In Sachen Fonds-Transparenz schneidet die Schweiz unterdurchschnittlich ab

Der Fondsstandort Schweiz erhält in unserer Studie „Global Investor Experience Study“ die Note „Unterdurchschnittlich“ für die Fondstransparenz. Auch wenn die Standards der Europäischen Union typischerweise übernommen werden, hinken die Eidgenossen derzeit in Sachen ESG-Transparenz hinterher. 

Ali Masarwah 14.12.2020
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Transparenz über Gebühren zählen zu den wichtigsten Offenlegungspflichten für Fondsanbieter

Das Fehlen einer Verordnung oder eines Kodex, der die Offenlegung von Stewardship-Aktivitäten für Fondsgesellschaften vorschreibt, hebt den Markt von den europäischen Mitbewerbern ab und senkt die Offenlegungsnote des Landes auf „Unterdurchschnittlich“. 

Die 8,5 Millionen Einwohner der Schweiz profitieren von einem gut ausgebauten Pensionssystem. Das bedeutet, dass die Asset Management Branche für mehr Wachstum in hohem Masse auf Geschäfte mit der EU angewiesen ist. Nach Branchenschätzungen macht die EU rund 50 Prozent des Umsatzes der Schweizer Vermögensverwaltungsbranche aus. Ein wichtiger Wachstumstreiber für die Schweizer Asset Manager ist die Fähigkeit, Produkte und Dienstleistungen in der EU zu vermarkten. Aus diesem Grund hat die Schweiz ihre Fondsregulierung immer wieder an die EU-Standards angeglichen. So wurde 2013 das Kollektivanlagengesetz an die EU-AIFMD-Richtlinie angepasst und die EU-Richtlinie MiFID II in das Schweizer Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) übertragen. 

Die EU wendet einen Äquivalenzansatz an: Wenn die EU das Regulierungssystem eines Nicht-EU-Landes als gleichwertig anerkennt, können Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern in der EU tätig werden, indem sie die Regulierungsstandards ihres Heimatlandes einhalten. Für die Schweiz ist eine solche Anerkennung der EU-Äquivalenz sehr wichtig, aber nicht einfach zu erreichen: Zwar hat die EU-Wertpapieraufsichtsbehörde die Schweizer Regulierung für gleichwertig mit der EU-OGAW-Richtlinie erklärt, die Gleichwertigkeit wurde jedoch von der EU-Kommission nicht anerkannt. Dies ist auch im Hinblick auf die kommende EU-Verordnung zu nachhaltigkeitsbezogenen Angaben zu beachten, die noch nicht in die Schweizer Fondsgesetzgebung eingeflossen ist, die aber ein wichtiger Bestandteil der Offenlegung von Fonds sein wird und daher für die künftige Äquivalenzdiskussion von großer Bedeutung ist. 

Allgemeine Offenlegungspraktiken 

In der Schweiz sind die Fonds verpflichtet, sowohl Jahres- als auch Halbjahresberichte zu veröffentlichen, und die Finanzberichte innerhalb dieser Aktionärsberichte müssen einen Vorjahresvergleich enthalten. Marketingmaterial wie monatliche Fact Sheets spielen eine wichtigere Rolle bei der Übermittlung von Informationen über Fonds an die Anleger als rechtliche Dokumente. Fact Sheets müssen der Schweizer Fondsregulierung entsprechen, die verlangt, dass die Werbung klar, fair und nicht irreführend ist. Ebenso ist die Diskussion des Managements über die Wertentwicklung nicht vorgeschrieben, wird aber üblicherweise zur Verfügung gestellt, wobei die Qualität der Diskussion je nach Fondsanbieter variiert und oft zu wenig detailliert ist. 

Swiss Fund Data, ein Joint Venture zwischen der Swiss Funds & Asset Management Association (SFAMA) und der SIX Swiss Exchange, betreibt eine zentralisierte Website, die Fondsdokumente und Informationen zu den in der Schweiz zum Vertrieb registrierten Fonds enthält, aber mit einem Abdeckungsgrad von nur knapp 50 % der in der Schweiz zum Vertrieb zugelassenen Fonds ist diese Website jedoch bei weitem nicht vollständig. Die Informationen auf der Website sind prinzipiell in deutscher, französischer und englischer Sprache verfügbar, aber die Fondsunterlagen sind nicht immer in allen drei Landessprachen erhältlich. 

