Buy and hold ist nicht tot!

Man kann schon fast seine Uhr danach stellen: Jedes Mal, wenn die Aktienmärkte volatil sind, rufen Vermögensverwalter das Ende der „Buy and hold“-Strategie aus. Doch auch häufige Wiederholungen machen eine falsche Behauptung nicht wahrer.

John Rekenthaler 11.09.2013
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Wenn es an den Märkten hoch hergeht, kommen die Investoren auf die verrücktesten Ideen. Am schlimmsten war es meiner Erinnerung nach zu den Hochzeiten des Neuen Marktes, in den Jahren 1999 bis 2000. Das Buch „Dow Jones 36.000“ war ein Bestseller. Morningstar-Analysten, die es wagten, Technologieaktien herabzustufen, bekamen Morddrohungen. Und die 80-jährige Mutter eines Morningstar-Managers lud sich ihr Portfolio mit Aktien von CMGI voll, einer Dotcom-Firma, deren Aktien in den zwei Jahren darauf 99% ihres Wertes verloren.

Heute ist es wieder so weit, die Investoren spielen verrückt - wenngleich unter anderen Vorzeichen. Die Stimmung ist extrem mies. Auch diesmal nahm alles an der Börse seinen Anfang: Als die Wall Street 2008 abstürzte und der S&P 500 den stärksten Kursverlust eines Jahres seit 77 Jahren verbuchen musste, nahmen das viele Marktteilnehmer zu Anlass, das rationale denken einzustellen. Es ist, als habe die Vernunft keine Chance mehr. Zur Jahrtausendwende hatten Leichtsinn und Gier Investoren angetrieben, jetzt aber herrschen Angst und Schrecken.

Zur Jahrtausendwende hatten Leichtsinn und Gier Investoren angetrieben, heute dominieren Angst und Schrecken.

Heute sind viele Experten der Meinung, dass man nicht mehr Aktien kaufen und liegenlassen dürfe – eine Strategie, die als „Buy and hold“ bekannt wurde. Das sei kein erfolgversprechendes Vorgehen, rufen nun seit einigen Jahren Investmentstrategen, Fondsmanager, und Finanzberater aus. Dieses Mal sei alles anders. Die alte Methode, die früher so gut funktioniert hat, hat ausgedient nicht mehr gelten, heißt es. (Das können Sie hier, hier, hier, hier, und hier nachlesen – und über Google finden Sie sicherlich hunderte weitere Beispiele.)

Diese Meinung entstand aus einer emotionalen Reaktion auf die Geschehnisse nach der Finanzkrise. Dabei waren die Bedingungen für Investoren 2009 keineswegs anders als in den Jahren zuvor. Zwar waren die Nachrichten zur Wirtschaftslage unerfreulicher und die Aktien waren deutlich zurückgefallen. Es stimmt, dass sich die USA in einer Rezession befanden und sogar befürchtet wurde, dass es zu einer Wirtschaftskrise großen Ausmaßes kommen könnte. Doch letztlich sind derartige Ängste nur vorübergehend. Eine Wirtschaft erlebt Phasen des Abschwungs, und auch am Aktienmarkt kann es nicht nur aufwärts gehen.  

2009 war nicht das Ende, sonder der Anfang goldener Aktienjahre

Man muss den Kritikern zugestehen, dass das Jahr 2009 aus heutiger Sicht anders beurteilt werden kann, als es damals der Fall war. Im Frühjahr und Sommer 2009 konnten es Anleger und Beobachter zum ersten Mal in Jahrzehnten schwarz auf weiß sehen, dass man auch auf Sicht von zehn Jahren mit Aktien nicht nur weniger Rendite erzielen konnte als mit Bargeld und Anleihen, sondern auch absolut im Minus landen konnte. Aber man sollte aus dieser Konstellation heraus nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. So banal es klingt: So etwas kommt schon einmal vor. Es ist eben nicht in Stein gemeißelt, dass riskantere Investitionen sich zwangsläufig immer besser entwickeln als sicherere Anlageklassen. Aber darauf kommt es letztlich auch nicht an. Schließlich kann man keine Strategie darauf aufbauen, dass man für seine Investitionen den richtigen Zeitpunkt treffen muss.

