Die grosse Morningstar Analyse zu globalen Aktienfonds

Umfassende Auswertung der Fonds für globale Aktien liefert weitreichende Erkenntnisse über die Entwicklung der Strategien der Fondsmanager seit der Eurokrise.  

Ali Masarwah 07.03.2014
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Die globalen Aktienmärkte streben nunmehr seit fast fünf Jahren kontinuierlich nach oben. Nicht im Gleichklang, aber – gelegentliche Aussetzer eingeschlossen - doch stetig. Das mag viele Anleger überraschen, die die vergangenen Jahre eher als eine Abfolge von Krisen erlebt haben. Von der Finanzkrise über die Fukushima-Kernschmelze bis zur Eurokrise. Doch diese Ereignisse gingen im Ergebnis an den Börsen vorbei. Zwischen März 2009 und Februar 2014 legte der MSCI Welt-Aktienindex um knapp 13,5 Prozent zu. Pro Jahr! 

Anleger wachten erst 2013 auf und investierten - zu spät?

Ob sich der hervorragende Börsenzyklus dem Ende zuneigt, oder ob die Renditeweiden als unverändert prachtvoll grün einzuschätzen sind, vermögen wir nicht zu beurteilen. Fest steht allerdings, dass die zunehmend positive Einschätzung der weltwirtschaftlichen Perspektiven (und angesichts mangelnder Renditealternative bei sicheren Anleihen) die Nachfrage nach global investierenden Aktienfonds im vergangenen Jahr deutlich gestiegen ist.

Nach sehr niedrigen Zuflüssen 2011 und 2012 investierten Anleger erst 2013 in substanziellem Umfang in global anlegende Aktienfonds. Dass das Vermögen in diesen Fonds seit Februar 2009 europaweit von 122,74 Milliarden auf 354,33 Milliarden Euro gestiegen ist, geht in erster Linie auf Markteffekte zurück - nur 52,56 Milliarden Euro der Mittelsteigerung ging auf Netto-Neuinvestitionen von Anlegern zurück. 

Morningstar Portfoliodaten für mehr Tiefenschärfe in der Analyse

Angesichts dieser steigenden Nachfrage und der Tatsache, dass global anlegende Aktienfonds die größte Wertpapier-Fondsgruppe europaweit darstellt, wollten wir wissen, wie diese Vehikel aufgestellt sind. Wo sehen die Fondsmanager heute die größten Chancen? Auf welche Länder, Regionen und Branchen setzen sie? Üblicherweise greifen Analysten hier auf Umfragen zurück. Man interviewt eine mehr oder weniger repräsentative Auswahl an Fondsmanagern und hofft, damit einen Ausschnitt der Anlegerwirklichkeit einzufangen.

Wir gehen an dieser Stelle anders vor. Aufgrund der Tiefenschärfe unserer Daten können wir die Positionierung von Fonds mit einiger Sicherheit durch die Analyse der Portfolio-Bestandteile treffender beantworten als vermittels Umfragen. Denn viele Fondsanbieter beliefern uns regelmässig – überwiegend monatlich – mit Informationen über die vollständige Zusammensetzung ihrer Fonds. Damit können wir nicht nur punktuelle Aussagen zu bestimmten Stichtagen treffen, sondern über unsere weit zurückreichenden historischen Zeitreihen den Fonds ein "Gedächtnis" geben und eine kontinuierliche Allokationshistorie nachzeichnen. 

Drei globale Morningstar Aktienkategorien im Fokus: Blend, Growth und Value

Kommen wir zu unserer groß angelegten Analyse zu global investierenden Aktienfonds. Wie sind wir vorgegangen?  Im ersten Schritt haben wir die drei Morningstar Kategorien für global investierende Standardwertefonds der Stilrichtungen Blend, Value und Growth zusammengefasst. Berücksichtigt haben wir alle Fonds, die in Europa zum Vertrieb zugelassen sind.

Unsere Datenbank Morningstar Direct hat 1.854 Fonds ermittelt, von denen uns - je nach Zeitpunkt der Auswertung - vollständige Portfolios von bis zu 1.321 Produkten vorliegen. Zum Untersuchungszeitpunkt: Wir haben uns den Verlauf der Portfolio-Allokationen in den vergangenen zwei Jahren per Ende Dezember 2013 Monat für Monat angesehen und diesen Verlauf mit der Zusammensetzung der globalen Aktienbenchmark, des Index MSCI World Index, auf Unter- und Übergewichtungen abgeglichen.

Dabei haben die Fonds mit Blick auf ihre regionale Allokation, ihr Investmentverhalten nach Stil (Standardwerte versus Nebenwerte) sowie ihre Branchenallokation abgeklopft. Durch den Abgleich mit dem Index lassen sich interessante Erkenntnisse über das Vorgehen der Fondsmanager in den turbulenten vergangenen zwei Jahren gewinnen.

2011 dominierte an den Märkten Europa-Untergangsstimmung

Zur Erinnerung: Unsere Untersuchung setzt auf dem Höhepunkt der Eurokrise, im Winter 2011/2012 ein und endet zum Jahresende 2013, zu einer Zeit, in der Konjunkturoptimismus allseits verbreitet war und Aktien als „alternativlose“ Anlageform angepriesen wurden. Wie haben die Fondslenker auf dem Höhepunkt der Krise agiert? Waren sie Ende 2012 im Krisenmodus? Wenn ja, haben sie auf „Risk on“ umgeschaltet? Und wenn ja: wann?

Die Ergebnisse unserer Untersuchung im Einzelnen:

Europa ist der Favorit der Aktienfondsmanager

Liegt es an den (relativ gesehen!) attraktiven Bewertungen? Oder geht die substanzielle Übergewichtung europäischer Aktien in global investierenden Fonds auf einen Home Bias vieler Portfoliolenker zurück, die dort investieren, wo sie sich am besten auskennen? Vermutlich dürften beide Faktoren eine Rolle gespielt haben. Europäische Aktien waren per Ende Dezember 2013 eine der grössten aktiven Wetten der Fondsmanager. Im Durchschnitt waren die drei globalen Aktienfondskategorien Blend, Growth und Value zu 24,45% in europäischen Aktien investiert (europäische Schwellenländer nicht eingerechnet; diese waren in den Fonds in den vergangenen zwei Jahren durchgehend eine vernachlässigbare Grösse). In der unteren Tabelle finden Sie die regionalen Allokationen der globalen Fonds im Zeitablauf zwischen 2012 und Ende 2013. 

Diese - und die nachfolgenden Tabellen - lesen Sie so: In der linken Spalte finden Sie die jeweilige Region (bzw. Branche). Weiter rechts folgen die jeweiligen Gewichtungen in den Portfolios im Zeitablauf, ausgedrückt in Prozent des Fondsvolumens. Wir haben die Gewichtungen an folgenden drei Zeitpunkten abgetragen, um den Verlauf zu skizzieren: Januar 2012, Januar 2013 und Dezember 2013. Jeweils rechts neben diesen Stichtagen finden Sie die jeweilige Über- und Untergewichtung gegenüber dem Index MSCI Welt. Die rote Unterlegung eines Datenfelds signalisiert eine Untergewichtung, grün steht für eine Übergewichtung. Die Spalte rechts aussen markiert schließlich die Tendenz: Ein Pfeil nach oben signalisiert eine stärker Übergewichtung (bzw. eine niedrigere Untergewichtung) per Ende 2013 gegenüber Anfang 2012, ein nach unten weisender Pfeil deutet auf eine stärkere Untergewichtung (bzw. niedrigere Übergewichtung). Ein seitlich verlaufender Pfeil signalisiert keine signifikante Veränderung. 