Vereinfachter Prospekt 

In der Schweiz ist das wichtigste Dokument zur Offenlegung von Fonds am Verkaufsort das Key Investor Information Document (KIID). Zwar veröffentlichen die Fondsleitungen keine KIIDs für 30% der in der Schweiz domizilierten Fonds, doch die im vereinfachten Prospekt dieser Fonds enthaltenen Informationen sind jedoch weitgehend identisch mit denen in den KIID. Dies bedeutet, dass in der Praxis alle Anlageprodukte für Privatanleger in der Schweiz den gleichen Offenlegungsvorschriften folgen. 

Der vereinfachte Verkaufsprospekt muss in einfacher Sprache verfasst sein, aber diese ist für den durchschnittlichen Anleger nicht immer klar genug, um sie zu verstehen - auch der Abschnitt über die Strategie oder das Anlageziel enthält nicht immer genügend Informationen, damit ein Anleger die Strategie der Anlage effektiv bestimmen kann. Das Dokument enthält auch einen Abschnitt, der die wesentlichen fondsspezifischen Risiken abdeckt. Die wichtigsten Risiken werden in einer verständlichen Weise erläutert, aber die möglichen negativen Folgen, die mit jedem Risiko verbunden sind, werden nicht so deutlich angegeben. 

Es gibt keine genaue Darstellung der monetären Dimension der Gebühren innerhalb des Dokuments, das heißt, die Kosten werden nicht auf Franken und Rappen genau benannt. Stattdessen sind die Fonds verpflichtet, in den rechtlichen Dokumenten eine laufende Gebühr (Total Expense Ratio) offenzulegen, die gemäß dem Schweizer Fondsgesetz berechnet und dargestellt wird. 

Das KIID enthält auch ein Balkendiagramm, das die Kalenderjahresperformance der Anteilsklasse über die letzten 10 Jahre im Vergleich zu der ihrer Benchmark, sofern vorhanden, darstellt; dieser Abschnitt des KIID entspricht einer Reihe von Fondsrichtlinien. Für in der Schweiz domizilierte Fonds kann die Kalenderjahresperformance auf die letzten fünf Jahre reduziert werden. Während die Branchenpraxis von Fondsgesellschaft zu Fondsgesellschaft unterschiedlich ist und einige sehr klare und leicht verständliche Formulierungen liefern, neigen die rechtlichen Dokumente der meisten Gesellschaften dazu, textbausteinartige Standardformulierungen zu enthalten; Vertreter der Fondsbranche argumentieren, dass sich Schweizer Fondsanleger bei ihren Informationen mehr auf Marketingmaterial als auf rechtliche Dokumente verlassen. 

Offenlegung der Gebühren 

Vermögensverwalter in der Schweiz stellen eine einfache, aggregierte Gesamtkostenkennzahl in Form einer laufenden Gebühr (oder Gesamtkostenquote für in der Schweiz domizilierte Fonds) zur Verfügung, die im vereinfachten Prospekt veröffentlicht wird. Darüber hinaus sind die Fonds verpflichtet, Managementgebühren, Performancegebühren sowie Kauf- und Rücknahmegebühren im Jahresbericht oder im vereinfachten Prospekt einzeln auszuweisen. Laufende Kosten oder Gesamtkostenquoten für Fonds in der Schweiz werden einheitlich berechnet und entsprechen den Kriterien der International Organization of Securities Commissions für standardisierte Kosten. 

Die aufgeführten Zahlen sowohl für die prospektiven als auch die historischen laufenden Kosten beinhalten die erworbenen Fondskosten für Dachfondsstrukturen. Für jene Fonds, die nicht außerhalb der Schweiz vertrieben werden, wird eine Fondsbetriebskostenquote von der SFAMA berechnet und von der Schweizer Finanzmarktaufsicht genehmigt (basierend auf den Grundsätzen der Schweizer Selbstregulierung). 