Eine leicht abgewandelte Form der Buy-and-Hold-ist-tot-Weisheit begegnet einem immer wieder. Etwa in Gestalt des so genannten „new normal“, der „neuen Normalität“, die PIMCO-Gründer und Starfondsmanager Bill Gross ausgerufen hat. Diese Analyse bezog sich in erster Linie auf die Entwicklung der Wirtschaft. Die US-Konjunktur werde es nicht schaffen, wie ein Phönix aus der Rezessionsasche der Jahre 2008 und 2009 zu steigen, wie man es allgemein bei einer Erholung erwarten würde, sondern werde sich vielmehr langsam hocharbeiten, hieß es. Diese Einschätzung traf vollkommen zu, und verschaffte Pimco verdientermaßen viel Anerkennung.

Kein "new normal" auf der Investment-Seite

Die zweite Aussage der These der „neuen Normalität“ bezog sich auf die Investment-Welt. Es hieß, dass Aktien in Zukunft weniger Rendite einbringen würden und dass man nicht automatisch gut beraten wäre, in Zeiten niedriger Aktienkurse zu investieren. Diese Einschätzung erwies sich als falsch. Sehr falsch sogar. Seitdem Gross diese Aussage traf, haben sich die Aktienkurse beeindruckend entwickelt. Diejenigen Investoren, die bei den wenigen Schwächephasen am Aktienmarkt einstiegen, konnten satte Profite eingestrichen.

Auch wenn mit der These über die „neue Normalität“ nie explizit behauptet wurde, dass die „Buy and Hold“-Methode überholt ist, liefen die Implikationen dieser Annahme auf dieselbe Konsequenz heraus wie der Spruch vom Tod der Buy-und-hold-Idee.  

Der Abgesang auf die „Buy and Hold“-Strategie war nie gerechtfertigt. Und es ist auch kein Zufall, dass die Methode sich auszahlt. Nach dem Tief im Jahr 2008 erlebte der amerikanische Aktienmarkt die bisher wohl besten viereinhalb Jahre seiner Geschichte. Seit dem Frühling 2009 machte der Markt absolut gesehen 125% gut. Und auch relativ gesehen war es eine grandiose Zeit. Inflation? Kein Thema. Und Aktien stellten Anleihen, Cash, alternative Anlageklassen und Rohstoffe in den Schatten. Das sind die goldenen Jahre. Wir haben die ganze Zeit in den goldenen Jahren gelebt – und die wenigsten haben es gemerkt.

Wer nach 2008 sein Geld sein Geld aus Aktien abzog und in Anleihen, Cash, alternative Anlagen oder Rohstoffe investierte, dürfte einiges verpasst haben: Hätte man im Januar 2009 US-Aktien für 10.000 Dollar gekauft, wären diese nun 22.000 Dollar wert. Mit einem Anleihefonds käme man wohl auf 13.500 Dollar, und mit Geldmarkt-, Alternativ- und Rohstofffonds auf eine Summe zwischen 10.500 und 13.000 Dollar.  

Kritiker werden einwenden, dass Buy-and-hold ein Argument ist, das nur in Bullenmärkten valide ist. Das ist unfug.

Kritiker werden einwenden, dass Buy-and-hold ein Argument ist, das nur in Bullenmärkten valide ist. Das ist unfug. Es ist vielmehr so, dass der Abgesang auf langfristiges Investieren auf Momentaufnahmen während Bärenmärkten basiert. „Buy and hold“ ist dagegen die Norm!

Schlussendlich ist der „Buy and hold“-Ansatz nicht zuletzt deshalb so erfolgreich, weil alternative Strategien nicht funktionieren. Optimale Handelsstrategien, die auf taktischen Asset-Allocation-Modellen basieren, sind mehrheitlich nicht erfolgreich.

Dass die „Buy and hold“-Strategie überholt ist, ist nicht logisch begründbar. Und der Erfolg von Investoren wie Jack Bogle oder Warren Buffett sowie die Erkenntnisse der Wissenschaft belegen ebenfalls das Gegenteil. Es ist an der Zeit, die falschen Glaubenssätze über Bord zu werfen!

Es handelt sich bei diesem Artikel um die Übersetzung eines Kommentars von unserer US-Website, die für deutschsprachige Leser leicht adaptiert wurde. Lesen Sie den Orginalkommentar hier.   

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Über den Autor

John Rekenthaler  is vice president of research for Morningstar.

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