Deutsche Bank legt bei ETFs den Hebel um

Vor nicht allzu langer Zeit schienen ideologische Grabenkämpfe die ETF-Branche zu prägen. Swap-ETFs kontra physich replizierende Produkte, war das Motto. Jetzt stellt die Deutsche Bank in großem Stil auf volle Replikation um. Was hinter dem Schritt steckt.

Morningstar 09.12.2013
Facebook Twitter LinkedIn

Von Ali Masarwah und Gordon Rose

Die ETF-Branche bleibt in Bewegung. Mit der heutigen Ankündigung der Deutschen Bank, ihre ETFs im ersten Quartal 2014 in großem Stil auf physische Replikation umzustellen, könnten die Karten neu gemischt werden. Davon sind zumindest die Verantwortlichen bei der Deutschen Bank überzeugt. „Wir wollen angreifen und unseren Marktanteil in Europa bis Ende 2015 auf 20 Prozent erhöhen“, sagt uns Simon Klein, ETF-Europa- und Asien-Chef bei der Deutschen Bank.

Offenbar sehen die Verantwortlichen bei der Deutschen Bank in einem großen Switch von Swap-basierter zu physischer Replikation die einzige Möglichkeit, das Wachstum zu forcieren. Während das in ETF verwaltete Vermögen der Deutschen Bank in Europa in diesem Jahr um fünf Prozent gesunken ist, hat BlackRock (iShares) um 22 Prozent zugelegt. Bereits seit Jahren gewinnt BlackRock Marktanteile hinzu, während Swap-ETF-Anbieter wie die Deutsche Bank und Lyxor bestenfalls stagnieren.

iShares hat die 50-Prozent-Schwelle durchbrochen

Wie groß die Ambitionen der Deutschen Bank sind, zeigt ein Blick auf den europäischen ETF-Markt. iShares hatte per Ende November 2013 einen Marktanteil von gut 50 Prozent gegenüber nur 12,5 Prozent für die Deutsche Bank. Lyxor folgt mit 11,1 Prozent knapp dahinter. Man sollte heute also eher von einem iShares-Monopol denn von einem Triumvirat aus Deutsche, iShares und Lyxor sprechen. Dieses Monopol auf dem ureigenen iShares-Terrain - der physischen Replikation - knacken zu wollen, ist eine Herausforderung.  

Man sollte heute eher von einem iShares-Monopol denn von einem Triumvirat aus Deutsche, iShares und Lyxor sprechen. 

Der Schritt der Deutschen Bank kommt der Aufgabe einer lange Zeit gehaltenen Bastion gleich. Wir erinnern uns, dass die Branche seit 2008 von einer teils hitzig geführten Diskussion um die Frage geprägt war, wie Indizes idealerweise abzubilden seien. Auf der einen Seite standen die Befürworter der direkten Replikation, die das Argument vertraten, ihre Produkte seien frei von Kontrahentenrisiken, die ein Derivate-Exposure über Swaps mit sich bringt.

Die Anbieter synthetisch replizierender Produkte wurden dagegen nicht müde, Anlegern zu versichern, dass Swap-ETFs sicher und mithin die mit am strengsten regulierten Produkte am Markt seien. Die als solche fruchtlose Diskussion brachte den Anlegern immerhin einige Vorteile.  Anbieter von Swap-ETFs haben insbesondere das Kontrahentenrisiko reduziert, z.B. durch eine tägliche Rücksetzung des Kontrahentenrisikos auf null. Auch die Transparenz der Produkte hat sich verbessert.

Ein interessantes Gespräch, in dem Sie die Argumente zusammengefasst finden, finden Sie in unserem Werkstattgespräch von Anfang 2012. Wenn Sie mehr über die Swap-Konstruktion der einzelnen Anbieter wissen möchten, empfehlen wir Ihnen wärmstens unser Research zu diesem Thema.

Anleger wollen offenbar physisch replizierende ETFs

Die Argumente der Vertreter der physisch replizierenden ETFs haben offenbar besser gefangen mit dem intuitiv einfachen Argument, dass man bei ihren Produkten den Referenzwert auch tatsächlich besitzt; sprich bei einem DAX-Investment hält man auch alle 30 darin enthaltenen Unternehmen. Die Mittelzuflüsse haben ihnen Recht gegeben. Schaut man sich die Struktur der Neuinvestitionen an, stellt man fest, dass seit Jahren physisch replizierende Produkte deutlich mehr Geld einsammeln konnten.

Die Bastion der Swap-ETF-Anbieter zeigte bereits Ende 2012 erste Risse, als sich die Deutsche Bank und Lyxor entschlossen, ihre Angebote um physisch replizierende ETFs zu erweitern. Beide führen seitdem eine Handvoll Produkte in ihrem großen Swap-Bauchladen.  

Im Nachhinein lassen sich bei der Deutschen Bank strategische Gründe für diesen ersten Schritt konstruieren. Neben der Tatsache, dass die Deutsche Bank den Anlegerwünschen nachkommt, macht dieser Schritt auch Sinn für einen ETF-Anbieter, der (nunmehr) an einen Asset Manager angekoppelt ist. In diesem Jahr hat die Deutsche Bank die bisher beim Investment Banking angesiedelte ETF-Sparte ihrem Asset Management-Arm zugeschlagen. Und ein Asset Manager bildet Indizes offenbar lieber physisch ab als mit Swaps - siehe iShares. Zugleich hält sich die Deutsche Bank für die Zukunft ihre Optionen prinzipiell offen - der Referenzwert werde die Replikationsart bestimmen. 

Was bei db x-trackers als Nächstes ansteht

Künftig wird die Deutsche Bank als erste Priorität bei Neuauflagen allerdings auf physisch replizierende ETFs setzen. Bei komplexeren Indizes wird man auf das Sampling-Verfahren zurückgreifen, und nur bei Märkten, in denen es nicht anders geht (Rohstoffe, Short-Produkte) bzw. bei denen die direkte Replikation zu teuer würde, beispielsweise bei kleineren Schwellenländer-Märkten, werden laut Deutsche Bank Swap-Produkte auf dem Plan stehen.

Auch beim Bestand wird es zu weiteren Umstellungen kommen. Es sei geplant, weitere ETFs umzustellen, sagt Simon Klein, lässt sich aber nicht in die Karten schauen, was als Nächstes folgen wird. