Davis: Gutes Risikomanagement bringt mehr als Prognosen

Über Lehren aus der Finanzkrise und worauf man bei Finanztiteln achten sollte.

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Chris Davis ist Fondsmanager des Davis Value Fund. Der Fonds ist für seine hohe Gewichtung von Finanzwerten bekannt. Davis sprach mit uns über die Analyse von Finanzwerten und wie sich Anleger auf das nächste Jahrzehnt vorbereiten können.

Was ist die wichtigste Lehre, die Sie aus den letzten drei Jahren gezogen haben und wie wirkt sich diese auf Ihre Anlagestrategie aus?

Wir haben zwar immer auf die Verschuldung eines Unternehmens geachtet, aber im letzten Jahr haben wir gelernt, dass die Fälligkeit von Schulden mindestens genauso wichtig sein kann wie ihre Höhe. Anders gesagt: Auch bei relativ soliden Unternehmen sollte es nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden, dass sie ihre Schulden refinanzieren können. Wir waren schockiert darüber, dass auch moderat verschuldete Unternehmen Liquiditätsprobleme bekamen. Liquidität ist für Unternehmen überlebenswichtig. Wenn diese fehlt, kann ein Unternehmen untergehen, insbesondere in einem schwierigen Konjunkturumfeld. Daher betrachten wir die Fälligkeiten nun bei allen Unternehmen, in die wir investieren.

Die zweite Lehre, die wir aus den letzten Jahren gezogen haben, ist, dass der CEO eines Finanzunternehmens das Wissen, die Erfahrung und die Disziplin haben sollte, um auch als der oberste Risikokontrolleur fungieren zu können. Risikomanagement kann nicht delegiert werden. Auch wenn der CEO nicht alle Details kennen kann, muss er oder sie Risiken verstehen und aufpassen, dass Entlohnungssysteme nicht Anreiz für falsches Verhalten bieten. In unseren Gesprächen mit CEOs achten wir nun stark auf die Gestaltung von Boni und verschiedene Arten von Risiken.

Worauf legen Sie Wert, wenn Sie Finanzwerte analysieren? Sie sind z.B. in guten und in schlechten Zeiten American Express treu geblieben. Auch wenn sich die Aktie stark erholt hat: Was hat sich an der Unternehmensführung geändert und daran, wie Sie dies bewerten? 

Finanzdienstleistungen sind etwas, was nie überflüssig sein wird. Irgendwann nutzt jeder von uns diverse Finanzservices. Das bedeutet viel Rückenwind für den Sektor. Allerdings sind die meisten Finanzunternehmen verschuldet. Das ist mit Risiken verbunden, wenn diese Unternehmen nicht gut gemanagt sind. Daher muss man bei der Auswahl genau hinschauen. Wir suchen nach Charakteristika, die den Unternehmen helfen sollten, nicht nur kurzfristige Unsicherheiten zu überstehen, sondern auch langfristig zu bestehen. Dabei handelt es sich um bekannte Firmen mit gutem Management, soliden Bilanzen, einer starken Wettbewerbsstellung und Unternehmensführern, die Risiken verstehen. Sie sollten auch günstig bewertet sein und von historisch hohen Risikoaufschlägen und einem verringerten Wettbewerb profitieren, trotz strengerer Regulierung. 

American Express ist eines der wenigen Unternehmen, das einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil durch seine starke Marke und ein eigenes System der Zahlungsabwicklung aufgebaut hat. Dadurch generiert die Firma höhere Einnahmen aus der Kreditkartennutzung als die Konkurrenz. Ein Teil davon kann dann reinvestiert werden, z.B. in Marketing, besseren Service und ein Bonussystem, das in der Branche führend ist. Dadurch werden die Kreditkarten intensiver genutzt, was wiederum höhere Einnahmen bedeutet.