Tabelle: Die regionale Ausrichtung global anlegender Fonds im Zeitablauf 

Kommen wir zurück zur Interpretation der Übergewichtung europäischer Aktien. Dem Anteil von 24,45% per Ende 2013 steht ein Index-Gewicht von nur 18,94% entgegen. Dabei wurden Europa-Aktien seit Anfang 2012 sukzessive in den Fonds stärker gewichtet. Per Ende Januar 2012 lag der Anteil noch bei 21,74% gegenüber 17,68% im Index. Die Übergewichtung wurde also von 406 Basispunkten auf 551 Basispunkte erhöht, sodass man den Fondsmanagern hier eine aktive Entscheidung unterstellen kann.

Allerdings ließ die Entscheidung, den Anteil europäischer Dividendentitel in den Portfolios zu erhöhen längere Zeit auf sich warten. Genauer gesagt bis nach dem inzwischen legendären „Whatever it takes“-Statement von EZB-Präsident Mario Draghi Ende Juni 2012. Zwischen Januar und Juli 2012 verharrte die Europa-Aktienquote in den globalen Portfolios bei rund 21,8%. Erst hiernach wurde die Europa-Quote in den Fonds im Schnitt auf rund 24,5% bis Anfang 2013 erhöht.

Eurozone: Übergewichtung steigt im Zeitverlauf

Ähnliches gilt auch für Eurozonen-Aktien. Sie waren per Ende 2013 innerhalb Europas der größte Favorit der Fondsmanager. Eurozonen-Aktien machten per Ende 2013 ein Gewicht von 16,42% in den global investierenden Fonds aus, ein Plus von 1,94 Punkten gegenüber dem Jahresanfang 2012, wie aus der oberen Tabelle hervorgeht. Ungeachtet der strukturellen Übergewichtung dauerte es bis zum Spätsommer 2012, bis sich die Fondsmanager ein Herz fassten und den Euroland-Anteil weiter erhöhten. Heute, in Zeiten des offenkundigen Aufstieg Europas aus der Krise, ist der Optimismus für Europa bei den Fondsmanagern offenbar am grössten, wenn man die Gewichtung von Euro-Aktien in ihren Fonds zum Massstab nimmt.

Die USA bleiben deutlich untergewichtet

Spiegelbildlich zur Übergewichtung Europas sind US-Aktien in den Portfolios der global anlegenden Fonds deutlich unterrepräsentiert. Dieser Bias besteht seit geraumer Zeit und scheint daher struktureller Natur zu sein. Absolut gesehen waren US-Aktien zwar per Ende 2013 mit einem Gewicht von durchschnittlich 37,69% zwar die größte Position, aber da bei aktiv verwalteten Aktienfonds das Spiel ein relatives ist, zählt die Ausrichtung dieser Fonds gegenüber der globalen MSCI-Benchmark. Und hier dominieren USA-Aktien mit einem Gewicht von 53,14%.

Interessanterweise ist der Anteil von US-Aktien im Untersuchungszeitraum in den Portfolios aufgrund aktiver Entscheidung der Fondsmanager gestiegen und kam nicht nur aufgrund von Markteffekten zustande. Wie aus der oberen Tabelle hervorgeht, wurde im Untersuchungszeitraum die Untergewichtung etwas zurückgefahren.

Die Auswirkungen der deutlichen Übergewichtung Europas/Euroland gegenüber US-Aktien waren seit 2012 zwiespältig. 2012 dürften die Portfolios von dieser Übergewichtung aufgrund der deutlichen Outperformance europäischer Aktien profitiert haben; im vergangenen Jahr hatten indes US-Aktien die Nase deutlich vorn, womit das Gros der Fonds im Nachteil gegenüber dem Index gewesen sein dürfte.

