Steigender Ölpreis, fallende Aktien

Der blutige Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern läßt höhere Ölpreise erwarten. Wer die Märkte seit längerem beobachtet, erinnert sich an das häufige Zusammentreffen steigender Preise und einer Rezession.

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Iraks Entscheidung vom Montag, die Ölexporte für einen Monat auszusetzen, machte die Märkte nervös. Der Staat wollte damit Solidarität mit den Palästinensern ausdrücken. Doch die Situation der Palästinenser ist nicht der einzige Grund zur Beunruhigung. Venezuela etwa, einer der größten Exporteure der Welt, musste in dieser Woche einen 24-Stunden-Streik bei der landeseigenen State Oil Company hinnehmen.

Ein von den Amerikanern geführter Angriff auf den Irak könnte die Situation noch wesentlich verschärfen. Ob man nun eine solche Attacke für gut oder schlecht hält: Es gibt keinen Zweifel, dass Irak mit einem Ausstoß von 2,5 Millionen Barrel am Tag ein wichtiger Ölproduzent ist.

Die professionellen Marktteilnehmer, die eigentlich an Schwankungen gewöhnt sind, reagieren vergleichsweise aufgeregt. Die Ölpreise sind heute etwa auf dem Niveau der ersten Hälfte im Jahr 2001.

Sue Graham, die weltweit den Energiesektor bei Merrill Lynch beobachtet, sieht die Lage relativ entspannt. Sie betont, dass die arabischen Länder einen generellen Lieferboykott als Antwort auf den brodelnden Konflikt ausgeschlossen haben. Sie schätzt den angemessenen Ölpreis in einer Spanne um 25 Dollar.

Dazu kommt, dass sich die Welt seit dem arabischen Ölboykott von 1973 grundlegend verändert hat. Die entwickelten Länder haben zum Beispiel riesige Ölreserven angelegt, um sich vor Lieferunterbrechungen zu schützen. Die Internationale Energie-Agentur ermahnt Länder, Reserven für drei Monate zu lagern. Die USA haben derzeit 516 Millionen Barrel in ihrer strategischen Vorsorge. Die Länder haben auch die Energieeffizienz gesteigert und ihre Bezugsquellen aufgeteilt. So wird ein Ausfall einer Energieart eines einzelnen Lieferanten einen eher beschränkten Einfluss haben.

Diejenigen, die den Märkten und der Wirtschaft nicht so detailliert folgen, sind da vorsichtiger. Für sie existieren mehrere Möglichkeiten, wie sich ein steigender Ölpreis schädlich auswirken kann.

Insgesamt schaden hohe Ölpreise den Aktiennotierungen. „Aktienmärkte bevozugen niedrige Ölpreise“, sagt Andrew Milligan, Leiter der globalen Strategie bei Standard Life Investments. Offensichtlich ist auch, dass ein hoher Ölpreis – bei sonst unveränderten Bedingungen – den Ölproduzenten nutzt und den Ölverbrauchern schadet. Aber sogar das ist nicht ganz so einfach.

Die Ölgesellschaften profitieren nicht direkt von steigenden Preisen. „Steigende Ölpreise bedeuten nicht automatisch steigende Kurse dieser Werte“, sagt Frau Graham von Merrill Lynch. Dazu kommt, dass einige Energieverbraucher verwundbarer sind als andere. Fabriken zum Beispiel können oft auf andere Energiearten umstellen. Doch Fluggesellschaften sind direkt vom Ölpreis abhängig.

Aber der indirekte Einfluss auf die Märkte und die Wirtschaft ist einen Blick wert. Auch wenn die Inflation nicht mehr die Ängste wie in der Vergangenheit verursacht: Seit die Inflationsrisiken eher gedämpft sind, könnten steigende Ölpreise die Kaufkraft mindern. Das könnte sich direkt auswirken: Zum Beispiel mindern höhere Preise an der Zapfsäule das frei verfügbare Einkommen der Haushalte. Dies würde die Verbrauchernachfrage in anderen Sektoren reduzieren.

Da die Erholung der Weltwirtschaft in hohem Maß von der Nachfrage der Verbraucher abhängt, ist dieser Faktor wichtig für Ökonomen. Der Effekt wird wahrscheinlich nicht stark genug sein, um die Welt in eine tiefe Rezession zu stürzen; aber Experten fürchten eine Verlangsamung der Erholung.

Paul Krugman, einer der prominentesten Ökonomen Amerikas, schrieb diese Woche in der New York Times, dass „eine dritte Ölkrise wirklich ausbrechen könnte“. Es ist natürlich nicht unvermeidlich, aber wer an den Aktienbörsen der Welt investiert, sollte zumindest nicht vergessen, dass ein solches Szenario im Bereich des Möglichen liegt.
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