Kreditklemme und Rezession wirkten sich nun negativ auf das Darlehensportfolio, die Kreditkartenumsätze und die Finanzierung aus. American Express hat sehr schnell auf diese Probleme reagiert, indem die Kosten und das Kreditrisiko gesenkt wurden und die Liquidität erhöht wurde. Tatsächlich war die Firma eine der wenigen, die in einer schwierigen Zeit ihre Dividenden aufrechterhalten konnte.

Privatanleger neigen dazu, teuer zu kaufen und am Tiefpunkt zu verkaufen. Allerdings gilt dies auch für institutionelle Investoren. Was können diese tun, um ein besseres Vorbild zu sein?

Institutionelle Anleger neigen zu denselben Fehlern wie Privatanleger, allerdings mit gewissen Unterschieden. Als Kleinsparer sich dazu hinreißen ließen, Internetaktien zu kaufen, waren es bei institutionellen Investoren Wagniskapitalfonds. Beide folgten den gleichen Argumenten und erlitten Verluste.

In jüngerer Vergangenheit erhöhten viele Privatanleger ihre persönliche Verschuldung durch Hypotheken oder Kreditkartendarlehen, während Stiftungen oder andere Institutionen dies über Investments in Hedgefonds, Derivate, Private Equity oder ABS (verbriefte Wertpapiere) taten.

Auch die Tendenz, Gewinnen hinterherzujagen und aussteigen zu wollen, wenn es zu spät ist, ist beiden gemeinsam. Das ist insbesondere dann ein Problem, wenn Investmentmanager beauftragt oder entlassen werden sollen. Jeder Manager wird irgendwann eine Phase der Underperformance haben, ungeachtet der bisherigen Ergebnisse oder Expertise. Wir haben einmal ausgerechnet, wie viele der besten Manager über die vergangenen zehn Jahre (zum Ende 2009) im Zeitverlauf für mindestens drei Jahre schlecht lagen. Die Ergebnisse waren verblüffend: 96% der Top-Manager verbrachten im Verlauf dieser zehn Jahr drei Jahre in der unteren Hälfte ihrer Vergleichsgruppe. 79% gehörten dabei zum untersten Viertel und 47% sogar zu den schlechtesten zehn Prozent. Dennoch zählten diese Manager über die gesamten zehn Jahr zu den besten. Es gibt viele gute Gründe dafür, den Manager zu wechseln, doch sich nur von einer kurzfristigen Underperformance leiten zu lassen, ist keiner davon.

Eine disziplinierte Asset Allocation und ein Verständnis dafür, dass Phasen der Underperformance unvermeidlich sind, können daher viele Anlegerfehler vermeiden.

Was sollten sich Anleger für die Zukunft zu Herzen nehmen?

Erstens, vertrauen Sie keinen kurzfristigen Marktprognosen und basieren Sie darauf nicht Ihre Anlageplanung.

Zweitens, lassen Sie sich nicht von Emotionen leiten. Diese können viel Geld kosten. Das lässt sich an der kürzlich veröffentlichten Dalbar-Studie ablesen, die zeigt, dass der durchschnittliche Aktienfonds in den Jahren 1989-2008 8,4% p.a. zulegte, während der durchschnittliche Aktienfondsanleger nur 1,8% pro Jahr verdiente. Angst und Gier haben häufig einen Einfluss auf Anlageentscheidungen. Eine Möglichkeit, diese auszuschalten, besteht darin, auf regelmäßiger Basis zu investieren (z.B. monatlich, vierteljährlich), unabhängig vom Marktumfeld. Dadurch kann man von Marktvolatilität profitieren, sich auf die langfristigen Ziele konzentrieren und kurzfristige Durststrecken überbrücken.

Drittens, schauen Sie beim Investieren nicht in den Rückspiegel und kaufen Sie nicht nach Ranglisten. Wer heute Aktien mit vernünftiger Bewertung kauft, hat gute Chancen, in zehn Jahren besser dazustehen als ein Renteninvestor in Zeiten niedriger Zinsen und nach einem Jahrzehnt der Outperformance.

Dieses Interview erschien ursprünglich auf www.morningstar.com. Wir veröffentlichen daraus Auszüge.

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Über den Autor

Morningstar Europe Editor  .