Japan? Eher nicht, sagen die Fondsmanager

Nimmt man das Kursfeuerwerk, das bei japanischen Aktien im vergangenen Jahr gezündet wurde zum Massstab, dann scheint die Lunte bei globalen Fonds reichlich feucht geblieben zu sein. Die Lenker globaler Aktienfonds trauen dem Braten offenbar immer noch nicht. Ungeachtet der beachtlichen Hausse, die die Politik von Premier Shinzo Abe seit Ende 2012 ausgelöst hat, halten sich global investierende Fonds bei Japan-Aktien zurück. Im Schnitt waren sie per Ende 2013 mit einem Gewicht von 6,68% in Japan „unterwegs“, gegenüber 8,68% Japan-Gewicht im MSCI Welt. Das entspricht einem substanziellen Untergewicht von 200 Basispunkten. Und wer meint, diese Quote sei das Ergebnis von Gewinnmitnahmen, täuscht sich; per Anfang 2013 waren Japan-Aktien nur mit 5,36% in globalen Fonds vertreten, eine Untergewichtung von gut 300 Basispunkten.

So gesehen haben sich globale Fonds in den vergangenen 12 Monaten nur zaghaft an eine halbwegs neutrale Gewichtung Japans herangerobbt – angesichts der seit Mitte des Jahres 2013 tendenziell stagnierenden Aktienkurse in Japan könnte das zu spät gewesen sein. Fairerweise muss angemerkt werden, dass die Japan-Wette nur für solche Investoren außergewöhnlich erfolgreich war, die zugleich den Yen abgesichert hatten; aufgrund der Yen-Abwertung lag die Performance des Nikkei 2013 sogar hinter der Rendite des S&P 500. (Wenn auch deutlich vor dem MSCI Europa und Euro STOXX 50.) Gut möglich also, dass der Renditeeffekt japanischer Aktien in vielen Produkten aufgrund eines Währungshedge, der hier nicht untersucht wurde, besser ausfiel als es die Gewichtung von Japan-Aktien auf den ersten Blick nahelegt. 

Emerging Markets sind (noch) nicht vom Radar verschwunden

Für Finanzinvestoren dürften Schwellenländer-Anlagen die Enttäuschung der vergangenen Jahre gewesen sein. Der Wachstumsmotor der Weltwirtschaft ist ins Stottern geraten, und entsprechend sind die dortigen Börsen seit 2010 deutlich schlechter gelaufen als die der entwickelten Märkte. Der MSCI Emerging Markets verlor im Krisenjahr 2011 mehr als europäische und US-Aktien, kam 2012 nur leidlich mit und verlor im Hausse-Jahr 2013 gegen den Trend gut 6,8%.

Gemessen an diesem Ergebnis haben viele Fondsmanager die Zeichen der Zeit offenbar nicht bzw. nicht hinreichend schnell erkannt. Emerging-Markets-Aktien sind sogar nach wie vor eine der größten aktiven Wette in globalen Aktienfonds, wenn man den MSCI World als Maßstab nimmt. Per Ende 2013 belief sich das Gewicht von Emerging-Markets-Aktien in unserem Fonds-Sample auf durchschnittlich 4,94%. Das mag absolut nicht viel sein, relativ zum Index MSCI Welt ist das doch beachtlich, da der Index so gut wie keine Schwellenländer-Bestandteile aufweist (genau gesagt sind es derzeit ganze 0,06%). Immerhin: Das Gewicht wurde in den vergangenen zwei Jahren sukzessive von 7,02 per Januar 2012 reduziert – zumindest für 2013 lässt sich indes nicht bestimmen, ob diese Senkung der Emerging-Markets-Quote auf Kursverlusten der Aktien oder einer aktiven Allokationsentscheidung der Fondsmanager zurückgeht.

Wie halten es die Manager von Standardwertefonds mit Nebenwerten? Auf welche Branchen setzen sie? Wie hoch war die Cash-Quote in globalen Aktienfonds? Lesen Sie hier weiter.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich