Sind die Kapitalmärkte effizient?

Es lohnt sich für Anleger, die Gründermythen der Investment-Industrie kritisch unter die Lupe zu nehmen.

Ali Masarwah 15.10.2012
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Bonmots zu Irrungen und Wirrungen in der Kapitalanlage gibt es viele. Eines meiner Favoriten lautet so: Es gibt drei Arten von Anlegern: solche, die nicht wissen, wohin die Börsen tendieren werden; solche, die nicht wissen, dass sie das nicht wissen und schlussendlich gibt es die Fondsmanager. Letztere wissen, dass sie nichts wissen, tun aber so, als könnten sie die Richtung der Märkte prognostizieren.

Das Sprichwort stammt von William J. Bernstein, Investment-Experte, Buchautor und Kolumnist. Er vertritt die These, dass sich kein Anleger systematisch Informationsvorteile gegenüber anderen Investoren verschaffen kann, die ihm eine nachhaltige Outperformance ermöglichen. Sie legt nahe, dass Anleger dem Selbstverständnis aktiver Fondsmanager mit einer gesunden Portion Skepsis begegnen sollten: der vermeintlichen Fähigkeit, ihren Vergleichsindex nachhaltig übertreffen zu können. Aktive Manager, so die Gründungslegende der Investment-Industrie, sind in der Lage, ihre Fonds erfolgreich durch die Börsenstürme zu navigieren. Sie nehmen Chancen wahr, vermeiden die Fallstricke und mehren mit traumwandlerischer Sicherheit das Vermögen des Anlegers - so er denn lange genug bei der Stange bleibt. 

Wie erfolgreich können aktive Fondsmanager sein?

Doch wie passt diese Behauptung mit der regelmäßigen Beobachtung zusammen, dass die Mehrzahl der aktiven Anlagefondsmanager genau das nicht kann: nachhaltigen Mehrwert gegenüber einer Indexanlage? 2 Beispiele zu international anlegenden Aktienfonds und Mischfonds haben wir in den vergangenen 12 Monaten detailliert aufbereitet, mehr Untersuchungen werden folgen, und die Aussage bedarf keiner großen prognostischen Fähigkeit, dass die Ergebnisse ähnlich ernüchternd ausfallen dürften. Dennoch gründen die meisten Marketing-Botschaften der Fondsanbieter auf eben solchen Argumenten. (Was eigentlich nicht verwundert, da ja aktive Fondsmanager ihre im Vergleich zu Indexanlagen deutlich höheren Gebühren rechtfertigen müssen, aber dazu unten mehr.)

Wir nehmen deshalb die These unter die Lupe, wonach aktive Fondsmanager regelmäßig Marktineffizienzen ausnutzen, um so eine bessere Rendite zu erzielen als der Markt, in dem sie sich bewegen. Doch stimmt die Prämisse überhaupt? Sind Märkte wirklich ineffizient? Und wer sind sie eigentlich: die Märkte? Bevor wir uns der These von der Marktineffizienz widmen, stelle ich Ihnen eine einfache Frage. Welche Formulierung aus dem Munde eines fiktiven Fondsmanagers klingt geläufiger:

„Langfristig werde ich mit einem geringeren Risiko für Anleger eine bessere Rendite erzielen als die Benchmark“.

Oder:

„Ich bin in der Lage, Anlegern einen Zugang zu diversen Märkten zu verschaffen und ihnen dabei eine angemessene Risikoprämie zu liefern“.

Mit Sicherheit ist für Sie die erste Behauptung geläufiger. Sie ist verlockend und soll zum Fondserwerb animieren. Den zweiten Satz haben Sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit  noch nie aus dem Munde eines aktiven Fondsmanagers vernommen. Das ist bedauerlich, denn er ist mit Sicherheit die ehrlichere Variante für die Beschreibung der Fähigkeiten der allermeisten aktiven Fondsmanager.

Die Frage, in welchem Ausmaß aktive Fonds in der Lage sind, besser abzuschneiden als ihre Märkte, ist seit Jahrzehnten auch Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Die Konsensmeinung, die sich in der Finanzwissenschaft inzwischen etabliert hat, ist, dass Kapitalmärkte überwiegend effizient sind. Tenor: Der Markt hat immer Recht. Natürlich nicht in dem Sinne, dass der heutige, vom Aktienkurs abgebildete Unternehmenswert dem tatsächlichen diskontierten Wert aller künftigen Cashflows einer Firma entsprechen muss.

Märkte sind allerdings in dem Sinne effizient, dass in den Kursen bereits alle öffentlich zugänglichen Informationen enthalten sind. Das bedeutet, dass Fondsmanager auf Basis derselben Informationen handeln wie alle anderen Marktteilnehmer auch (sofern sie nicht über illegale Insiderinformationen verfügen, was in aller Regel auszuschließen ist).

Höhere Renditen können nur durch höhere Risiken erkauft werden

Burton Malkiel, Autor des Klassikers „A Random Walk down Wall Street” benennt zwei wichtige Merkmale effizienter Markte: in ihnen werden zum einen alle neuen, öffentlich zugänglichen Informationen in den Kursen akkurat widergespiegelt. Zum anderen können Anleger an den Kapitalmärkten nicht überdurchschnittliche Erträge erzielen, ohne überdurchschnittliche Risiken einzugehen. „Vermeintliche Anomalien an den Märkten haben sich in der Vergangenheit entweder als Illusion erwiesen, oder aber sie waren die Prämie für ein möglicherweise nicht erkanntes Risiko, das man auch als Tail-Risk beschreibt“, sagt Bernd Scherer, ehemaliger Professor der Elite-Universität EDHEC und heute Partner der Asset-Management-Firma FTC.

Etwas konzillianter formuliert es Martin Weber, Professor für Finanzwissenschaft an der Universität Mannheim: „Wer sich auf den Parkplatz eines mittelständischen Unternehmens setzt, mit den Arbeitern redet und akribisch weiterrecherchiert, könnte sich einen Informationsvorsprung erarbeiten und eine Überrendite erzielen“. Was bei wenig beleuchteten Nebenwerten funktionieren mag, lässt Weber allerdings nicht für gängige Investments gelten: „Warum sollte ein Fondsmanager wissen, wo morgen der Nikkei-Kurs oder der Goldpreis stehen werden? Ist er denn so viel schlauer als die anderen Marktteilnehmer?“, so Weber.

Anomalien sind das eine, sie ausnutzen zu  können das andere

Doch selbst für den Fall, dass es Anomalien oder unregelmäßige Muster an den Märkten gibt, die in der Theorie Opportunitäten liefern, stellt sich die Frage, ob Anleger in der Lage sind, diese statistischen Phänomene in Performance umzumünzen. Denn die vorhandenen Chancen an den Märkten, in der Fachsprache auch Alpha-Quellen genannt, sind begrenzt. Anders gesagt: Ein Alpha ist wegen der großen Zahl an Akteuren, die aufgrund der rapiden Verarbeitung und Verbreitung von  Informationen die Chancen gleichermaßen nutzen, ein seltenes weil flüchtiges Gut.

Auf die Spitze treiben es die so genannten Sekunden-Trader: Deren Computersysteme sind darauf angelegt, systematisch und innerhalb von Millisekunden, Ineffizienzen an den globalen Märkten aufzuspüren und in Gewinne umzumünzen. Es ist allerdings fraglich, ob derartige Handelssysteme in der Summe für den Anleger mehr als Kosten produzieren. Das bringt uns zum zweiten Punkt: Die Handelskosten, die zur Erschließung von Alpha-Quellen nötig wären, sind in der Regel zu hoch. Somit wird aus einer statistischen Möglichkeit in der Praxis häufig ein unpraktikables Gedankenspielchen.

Sind Anlagefonds also irrelevant oder sogar schädlich, weil sie für Anleger nicht nur keine Überrenditen erzielen können, sondern im Durchschnitt weniger abwerfen als die Märkte (Markt-Performance minus Kosten)? Das wäre vermessen. Wir bei Morningstar vertreten die Meinung, dass es gute Fondsmanager gibt, die in der Lage sind, unter spezifischen Bedingungen Märkte outzuperformen und langfristig Mehrwert für den Anleger zu erzielen. Die Herausforderung ist es, diese Fondsmanager zu identifizieren. Das qualitative Morningstar Analyst Rating hat den Anspruch, langfristige Outperformer ausfindig zu machen (lesen Sie mehr hier über das Morningstar Analyst Rating). Allerdings sind die Überrenditen von guten Fondsmanagern zumeist nicht persistent, sondern marktphasenabhängig.  

Das zeigt das Dilemma der Fondsbranche: So lange es die Hoffnung gibt, Alpha erzielen zu können, werden alle aktiven Fondsmanager eben nicht die ehrliche Job-Beschreibung in den Vordergrund rücken, wonach sie Prämien in sonst für Anleger schwer zugänglichen Märkten abschöpfen. Sie werden vielmehr mit dem Wurstzipfel der Überrendite-Chance winken, so abwegig sie in den meisten Fällen auch sein mag. Dabei ist das Anliegen durchaus ehrenhaft, Anlegern einen diversifizierten, systematischen Zugang zu verschiedenen Risikoquellen zu verschaffen. Allerdings stellt sich dann die Frage nach den Fondskosten. Wer „nur” Risikoprämien verspricht, muss sich zwangsläufig mit den sehr günstigen Indexfonds, vor allem ETFs, messen lassen, die nicht mehr (aber auch nicht weniger) als die Markt-Performance (minus Kosten) versprechen.

Nicht von ungefähr liegen die Management-Gebühren von institutionellen Vermögensmandaten, die gängige Märkte wie den DAX, Euro STOXX oder SMI abbilden, häufig unter denen von entsprechenden ETFs. Anders sieht es bei Emerging-Markets- oder Nebenwerte-Mandaten aus - hier können bekannte Manager mit einer guten Performance-Historie durchaus im institutionellen Bereich 70, 80 oder sogar mehr Basispunkte pro Jahr an Gebühren verlangen, weil hier die Chance auf Outperformance aussichtsreicher ist als in entwickelten bzw. liquiden Märkten. 

Folgt man der Erkenntnis der Verfechter der Effizienten-Märkte-Theorie, und dafür spricht einiges, erscheinen die vermeintlich „todsicheren” Tipps für erfolgreiche Börsenstrategien in einem andern Licht. Kein Wunder also, dass immer häufiger  Indexanlagen als einzig sinnvolle Lösung für Anleger propagiert werden. Denn sie sind in der Lage, kostengünstig Risikoprämien für einen (immer bunter werdenden) Strauß an Kapitalmärkten zu liefern. So lautet das Plädoyer von William Bernstein in seinem lesenswerten Buch „Die intelligente Asset Allocation”: „Die vernünftigste Art zu investieren besteht darin, passiv gemanagte Instrumente mit niedrigen Kosten auszuwählen, also Indexfonds”. Das Kostenargument ist in der Tat bestechend, wie auch unser Research wiederholt gezeigt hat. Fondskosten sind einer der zuverlässigsten Prognosefaktoren für die künftige, relative Performance eines Fonds (lesen Sie hier weiter).

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich