Produzieren ETF-Anbieter am Anlegerbedarf vorbei?

Im ersten Halbjahr wurden zwar viele Hebel-ETFs aufgelegt, das meiste Geld floss 2012 jedoch in Volatilitätsprodukte. Eine Untersuchung der ETF-Neuemissionen in Europa.

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In den vergangenen Wochen und Monaten ist viel die Rede von einer allfälligen Konsolidierung am ETF-Markt die Rede gewesen; es wurde über die Sinnhaftigkeit von diversen neuen ETF-Konzepten diskutiert, und mit Blick auf die vielen kleinteilige ETFs machte auch das Wort "ETF-Todesliste" die Runde. Auch wenn es durchaus wahrscheinlich erscheint, dass viele ETFs in den kommenden Jahren geschlossen werden und sich möglicherweise auch einige Anbieter aus dem Markt verabschieden, stehen die Zeichen heute nach wie vor auf Wachstum.

Deshalb wollen wir uns diese Woche der Frage widmen, wie die sich Emissionstätigkeit in der ETF-Branche in diesem Jahr entwickelt hat. Wir haben die Neuemissionen der vergangenen 6 Monate angesehen. Einige interessante Erkenntnisse sind dabei zu vermelden.

Neuemissionen per Anlageklasse

Anbieter haben im ersten Halbjahr 2012 vor allem Produkte auf Euro-Staatsanleihen, Inverse und gehebelte Aktien- und Anleiheindizes als auch auf Rohstoffe auf den Markt gebracht. Ein Blick auf das verwaltete Vermögen lässt jedoch auf wenig Nachfrage auf Investorenseite schließen. Das zeigt die untere Tabelle, in der die in der jeweiligen Morningstar-Kategorie aufgelegten Produkte dem verwalteten Vermögen gegenübergestellt werden. Die Kategorie mit den meisten neuen Listings, Euro-Staatsanleihen-ETFs, bringt es auf 16 neue Produkte,  in denen allerdings erst knapp 276 Millionen Euro investiert sind.

Tabelle: ETF-Neuemissionen nach Anlageklasse

Quelle aller Daten: Morningstar Direct


Schaut man sich hingegen die am stärksten nachgefragten Neuemissionen an, fällt auf, dass Volatilitätsprodukte vorne in der Anlegergunst stehen. Angesichts der volatilen Märkte ist dies wenig verwunderlich. Aber auch auf Pfund- lautende Staatsanleihen konnten sich über rege Nachfrage freuen. Aufgrund der hohen Marktunsicherheiten vor allem in der Eurozone, sind Investoren entweder in die vermeintlich sicheren Häfen von Fremdwährungen geflüchtet oder haben sich deutsche Staatsanleihen ins Portfolio gelegt. Wie wir hören, haben institutionelle Anleger sich zeitweise sogar ganz aus Anlagen, die auf Euro lauten, komplett verabschiedet.

Tabelle: ETF-Neuemissionen nach Volumen

 

Neuemissionen per Anbieter

In Anbetracht der vielen Rohstoff-Produkte ist es wenig verwunderlich, dass ETF Securities, der Marktführer in diesem Segment, mit 36 neuen Produkten an der Spitze der Emittenten liegt. Etwas überraschend ist hingegen, dass der Marktführer iShares nur auf Platz 4 hinter db X-trackers und der UBS liegt.

Tabelle: ETF-Anbieter mit den meisten Neuauflagen

 

Nimmt man jedoch das verwaltete Vermögen als Maßstab, dann verschieben sich die Verhältnisse, insbesondere weil Rohstoff-Produkte nur wenig Nachfrage generierten. Etwas überraschen dürfte auf den ersten Blick, dass sich State Street  den Platz an der Sonne gesichert hat. Ein Großteil der Neuinvestitionen in State-Street-Produkte floss in britische Pfund-Anleihen, die - wie bereits oben erwähnt - stark nachgefragt waren. Dank der regen Nachfrage nach Volatilitätsprodukten folgt der US-Anbieter Source dicht dahinter auf dem zweiten Platz. Etwas enttäuschend dürften die Verantwortlichen bei BlackRock sein, da die Neuemissionen von iShares mit 155 Millionen Euro deutlich weniger als ein Drittel des Volumens von State Street einsammeln konnte und der Marktführer mit deutlichem Abstand auf die UBS auf Platz vier liegt.

Tabelle: Welche Neuemissionen am meisten Geld einsammelten 

 

Neuemissionen per Replikationsmethode

Es ist am Markt nach wie vor viel die Rede davon, dass synthetische ETFs weiterhin stark leiden: ETF-Anbieter, die auf Swap-Produkte konzentriert sind, leiden unter Abflüssen. Mit Blick auf die Neuemissionen haben sich Anbieter Swap-basierter Produkte eigentlich nicht so schlecht geschlagen. Trotz der Kritik und der Unsicherheiten bezüglich der Banken haben neue Produkte fast so viel Geld eingesammelt wie physisch replizierende Produkte. Zwar mussten Anbieter wie db X-trackers oder Lyxor dabei fast doppelt so viel Produkte auf den Markt bringen, um auf das verwaltete Vermögen zu kommen. Stellt man jedoch in Rechnung, dass viele Swap-basierte Produkte von ETF Securities stammen, die nur wenig Nachfrage generierten, dann haben Swap-basierte ETFs nur etwa 30% weniger an Assets eingesammeln können.

Tabelle: Welche Replikationsmethode wurde bevorzugt?

 

 


Neuemissionen per Börse

Ein Blick auf die beliebteste Börse für Neuemissionen dürfte die Verantwortlichen der Deutschen Börse in Eschborn wenig erfreuen, die oft die Vorreiterrolle von Xetra am ETF-Markt in Europa hervorheben. Die ETF-Anbieter haben in den ersten sechs Monaten des Jahres mehr als dreimal so viel neue Produkte in London gelistet wie auf Xetra. Gleichzeitig ist das verwaltete Vermögen dieser Produkte doppelt so groß wie an der Deutschen Börse. 

Das Volumen in Bezug auf verwaltetes Vermögen an der Londoner Börse wurde hauptsächlich von den Volatilitätsprodukten und den in Pfund-laufenden Anleihen getrieben. Alleine in den Volatilitätsprodukten wurden über 300 Millionen Euro an der Londoner Börse investiert. Pfund-Anleihen steuerten weitere 350 Millionen Euro bei. Die London Stock Exchange hat also stark von der Eurokrise profitiert. 

Tabelle: LSE schlägt bei ETF-Neuemissionen die Deutsche Börse

 

 



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Über den Autor

Gordon Rose, CIIA, CAIA,

Gordon Rose, CIIA, CAIA,  war von 2011 bis 2014 Fondsanalyst bei Morningstar.