Offenlegung von Portfoliobeständen 

Fonds sind verpflichtet, ihre Portfoliobestände in ihren Jahres- und Halbjahresberichten offenzulegen, die üblicherweise auf der Website des Vermögensverwalters veröffentlicht werden.  Eine vollständige Offenlegung aller Positionen ist erforderlich, einschließlich Long- und Short-Positionen in börsengehandelten Aktien, Anleihen, Derivaten und privaten Anlagen. Für Anleger ist es jedoch schwierig, das wirtschaftliche Engagement von Derivatbeständen zu ermitteln. Fonds haben vier Monate nach dem Ende des Geschäftsjahres Zeit, den Jahresbericht zu veröffentlichen. In der Praxis legen die Schweizer Fondsgesellschaften in 66% der Fälle monatliche Portfolios gegenüber Morningstar offen, wobei die Berichterstattung im Durchschnitt fast drei Monate zurückliegt. 

Offenlegungen zum Portfoliomanagement 

Es besteht keine Verpflichtung, den Namen oder die Amtszeit des Portfoliomanagers anzugeben; gelegentlich sind diese Informationen auf Firmenwebsites und monatlichen Fact Sheets zu finden. Morningstar erhält Informationen zum Namen des Managers für etwa die Hälfte der in der Schweiz domizilierten Fonds. Es gibt keine Informationen über deren Vergütung oder ob die Manager oder Fondsleitungsmitglieder neben den Aktionären in ihre Fonds investieren. 

Offenlegungen zum Fondsvertrieb 

In der Schweiz muss Privatanlegern am Point of Sale der Zugang zu einem KIID angeboten werden. Berater sind verpflichtet, Interessenkonflikte offenzulegen. Insbesondere verlangt das FIDLEG, dass die Berater die Anleger darüber informieren, ob ihre Beratung auf unabhängiger oder nicht-unabhängiger Basis erbracht wird. Unabhängige Berater dürfen keine Gebühren, Provisionen oder sonstige monetäre oder nicht-monetäre Zuwendungen von den von ihnen empfohlenen Fonds annehmen und behalten. Im Falle einer nicht unabhängigen Beratung sind solche Zahlungen oder Vorteile nur dann erlaubt, wenn sie die Qualität der Beratung verbessern und die Pflicht des Beraters, im besten Interesse des Kunden zu handeln, nicht beeinträchtigen. Darüber hinaus müssen die Berater den Anlegern einen Überblick über alle mit einer Anlage verbundenen Kosten geben, einschließlich der Kosten für die Dienstleistung des Beraters und der Produktkosten. 

ESG- und Stewardship-Offenlegung 

Hinsichtlich der Offenlegung von Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsaspekten durch Fonds ist die Schweiz im Vergleich zur EU ein Nachzügler, und es gibt keine Regulierung, die ESG-Offenlegungen durch Fonds regelt. Während Vermögensverwalter ihre Nachhaltigkeitsangaben für institutionelle Kunden verbessert haben, sind die ESG-Informationen für Privatanleger begrenzt und eher marketingorientiert. 

Der offene Charakter des Schweizer Marktes für Vermögensverwaltungsdienstleistungen bringt es mit sich, dass Schweizer Vermögensverwalter mit internationalen Vermögensverwaltern konkurrieren, die sich absehbar an die bevorstehende EU-Verordnung zur Offenlegung von ESG-Informationen anpassen wird. Ab März 2021 müssen Vermögensverwalter und Investmentfonds Informationen zu ihrer nachhaltigen Investmentpraxis und zu den Nachhaltigkeitsrisiken ihrer Fonds offenlegen. 

Es wird zwar erwartet, dass die Schweiz der EU in Bezug auf ESG-Offenlegungen folgen wird, aber es ist unwahrscheinlich, dass dies innerhalb der nächsten zwei Jahre geschieht. Dies erschwert es Anlegern, Fonds mit bestimmten ESG-Engagements zu identifizieren und zu vergleichen und erhöht das Risiko von Greenwashing.

Hier gelangen Sie zur Zusammenfassung unserer globalen Studie.

Hier können Sie die vollständige Untersuchung „Global Investor Experience Study 2020: Disclosure“ herunterladen.

Die Analysen in diesem Artikel basieren auf unserem Tool für professionelle Anleger. Weitere Informationen zu Morningstar Direct erhalten Sie hier

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich