Greenwashing: Wird die SFDR ausreichen, um es zu verhindern?

Die EU-Verordnung zur Transparenzpflicht nachhaltiger Finanzprodukte ergänzt die bestehenden Regelwerke für Hersteller und Berater von Finanzprodukten.

Hortense Bioy, CFA 07.07.2021
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Die EU-Verordnung zur Transparenzpflicht nachhaltiger Finanzprodukte (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR), die am 10. März 2021 in Kraft trat, ergänzt die bestehenden Regelwerke für Hersteller und Berater von Finanzprodukten.

Die SFDR schreibt Fondsmanagern zum ersten Mal vor, Informationen über die ESG-Risiken und die negativen Auswirkungen ihrer Anlagen auf die Gesellschaft und den Planeten zur Verfügung zu stellen und nimmt damit speziell das Problem des „Greenwashing” aufs Korn.

Aber was genau bedeutet Greenwashing, und wird die SFDR ausreichen, um es vollständig zu unterbinden?

Was versteht man unter Greenwashing?

Der Begriff ist schwer zu definieren, weil es sich im Grunde um einen Sammelbegriff handelt, der von verschiedenen Menschen unterschiedlich interpretiert wird. So wie es keinen Konsens darüber gibt, was eine grüne Anlage ausmacht, gibt es auch keinen endgültigen Konsens darüber, was Greenwashing ist.

Tatsächlich gibt es zwei Arten von Greenwashing – bewusstes und unbewusstes. Von bewusstem Greenwashing spricht man, wie der Ausdruck bereits vermuten lässt, wenn die Anbieter von Finanzprodukten die Nachhaltigkeitsvorteile eines Produkts übertrieben darstellen und verkaufen. Von unbewusstem Greenwashing hingegen spricht man, wenn ein Missverhältnis zwischen der Vorstellung des Anlegers davon, was „grün” ist, und dem, was der Anbieter tatsächlich anbietet, besteht.

Warum ist Greenwashing zu einem Problem geworden?

Betrachtet man Greenwashing im Kontext, erkennt man schnell, warum Vermögensverwalter versucht sein könnten, die Produkte, die sie anbieten, über die Maßen zu loben und zu preisen, denn ESG verkauft sich.

Die Anleger stecken immer mehr Geld in ESG-Fonds. So erreichten die Zuflüsse in europäische ESG-Fonds im ersten Quartal dieses Jahres ein Rekordhoch von 120 Milliarden Euro – das ist ein Plus von 20 % gegenüber dem Vorquartal. Tatsächlich entfielen auf ESG-Fonds im ersten Quartal mehr als die Hälfte der gesamten europäischen Fondszuflüsse, und in den letzten 12 Monaten durchbrach das von diesen Fonds verwaltete Vermögen die 1-Billion-Euro-Marke.

Dieses beeindruckende Vermögenswachstum wurde durch Rekordzuflüsse, aber auch durch die Auflegung neuer Fonds vorangetrieben. Allein im letzten Jahr wurden mehr als 500 neue ESG-Fonds auf den Markt gebracht. Die Fondsmanager reagieren auch auf die steigende Nachfrage der Anleger nach nachhaltigen Anlagemöglichkeiten, indem sie bestehende konventionelle Fonds umwidmen.

Angesichts dessen könnte Greenwashing (ob bewusst oder nicht) als Möglichkeit betrachtet werden, auf diesen Zug aufzuspringen und mehr Anleger anzusprechen, deren Interesse an Umwelt- und Klimathemen so hoch ist wie nie zuvor.

Wo kommt nun die EU-Verordnung zur Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen im Finanzdienstleistungssektor (SFDR) ins Spiel?

Die Aufgabe der Regulierungsbehörde ist es, die Anleger zu schützen. Dabei ist es eines der Hauptziele der SFDR, das Problem des Greenwashing anzugehen.

Kurz gesagt verlangt die SFDR von den Fondsmanagern, Auskunft darüber zu geben, wie sie in ihrem Anlageprozess Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigen, welche Metriken sie zur Bewertung von ESG-Faktoren verwenden und wie sie Anlageentscheidungen identifizieren, die zu negativen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren führen (oder, in der Sprache der Regulierungsbehörden, zu nachteiligen Auswirkungen (Principal Adverse Impacts, PAIs).

Die SFDR legt in erster Linie die Messlatte für Anlageprodukte höher – vor allem für jene, die vorgeben, ESG-Markmale zu fördern (hellgrüne Fonds, Fonds nach Artikel 8) und für jene, die nachhaltige Ziele verfolgen (dünkelgrüne Fonds, Fonds nach Artikel 9), indem sie strenge Mindestoffenlegungsstandards vorsieht.

