächst zum Grundsätzlichen: Was am Bondmarkt passiert, ist ein Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren. Die kurzfristigen Marktzinsen werden zwar sehr stark von der Fed-Politik beeinflusst. Die Reaktion der langlaufenden Anleihen auf Leitzinserhöhungen hängt aber von einer Reihe von Einflussfaktoren ab. Unter anderem zählt dazu die unter den Anlegern vorherrschende Annahme, ob die Fed bei ihrem zinspolitischen Vorgehen zu langsam oder zu schnell vorgeht. 

Was passiert jetzt gerade?

Zum Stichtag 13. April legte auf Sicht von einem Monat das kurzfristige Anleihesegment in der Morningstar-Kategorie um 0,70% zu und das mittelfristige Anleihesegment um 2,1%. Die nachfolgende Tabelle zeigt noch etwas detaillierter, was mit den Renditen am US-Staatsanleihemarkt seit dem 14. März (dem Tag vor dem Zinserhöhungsbeschluss der Fed) bis zum 13. April passiert ist. 

Treasuries entlang der Laufzeitenkurve im ersten Monat nach der Zinserhöhung

Treasury data

Den genauen Grund für das jüngste Verhalten ist schwer zu ermitteln, denn es gibt eine Reihe von Faktoren, die zur aufgetretenen Stabilität bei den Anleihen beitrugen. So war zum Zeitpunkt der Leitzinserhöhung im März dieser Schritt in den Kursen bereits weitgehend eskomptiert und als Folge davon fiel die Reaktion verhalten aus.

Ein anderer Faktor, der zuletzt das Geschehen bei Anleihen und insbesondere am kurzen Ende der Zinskurve beeinflusste, war die gestiegene Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Fed im weiteren Verlauf des Jahres 2017 die Leitzinsen nur noch zweimal statt dreimal erhöhen könnte. Oder mit anderen Worten ausgedrückt: Wie von ihr angekündigt würde die Fed zwar die Leitzinsen weiter erhöhen, aber eben nicht so aggressiv wie manche Marktteilnehmer zuvor angenommen hatten. 

Die so genannten Fed-„Dot Plots“, die zeigen, wie die einzelnen Mitglieder des FOMC-Ausschusses die weitere Entwicklung der Federal Funds Rate bis zum Jahresende und in den kommenden Jahren sehen. Sie geben Hinweise darauf, wie viele Zinserhöhungen bis Ende 2017 noch anstehen könnten. In der jüngsten Fassung wird die von den FOMC-Mitgliedern im Median erwartete Spanne für die Federal Funds Rate mit 1,25-1,50 Prozent angegeben. Das würde auf nur noch zwei Leitzinserhöhungen in diesem Jahr hinauslaufen. Vom Dot-Plot-Ausblick im Dezember weicht dieses Ergebnis zwar kaum ab, aber viele Marktteilnehmer hatten zwischenzeitlich eine aggressiver werdende Zinspolitik als sehr wahrscheinlich unterstellt. Doch so wie es jetzt aussieht, bleibt die Fed zumindest vorerst dabei, nur sukzessive zu erhöhen, um zum langfristigen Zins-Ziel von drei Prozent zu gelangen. 

Was Einflussfaktoren angeht, die am langen Zinsende eine Rolle spielen könnten, sind die vielen wirtschaftlichen Unsicherheiten zu nennen, mit denen sich die US-Investoren nach den Präsidentschaftswahlen konfrontiert sahen. Diese reichten von der Frage zur künftigen Gesundheitspolitik bis hin zur Unsicherheit darüber, ob die Trump-Regierung die versprochenen Infrastruktur-Verbesserungen umsetzen kann. Durch die Krisen in Syrien und in Nordkorea haben zudem die geopolitischen Ängste zugenommen. Darüber hinaus ist noch offen, wie der Welthandel und die Fiskalpolitik unter einem Präsidenten Trump aussehen werden. Als weiterer Grund kommt auch noch folgendes hinzu: Aus Sicht von Anlegern mag die Entwicklung bei den US-Staatsanleihen kraftlos erscheinen. Aber das Niedrigzinsniveau an den weltweiten Rentenmärkten der entwickelten Länder trägt eben dazu bei, sie auf dem derzeitigen Niveau verankert zu halten.

Was bedeutet das für die Zukunft? 

Ich würde die zuletzt gestiegenen Anleihepreise nicht als Garantie dafür einstufen, dass die Anleihen gegenüber jede zinsbedingte Form von Schmerzen gefeit sind. Ab einem bestimmten Punkt dürften Anleihen an Schwung verlieren. Sollte die Fed etwas früher als derzeit unterstellt die Zinsen erhöhen, könnte das dramatische Bewegungen bei den Anleihen auslösen. Auch eine steigende Inflation, ob nun auf realer Basis oder basierend auf den Prognosen, könnte einen starken Einfluss auf die Anleihepreise ausüben. 

Die Bond-Märkte unterscheiden sich in einem wichtigen Punkt nicht von Aktien: Es ist schwierig, sie zu timen. Viel einfacher ist es, eine stimmige Vermögensallokation aufzubauen und dieser treu zu bleiben. Statt sich auf die kurzfristige Entwicklung der Anleihekurse zu fokussieren, sollte man sich kritisch fragen, warum man Staatsanleihen hält. Eine wichtige Funktion ist der Schutz vor den Folgen eines Ausverkaufs am Aktienmarkt. Typischerweise schlagen sich hochqualitative Anleihe-Fonds ziemlich gut in Ausverkaufsphasen. Das war 2008 und auch in den nachfolgenden volatilen Phasen am Aktienmarkt der Fall.

Wer Anleihen aus langfristigen Diversifikationsgründen hält, sollte an Fonds mit einer gewissen Zinssensitivität festhalten. Denn diese Fonds können dabei helfen, Volatilität auszugleichen, die im Aktienanteil des Portfolios entstehen kann – und zwar unabhängig davon, ob die Renditen sicherer Anleihen niedrig sind wie in den USA oder sogar eher im negativen Bereich liegen wie in Europa oder Japan. 

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Über den Autor

Eric Jacobson  Eric Jacobson is Morningstar's director of fixed-income research and an editorial director for mutual fund content.