Trotz Zöllen: Drei Gründe für Optimismus für europäische Aktien

Die Unsicherheit ist groß, aber vielleicht sind Unternehmen und Investoren zu pessimistisch.

Michael Field, CFA 26.05.2025
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Collage-Illustration eines Frachtschiffs, der Flaggen der USA, Großbritanniens und der EU sowie von Symbolen der Unbeständigkeit.

Als die US-Regierung Anfang April ihre erste Zollsalve startete, gab es in Europa die Befürchtung, dass die Fortschritte bei der Bekämpfung der Inflation und der Belebung des Wachstums völlig verloren gehen könnten.

Die Reaktion der Märkte am 23. Mai auf die angedrohten 50 %igen Zölle auf Europa zeigt, dass die Angst vor einem Handelskrieg nach wie vor ausgeprägt ist. Betrachten wir drei mögliche positive Ansätze für die derzeitige Malaise.

Zölle könnten den USA mehr schaden als Europa

Die Gegenreaktion auf die Zölle hat die USA jedoch bisher viel härter getroffen als Europa. Die US-Wirtschaft war im ersten Quartal des Jahres rückläufig. Zudem hat das Risiko einer steigenden Inflation aufgrund von Zöllen die Federal Reserve davon abgehalten, die Zinsen zu senken. Dies steht in starkem Kontrast zur Eurozone, wo die Zinsen in diesem Jahr bereits dreimal gesenkt wurden.

Auch die Zuflüsse an den Aktienmärkten spiegeln den Stimmungswandel wider: so stiegen zuletzt die Zuflüsse in globale Fonds, die keine US-Aktien enthalten. Zum Teil ist dies auf die Bewertungen zurückzuführen: so liegt der US-Aktienmarkt nach unseren Schätzungen nahe am fairen Wert.

Aber es spiegelt auch eine Änderung der Anlagepräferenzen und der Performance wider. Viele Großanleger haben die Ansicht geäußert, dass das politische Risiko in den USA inzwischen hoch ist und dass es einfach sinnvoll ist, sich durch ein Engagement in anderen Regionen zu diversifizieren.

Q1-Berichtssaison war robust

Die europäischen Unternehmen zeigten im ersten Quartal des Jahres eine starke Performance. Lässt man die Belastung durch die niedrigeren Gewinne im Energiesektor außer Acht, so meldeten die europäischen Unternehmen ein Gewinnwachstum von über 7 % im Jahresvergleich. Schauen wir uns die Sektoren im Einzelnen an:

Finanzwerte: Die Zinssätze in Europa sinken zwar, aber viel langsamer als von Ökonomen vorhergesagt. Während die EZB die Zinsen kürzlich auf 2,25 % gesenkt hat, sind sie im Vereinigten Königreich mit 4,25 % im historischen Vergleich immer noch hoch. Vor allem die britischen Banken konnten diese hohe Nettozinsmarge, also die Differenz zwischen Kredit- und Darlehenskosten, nutzen, um ihre Rentabilität zu maximieren.

Industrie: Die Performance in diesem breiteren Sektor war uneinheitlich, aber in vielen Untersektoren wie dem Verteidigungssektor haben die gestiegenen Ausgaben die Auftragsbücher etablierter Unternehmen wie Rheinmetall RHM angekurbelt. Morningstar hat erst kürzlich die Fair Value-Schätzung für dieses Unternehmen angehoben.

Unternehmen wie Siemens SIE, die in strukturellen Wachstumsthemen wie Elektrifizierung und KI-Rechenzentren engagiert sind, profitieren ebenfalls weiterhin.

Gesundheitswesen: Ehemalige Börsenlieblinge wie Novo Nordisk NOVO B haben Mühe, ihren Marktanteil angesichts der zunehmenden Konkurrenz in Bereichen wie der Gewichtsabnahme zu halten. Unternehmen wie Sanofi SAN und Roche ROG hingegen verzeichnen weiterhin ein starkes Wachstum bei ihren wichtigsten Produkten, und die Umsätze mit neuen Medikamenten in der Pipeline sind vielversprechend.

Die Stimmung in der europäischen Wirtschaft bricht nicht ein

In Anbetracht der Auswirkungen der Zölle haben 40 Unternehmen ihre Prognosen für das Gesamtjahr während der Gewinnsaison reduziert. Viele weitere Unternehmen, die sich auf verschiedene Branchen verteilen, wie Ryanair RYA und Pandora PNDORA, lehnten es ab, eine Prognose für das Gesamtjahr abzugeben - so groß ist die Unsicherheit. Ein Handelsabkommen zwischen den USA und Europa scheint zurzeit in weiter Ferne zu liegen.

Das vielleicht Bemerkenswerteste an der jüngsten Umfrage der Europäischen Kommission ist jedoch, dass sie keinen völligen Einbruch des Wirtschaftsvertrauens im April zeigt, sondern lediglich eine Fortsetzung des Abwärtstrends. Der Index rangiert schon seit Mitte 2022 im Negativen.

Vielleicht dauert es etwas länger, bis die europäischen Unternehmen die Auswirkungen der am 2. April angekündigten Zölle, der anschließenden Pause und der nun in Aussicht gestellten 50 %igen Zölle in vollem Umfang verarbeiten können? Oder könnte es sein, dass die ohnehin schon negative Einschätzung des Geschäftsumfelds durch die europäischen Unternehmen nicht noch weiter sinken kann?


Der Autor/Autorin oder die Autoren besitzen keine Aktien der in diesem Artikel erwähnten Wertpapiere. Informieren Sie sich über die Redaktions-Richtlinien von Morningstar.

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Über den Autor

Michael Field, CFA

Michael Field, CFA  ist European Equity Strategist bei Morningstar.