Zu teuer? Billig? Oder doch fair bewertet?

AKTIEN SPEZIAL: Eine Analyse zum US-Aktienmarkt/ETF als Indikator für fair value.

Jason Stipp 08.12.2011
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Der S & P 500 hat in den vergangenen 10 Jahren kräftig einstecken müssen. Mit einer jährlichen Rendite von nur 2,5% (per 28. November 2011) fällt die Bilanz nicht nur bescheiden aus. Die niedrige Rendite ging vielmehr auch mit unglaublichen Höhen und Tiefen einher, während die viel sichereren US-Staatsanleihen im selben Zeitraum eine Rendite von 5,7% pro Jahr boten, mit weniger Volatilität.

Heute sind die Aussichten für US-amerikanische Aktien deutlich besser. Ende November 2011 wird der S&P 500 auf dem gleichen Niveau gehandelt wie Ende 1998. Doch die zugrunde liegenden Unternehmen sind in der letzten Dekade erheblich gewachsen. Die Gewinne in diesem Jahr liegen voraussichtlich auf Ständen, die seit der Finanzkrise nicht mehr erreicht wurden. Und die Dividendenrendite des S & P 500 ist höher als die Rendite für 10-jährige US-Staatsanleihen - ein seltenes Ereignis, das ein gutes Omen für Aktien darstellt.

Warum hatten US-Aktien in letzter Zeit so zu kämpfen? In der ersten Jahreshälfte 2011 erlebte das US-Wirtschaftswachstum eine Schwächephase, welche die Rezessionsängste schürte. Doch aus fundamentaler Sicht befinden sich US-Unternehmen jetzt in einer viel besseren Position, um mit einer konjunkturellen Abschwächung zurecht zu kommen, als sie es vor drei Jahren waren. Seither haben die Unternehmen Schulden abgebaut und ihren Cash-Bestand erhöht.

Aber wie attraktiv ist der Markt auf dem derzeitigen Niveau? Eine schnelle Übersicht über die Marktbewertung ermöglicht das Morningstars ETF-Resarch. Die meisten Aktien-ETFs verfolgen Indizes, welche die Wertentwicklung bestimmter regionaler Märkte und Branchen widerspiegeln. Die ETF-Portfolios sind transparent und werden täglich von den ETF-Anbietern gemeldet, die Transparenz über die aktuellen Bestände von ETFs ist also hoch. Angesichts dieser zeitnahen Portfolio-Daten sind die Analysten von Morningstar in der Lage, eine Schätzung des Fair Value für ein ETF-Portfolio vorzunehmen - und somit auch des zugrunde liegenden Index. Unsere Aktienanalysten haben solche Schätzungen für etwa 1.350 Unternehmen.

Wir haben uns deshalb zwei ETFs mit Fokus auf den breiten US-Markt vorgenommen, um einen Einblick in die Marktbewertung zu erhalten.

Dow-Jones-Index: Hohe Qualität im Sonderangebot

Die Schätzung für den Fair Value des SPDR Dow Jones Industrial Average ETF lag am 29. November bei 136 US-Dollar pro Aktie, im Vergleich zu einem aktuellen Börsenkurs von 116 US-Dollar, was einer Unterbewertung von rund 15% entspricht. Die Analysten von Morningstar decken alle 30 Aktien des DJIA ab, was bedeutet, dass wir eine Schätzung des Fair Value für jedes dieser Unternehmen haben.

Der Dow Jones enthält lediglich die größten Mega-Cap-Aktien, und über 71% der Asset-Gewichtung des Index besteht aus Aktien mit einem breiten wirtschaftlichen Umfeld. Dies deutet darauf hin, dass der ETF auf den Dow Jones ein sehr hochwertiges Portfolio an Unternehmen enthält.

Ein kurzer Blick auf die Index-Bestandteile zeigt, dass Morningstar die Bestnote (5-Sterne) für 3M, Exxon, Cisco Systems, GE, und ein paar andere Werte vergeben hat. Ein 5-Sterne-Rating bedeutet, dass die Aktie zu einem Discount zum von Morningstar geschätzten Fair Value für die Aktie gehandelt wird. Die Größe des Discounts, der für eine 5-Sterne-Bewertung notwendig ist, hängt von unserer Einschätzung über die Sicherheit der Fair-Value-Schätzung ab - höhere Unsicherheit bedeutet einen größeren erforderlichen Discount bzw. Sicherheitspuffer. Mittlerweile betrachten unsere Analysten Coca-Cola, Verizon und Wal-Mart als äußerst fair bewertet (3 Sterne). und Aktien mit einer 1 - oder 2-Sterne-Bewertung (überbewertet) gibt es derzeit nicht im Index.

Bevor man jedoch zu viel von diesem ETF auf die gesamte US-Marktbewertung extrapoliert, ist es wichtig zu wissen, dass der Index selbst ein paar Haken und Ösen hat. Man muss wissen, dass der Index nicht nach Marktkapitalisierung, sondern nach Aktienkursen gewichtet ist. Wenn Microsoft also etwa die gleiche Marktkapitalisierung wie IBM aufweist, bedeutet sein geringer Aktienkurs, dass Microsoft weniger als 2% des Index ausmacht, während IBM mit seinem hohen Aktienkurs über 10% ausmacht. Auf der anderen Seite ist Apple - nach Marktkapitalisierung derzeit das zweitgrößte US-Unternehmen - nicht im Index enthalten. Der Index schließt auch Transport- und Versorgerwerte aus und ist untergewichtet in Finanztiteln, während er relativ zum S&P 500 in Industrieunternehmen übergewichtet ist. Trotz dieser Eigenheiten weist der Index über die vergangenen 10 Jahre eine Korrelation von 0,97 zum viel breiter aufgestellten S&P 500 auf und hatte auch eine ähnliche Volatilität.

Wie schon erwähnt, sind kleine und mittlere Unternehmen hier nicht vertreten, so dass Investoren sich anderswo einen Einblick in die Bewertung für diese Bereiche des US-Marktes verschaffen müssen. In diesem Zusammenhang legt eine rasche Überprüfung der Daten des Vanguard Mid-Cap ETF nahe, dass kleinere US-Nebenwerte nicht so billig sind wie die Standardwerte. Basierend auf Morningstars Fair-Value-Schätzungen notiert der Vanguard ETF aktuell zu einem moderaten Discount von nur 8%. Unsere Fair-Value-Schätzungen decken etwa 80% des Vanguard-Portfolios ab, gemessen an den Vermögenswerten.

S&P 500-Aktien werden mit Discount gehandelt

Die Aktienanalysten von Morningstar haben Fair-Value-Schätzungen für fast jede Aktie im S&P 500 vorgenommen, wir decken über 98% des Index ab, gemessen nach Vermögenswerten, die auch im Bestand des SPDR S&P 500 ETF sind. Die Aktien des S&P werden per 29. November zu einem Discount von 19% gegenüber Morningstars-Schätzungen des Fair Value gehandelt.

Im Gegensatz zum Dow Jones Industrial Average ETF, ist der SPDR S&P nach Marktkapitalisierung gewichtet, was multinationalen Branchenführern wie ExxonMobil, Apple und Microsoft ein starkes Gewicht verleiht. Alle drei Titel sind gegenüber Morningstars Fair-Value-Schätzungen unterbewertet, wobei Exxon ein 5-Sterne-Rating und Apple und Microsoft ein 4-Sterne-Rating aufweisen. Trotz der Gewichtung nach Marktkapitalisierung machen die Top-10-Positionen immer noch weniger als 20% des Vermögens aus, und kein Sektor ist mit mehr als 20% gewichtet.

Ein paar Dinge gilt es im Hinterkopf zu behalten: Obwohl der S & P als Maß für den amerikanischen Markt verwendet wird, enthält der Index (und der ETF) einen hohen Anteil multinationaler Unternehmen, und er hat auch eine erhebliche indirekte internationale Präsenz: Rund 45% der Asset-gewichteten Unternehmensumsätze stammen von außerhalb der USA. Ebenso wie der Dow Jones hat auch der S & P eine Large-Cap-Übergewichtung. Doch trotz des Fehlens jeglicher kleiner und mittlerer Aktiengesellschaften enthält der Index fast 80% des US-Marktwerts.

Wie die beiden ETF-Bewertungen zeigen, können die jüngsten Marktschwächen eine Chance für Investoren darstellen, in den US-Markt zu ziemlich günstigen Bewertungen einzusteigen - insbesondere in Blue-Chip-Unternehmen hoher Qualität. Und diejenigen, die während der Finanzkrise Kasse gemacht haben und dann enttäuscht darüber waren, dass sie nicht schnell genug wieder im Markt investiert waren als der US-Markt sich wieder erholte, möchten dies vielleicht als Kaufgelegenheit nutzen.


(Dieser Text kommt im Rahmen der Aktienwochen bei Morningstar; in den ersten zwei Dezemberwochen finden Sie unter dem Header "Aktien Spezial" Artikel unserer internationalen Analysten- und Redaktionsteams zu Aktien-Trends weltweit.)

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Über den Autor

Jason Stipp  Jason Stipp is Site Editor for Morningstar.com