Zugang zum Subkontinent mit weniger Volatilität?

AKTIEN SPEZIAL: Der indische Aktienmarkt ist sehr riskant. Defensivere Sektoren sollten für hiesige Investoren im Vordergrund stehen.

Nazim Khan 12.12.2011
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Europäische Investoren, die unter der hohen Volatilität an den Aktienmärkten in ihren heimischen Gefilden ächzen, dürften von indischen Anlegern ob ihrer Flatterhaftigkeit belächelt werden. Denn wer auf dem asiatischen Subkontinent investiert, muss mit hohen Schwankungen rechnen. Im Guten wie im Schlechten. Zwischen 2003 und 2007 hatten Aktien weltweit einen großen Lauf: Der S&P 500 in den Vereinigten Staaten, Großbritanniens FTSE 100 und der japanische Nikkei-Index legten um 67, 64 beziehungsweise 78 Prozent zu. Der Shanghai Composite brachte es auf sagenhafte 288%. Der indische Sensex ließ indes alle weit hinter sich und schoss im selben Zeitraum um 500% nach oben.

Die Geschichte verlief spiegelbildlich im Jahr 2008. S&P 500, FTSE und Nikkei brachen um 38%, 31% und 42% ein. Der indische Markt verlor dagegen überproportional hohe 52%. (Immerhin war das ein geringerer Verlust als beim Shanghai Composite, der um 65% einbrach!).

Insofern überrascht nicht, dass es auch in diesem Jahr beim indischen Leitindex kräftig bergab ging: Der indische Markt zählte mit einem Minus von 21% bis Ende November zu den schwächsten Börsenbarometern.

Was waren die Gründe für die Korrektur?

Die globale Ebene in Gestalt der europäischen Krise wirkte sich auch auf indische Aktien aus, ebenso wie die Befürchtung einer weltweiten Rezession, die vor allem im zweiten Halbjahr um sich griff.

Allerdings wirken sich in diesem Jahr weitere, indienspezifische Faktoren ebenfalls negativ auf die Börsenkurse auf dem Subkontinent aus. Bereits zu Beginn des Jahres war klar, dass indische Aktien teuer waren, ausgedrückt an klassischen Kennzahlen wie dem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Auch die hohen Inflationsraten, die vor allem auf die steigenden Rohstoffpreise zurückgehen, haben sich negativ auf die Kurse ausgewirkt.

Wenig hat sich in diesem Jahr an einem traditionellen, großen Problem für Investoren am indischen Aktienmarkt geändert: die üblichen Governance-Fragen. So wurden 2011 mehrere hochrangige Politiker und Führungskräfte von Unternehmen inhaftiert. Ihnen wird ein 35-Milliarden-US-Dollar-Betrug zur Last gelegt. Die Maßnahmen der Reserve Bank of India im Kampf gegen die Inflation taten schlussendlich das ihre, die Märkte unter Druck zu bringen; im Zuge der Straffung der Geldpolitik wurden die Leitzinsen 13 Mal seit 2010 erhöht!

Das Ergebnis dieser widerstreitenden Kräfte sehen wir heute. Das Bild ist ein gemischtes: Einerseits hat die harte Hand der Notenbank erste Erfolge im Kampf gegen die Inflation gezeigt, und auch die Anti-Korruptions-Offensive der Regierung macht Fortschritte. Es wurden auch einige Wirtschaftsreformen in Gang gesetzt, etwa die Lockerung der Restriktionen für ausländische Konsumunternehmen, Handelsketten in Indien zu eröffnen. Auf der anderen Seite haben die wiederholten Zinsschritte das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts im dritten Quartal auf 6,9% gedrückt nach 8,4% im Vorjahresquartal.

Was tun, Aktienanleger?

Unter dem Strich spricht einiges dafür, dass sich die Bewertungen am indischen Aktienmarkt in Richtung Normalmaß eingependelt haben. So ist etwa das durchschnittliche KGV der Aktien im Index Sensex für 2011 von 23 auf etwa 16 heruntergekommen, was dem historischen Durchschnitt entspricht. Nebenwerte haben mit Abschlägen von 30 bis 40% sogar noch deutlich stärkere Verluste Prozent verzeichnet als die im marktbreiten Index vertretenen Titel, was sich entsprechend auf die Bewertungen ausgewirkt hat.

Allerdings macht das längst nicht alle Aktien am indischen Markt zu Kaufkandidaten. Seit Anfang 2009 lässt sich eine klare Spreizung erkennen. Während sich die Branchen Automobile, die Hersteller langlebiger Konsumgüter, Technologie- und Health-Care-Firmen seit Anfang 2009 sehr gut behauptet haben, haben die Immobilien- und Infrastruktur-Sektoren nach wie vor nicht die Verluste der Korrektur des Jahres 2008 wettgemacht. Grund hierfür ist, dass letztere nach wie vor unter hohen Schulden zu leiden haben. Demgegenüber profitieren Aktien aus die Branchen, die eher auf die indische Binnenwirtschaft konzentriert sind, von starken Cashflows, soliden Bilanzen und einem niedrigen Verschuldungsgrad. Diese Aktien könnten also für Anleger, die mit dem Gedanken an einen Einstieg in den indischen Aktienmarkt spielen, einen zweiten Blick Wert sein.

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Über den Autor

Nazim Khan  Nazim Khan is an assistant site editor for Morningstar.com based in Mumbai, India.