Die Verluste bei Bond-Fonds waren zeitweilig atem­beraubend

Ein Interview zu den Folgen der Corona-Krise für die Fondsindustrie, das auf fundplat.com veröffentlicht wurde. 

Ali Masarwah 05.05.2020
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Ein Interview zur Frage, wie sich die Coronakrise auf die Fondsindustrie auswirkt und welche Bereiche des Investmentmarktes zu kämpfen hatten. Die Dokumentation des Gesprächs wurde das am 30. April auf fundplat.com veröffentlicht. Die Fragen stellte Thomas Caduff, CEO der Fundplat GmbH, eine B2B Event- und Media-Plattform mit Präsenz in Deutschland, Luxemburg, Österreich und der Schweiz. Für die Genehmigung der Widergabe des Interviews ein herzliches Dankeschön!  

Herr Masarwah, das waren wohl auch sehr aufregende Zeiten für Sie. Wie kamen Sie über die Runden?

Eigentlich sehr gut. Als Zahlen­mensch braucht man ja im Lock­down nur einen Inter­net­anschluss, den Zugang zum Firmen­netz­werk samt Daten­bank und ein Telefon. War alles vorhanden, da lässt sich das Home­office in Zeiten der Corona­krise gut aushalten. Zu tun gab es in diesem Jahr wirklich genug, das war schon eine beson­dere Zeit und hat mich an die  Finanz­krise erinnert, oder an das Platzen der Dot-com-Blase. In vola­tilen Märkten ist das Infor­mations­bedürfnis der Anleger und der Medien besonders gross. Themen gab es sehr viele, und die stark gestie­genen Zugriffs­zahlen auf unsere Web­site haben gezeigt, dass wir da einen Nerv getroffen haben. Kurzum: unter­beschäftigt war ich nicht in den vergan­genen Wochen!

Auf den Punkt gebracht: was hat Sie bei den Fonds­gesell­schaften am meisten überrascht?

Es gab viele bemerkens­werte Ereig­nisse, etwa die regel­rechte Implosion der Fonds­palette von H2O, der Londoner Natixis-Tochter, der Knock-out einiger Öl-ETCs, die gigan­tischen Abflüsse aus Fonds im März. Der euro­päischen Fonds­industrie sind im März 16 Prozent ihrer Assets durch Abflüsse und Kurs­verluste an den Märkten verloren gegangen. Ich benutze das Wort „historisch“ ungern, aber das war schon eine ausser­ordent­liche Zeit. Das gilt übrigens auch für die nachfol­gende Erholung. Wenn ich mich aber für ein Thema in der Krise entscheiden müsste, dann würde ich den Schock der Bond-Korrektur hervor­heben. In vielen Standard-Rentenfonds waren Risiko-Assets bemerkens­wert stark vertreten wie auch in defen­siven und ausge­wo­genen Misch­fonds. Das gab sehr hohe Verluste, die viele Anleger wohl nicht auf dem Schirm hatten. Das hatte einen Run der Anleger auf viele Fonds zur Folge, und entsprechend haben etliche Fonds­anbieter vermeintlich sicherer Produkte hohe Mittel­abflüsse zu verkraften. War das aber ein nachhal­tiger Schock? Das ist vermutlich zu früh zu sagen, aber da inzwischen schon grosse Teile der Verluste aufge­holt wurden, setze ich da ein Frage­zeichen hinter.

Gibt es klare Gewinner oder leiden alle?