In der Praxis bedeutet das, dass Hersteller (Finanzmarktteilnehmer) und Berater auf ihren öffentlichen Websites eine Reihe von Informationen auf „Unternehmensebene” bereitstellen müssen. Und für die Produkte (Fonds, verwaltete Produkte, Modelle) bedeutet es, dass in die vorvertraglichen Dokumente und die regelmäßigen Veröffentlichungen zusätzliche Informationen aufgenommen werden müssen.  

Welche Auswirkungen zeigte die SFDR seit ihrer Einführung?

Bei Morningstar haben wir die bisherige Umsetzung der SFDR untersucht, indem wir eine breite Stichprobe von etwa 30 Vermögensverwaltern in der EMEA-Region befragten.

Die Daten zeigen uns, dass es verschiedenste Praktiken und Interpretationen gibt, wobei einige Fondsmanager, insbesondere in Frankreich, in den nordischen Ländern und in den Niederlanden, mehr Fonds (Fonds nach Artikel 8 oder 9) als grün einstufen als in anderen Ländern. Insgesamt bezeichnen sich ca. 23-24 Prozent der Fonds in Europa als grün. Diese Zahl ist höher als erwartet und man könnte  meinen, dass die Regulierungsbehörde den Vermögensverwaltern die Möglichkeit gibt, ihre Produkte trotz geringer Integration von ESG-Faktoren als „grün” zu verkaufen.

Die Kategorie „Fonds nach Artikel 8”, in der die überwiegende Mehrheit der Fonds der Kategorien Artikel 8- und 9 angesiedelt ist, repräsentiert ein breites Spektrum an ESG-Ansätzen, von niederschwelligen ESG-Ausschlüssen bis hin zu thematischen „Best-in-Class”-Strategien, die teilweise fast identisch mit den „Artikel 9”-Strategien sind. Es besteht sicherlich weiterhin Klärungsbedarf hinsichtlich Definition und Klassifizierung, den die Regulierungsbehörde beheben muss.

Dennoch hat die SFDR das Verdienst, durch den mächtigen Mechanismus der Offenlegung Vermögensverwalter dazu zu zwingen, ESG-Risiken und -Auswirkungen in ihren Anlageprozessen offenzulegen und den Anlegern nachhaltigere Optionen anzubieten. Wir sehen bereits, dass Vermögensverwalter einige ihrer Strategien verbessern, um die Anforderungen in Bezug auf Artikel 8 zu erfüllen. Daher ist zu erwarten, dass in den kommenden Jahren mehr Geld in nachhaltige Anlagen fließen wird.

Reicht die SFDR aus, um Greenwashing vollständig zu unterbinden?

Es ist wahrscheinlich noch zu früh, um ein Urteil zu fällen, aber es gibt Gründe, optimistisch zu sein. Vermögensverwalter haben bis Ende des Jahres Zeit, die SFDR zu erfüllen, und sie warten immer noch auf detailliertere Angaben zu den erforderlichen Indikatoren für negative Auswirkungen. Diese sind ein wesentlicher Bestandteil der Regelung.

Positiv ist, dass Fondsmanager bald damit beginnen müssen, über die Ausrichtung der grünen Taxonomie und über 18 Indikatoren für negative Auswirkungen zu berichten und damit Auskunft über die nachteiligen Effekte ihrer Investitionen auf die Gesellschaft und den Planeten zu geben. Dieser Grad an Offenlegung wird es den Anlegern ermöglichen, fundiertere Entscheidungen zu treffen, die ihren Nachhaltigkeitspräferenz entsprechen.

Es ist auch ermutigend, dass von den von Morningstar befragten Vermögensverwaltern viele sagten, dass es wichtig sei, möglichst viele Fonds nach Artikel 8 und 9 zu haben. Ihnen bietet die SFDR eine Möglichkeit, ihr Engagement für nachhaltiges Investieren unter Beweis zu stellen.

Auch wenn die SFDR keine definierte und unmittelbare Wirkung dahingehend hat, Greenwashing vollständig zu verhindern, ist sie zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung und läutet zusammen mit dem umfassenderen EU-Aktionsplan eine neue Ära im Bereich des nachhaltigen Investierens ein.

Morningstar beobachtet weiterhin die Umsetzung der SFDR und ihre Auswirkungen auf die Landschaft der nachhaltigen Anlagen. Um mehr über die Verordnung zur Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen im Finanzdienstleistungssektor (SFDR) zu erfahren, laden Sie hier unseren kostenlosen Leitfaden herunter.  

 

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Über den Autor

Hortense Bioy, CFA

Hortense Bioy, CFA  ist Global Head of Sustainability Research bei Morningstar