Sind Immobilien die nächste Schwachstelle nach den Banken?

Nach den Problemen mit den Banken sieht es so aus, als ob die Immobilien die nächste Schwachstelle im Finanzsystem werden. Die steigenden Zinssätze verursachen Finanzierungsprobleme, weshalb die Anleger diesen Sektor zu meiden beginnen. Morningstars Manager Research Analyst Thomas De Fauw erklärt, was am Markt los ist. 

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Robert van den Oever: Willkommen bei Morningstar. Nach den Problemen bei den Banken blicken die Anleger nun auf Gewerbeimmobilien, die als nächstes ins Wanken geraten könnten. Zu diesem Thema ist heute Morningstars Manager Research Analyst Thomas De Fauw bei mir, der uns einige Einblicke in die Immobilienmärkte geben wird.

Herzlich willkommen, Thomas. Können Sie uns erklären, was hier passiert?

Thomas De Fauw: Hallo, Robert. Ja. Nun, es sieht so aus, als hätten Investoren einige Flashbacks auf den Beginn der globalen Finanzkrise vor rund 15 Jahren. Ich denke, dass wir langsam die Folgen der drastischen Zinserhöhungen des letzten Jahres zu spüren bekommen. Ich habe den Eindruck, dass der Markt nach Schwachstellen im System sucht.

Wie Sie sagten, haben die Banken zuerst die Schlagzeilen beherrscht, aber auch Gewerbeimmobilien haben im letzten Monat für Schlagzeilen gesorgt. Ich habe geschaut, und während der MSCI Europe Index im letzten Monat unverändert blieb, fielen die europäischen börsennotierten Immobilienindizes allein im März um etwa 12 %. Die Fonds in der Kategorie der europäischen börsennotierten Immobilien haben ähnliche Verluste erlitten. Und vergessen Sie nicht, dass diese Fonds bereits im letzten Jahr über 33 % verloren haben, als die Anleger Zinserhöhungen und ein schwächeres Wachstum einpreisten. Natürlich sind diese Verluste noch weit von dem Rückgang im Jahr 2007 entfernt, aber die Korrektur ist bedeutsam. Der Morningstar Developed Market Europe Real Estate Index hat berieits wieder den Tiefststand während COVID-19 erreicht.

Van den Oever: Wie Sie sagen, in der Tat große Verluste. Warum bestrafen die Anleger Gewerbeimmobilien gerade jetzt?

De Fauw: Ja, das ist eine gute Frage. In gewisser Weise ist vieles von dem, was hier diskutiert wurde, keine neue Information. Büro- und Einzelhandelsimmobilien stehen unter Druck, seit COVID-19 unsere Arbeits- und Einkaufsgewohnheiten verändert hat, und der breitere öffentliche Immobilienmarkt hat, wie ich bereits erwähnt habe, im Jahr 2020 eine deutliche Korrektur erfahren.

Aber seit dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank wurde die Tatsache in den Mittelpunkt gerückt, dass viele dieser gewerblichen Immobilienkredite von regionalen Banken in den USA gehalten werden. Hier spielen offensichtlich viele Faktoren eine Rolle. Aber in der Zwischenzeit ist es sehr wahrscheinlich, dass die Banken bei der Kreditvergabe zurückhaltender sein werden. Und diese strengeren Kreditvergabestandards sind natürlich eine schlechte Nachricht für Immobilienunternehmen, insbesondere für solche, die stark auf den Handel mit Fremdkapital angewiesen sind.

Zum Beispiel REITs, also Real Estate Investment Trusts, die in Europa vielleicht weniger bekannt sind. Das sind Fonds, die ertragsbringende Immobilien besitzen oder finanzieren, wie Büros, Wohnhäuser, aber auch Lagerhäuser und Rechenzentren. Sie sind recht interessant, denn wenn strukturell sind sie verpflichtet, 90 % der Zins- oder Mieteinnahmen, die sie erwirtschaften, in Form von Dividenden an die Anleger auszuschütten. Das bedeutet auch, dass sie nicht wirklich einen Puffer für schlechte Zeiten aufbauen können. In diesem Umfeld können sich also höhere Finanzierungskosten und potenziell niedrigere Mieteinnahmen letztlich auf die Dividenden auswirken, wodurch diese Vehikel für Anleger weniger attraktiv werden.

Van den Oever: Gut. Können Sie uns einen Ausblick darauf geben, was als Nächstes zu erwarten ist, und können Sie auch einige Ideen nennen, die Morningstar in diesem Bereich hat?

De Fauw: Es ist schwer zu sagen, was als nächstes passieren wird. Viele dieser Anlagen sind viel billiger als noch vor einem Jahr, aber es kann länger dauern, als die Anleger denken, ein neues Gleichgewicht zu finden. In jedem Fall war eine gute Kenntnis der eigenen Anlagen schon immer wichtig, aber heute ganz besonders. Es wäre für jeden gut, sozusagen einen Gesundheitscheck zu machen.

Für die Anleger, die sich für diesen Bereich interessieren und nicht selbst REITs oder Immobilienaktien kaufen wollen, gibt es passive und aktive Strategien. Ein Manager, den wir sehr schätzen, ist Frédéric Tempel. Er verwaltet seit 2003 die europäische Immobilienstrategie von AXA und hat in diesem Bereich eine Expertise aufgebaut, die nur wenige erreichen können. Er hat ein stabiles und erfahrenes Team um sich, das diesen Prozess konsequent umgesetzt hat.

Es handelt sich um einen aktiv gemanagten Fonds, der unserer Meinung nach den Anlegern über einen ganzen Marktzyklus hinweg gute Dienste leisten sollte. Der Fonds ist über Teilsektoren wie Wohn-, Büro- und Industrieimmobilien diversifiziert. Der Fondsmanager bevorzugt in der Regel Aktien von besserer Qualität und sondert insbesondere diejenigen aus, die eine schwache Unternehmensführung oder schlechte Bilanzen aufweisen.

2022 war ein sehr schwieriges Jahr, in dem diese Strategie mehr als ein Drittel ihres Wertes verloren hat. Langfristig sieht ihre Erfolgsbilanz jedoch solide aus. Wir haben ein hohes Rating für die Säule "People" und ein überdurchschnittliches Rating für die Säule "Process" vergeben, woraus sich ein Silber-Rating für die saubere Anteilsklasse dieses Fonds ergibt.

Van den Oever: Okay, Thomas, vielen Dank für Ihre Einblicke in die jüngsten Entwicklungen auf den Immobilienmärkten. Für Morningstar bin ich Robert Van den Oever. Vielen Dank fürs Zuschauen.

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Über den Autor

Robert van den Oever  Robert van den Oever ist Research Editor bei Morningstar in Amsterdam