Ich würde sagen, dass es im März eigentlich fast nur Verlierer gab. Ob es Fonds für Aktien, Anleihen, einschliesslich Lang­läufer-Fonds, oder Gold-ETFs oder ETCs waren: Alles ist im März auf Tauch­station gegangen. Besonders dramatisch ist meines Erachtens, dass viele syste­ma­tische Invest­ment­strategien pro­zyklisch aus dem Markt gegangen sind, als die Verluste am höchsten waren. Das betrifft in Deutsch­land fonds­basierte Riester-Renten, aber auch einige Robo-Advisor. Das Wealth Mana­gement einiger Banken hat sich auch nicht mit Ruhm bekleckert, da wurde am Tief viel in Bonds umge­schichtet. Unsere ersten Zahlen zum Fonds­absatz im April deuten an, dass nur ein kleiner Teil des Geldes, das aus Fonds im März abge­flossen ist, wieder investiert wurde.

Werden sich einige Fonds­häuser nicht mehr erholen oder gar aus dem Markt gedrängt?

Hätten Sie mich vor einem Monat gefragt, hätte ich das bestimmt bejaht und darauf getippt, dass es für einige eng werden wird. Aber Perfor­mance-seitig ist im April viel wett­gemacht worden, sodass ich nicht so sicher bin. Spannend wird es, wenn die Märkte wieder einen Nasen­stüber bekommen sollten und eine zweite Flucht­welle aus Fonds einsetzt. Momentan sieht es so aus, als ob die Noten­banken und die Fiskal­politik in den USA und Europa das Schlimmste verhindert haben; momentan spielt der Markt ein sehr opti­mis­tisches Szenario, dass nämlich die Inter­ven­tionen die Zeit nahtlos über­brücken, bis die Unter­nehmen wieder im Zuge des Herauf­fahrens der Wirt­schaft ihre Geschäfts­akti­vi­täten auf nahe 100 Prozent gesteigert haben. Hoffen wir, dass es so kommt - dann könnten die wenigen Anleger, die wieder einge­stiegen sind und die, die ausge­halten haben, die Krise abhaken. Das ist zwar nicht ausge­machte Sache, aber ich halte das schon für plausibel.

Sie halten die Aussichten für nicht so schlecht?

Unsere Aktienanalysten haben auf dem Tief­punkt der Märkte sehr dezidiert darauf hinge­wiesen, dass viele Unter­nehmen dramatisch unter­bewertet sind und sie verweisen auch heute auf Unter­nehmen mit Wettbe­werbs­vorteilen, ausge­drückt in unseren „Moat Ratings“, die günstig bewertet sind. Es wäre wünschens­wert, wenn Anleger sich vom Quartals­denken lösen und eine lang­fris­tige Haltung einnehmen.

Das ewige Thema - aktiv oder passiv. Konnten aktive Manager ihre Trümpfe ausspielen und wie sieht es perspektivisch aus?

Wir weisen immer wieder darauf hin, dass aktive Manager im Durch­schnitt sowohl in Aufwärts- wie in Abwärts­märkten hinter dem Markt liegen werden. Das ist das Gesetz der grossen Zahl. Fonds erwirt­schaften in toto die Perfor­mance des Marktes, abzüglich Kosten. Da die bei aktiv verwal­teten Fonds deutlich höher sind als bei Index­fonds, sind Letztere im Vorteil. Ich halte daher die einzelnen spekta­kulären Erfolg­stories während der Turbu­lenzen für wenig beein­druckend: Im Abwärts­trend bis Ende März haben einige Fonds profitiert, aber das sind zumeist die Fonds­manager, die in der jetzigen Erho­lungs­phase hinten liegen. Natürlich hilft es, wenn ein Fonds­manager in der Lage ist, auf dem Höhe­punkt der Krise zu reüssieren, aber was bringt das dem Anleger, wenn er in den Jahren davor kaum performt hat und auch jetzt wieder hinten liegt? Beein­druckend finde ich die Manager, die unter dem markt­breiten Rückgang gelitten haben, bei der Stange geblieben sind, und jetzt viel aufge­holt haben. Im Zweifel sind passive Fonds durch den schnellen Rebound, den viele Manager vermutlich nicht vollum­fänglich mitge­nommen haben, derzeit noch stärker im Vorteil, als das in normalen Markt­phasen sonst der Fall ist.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich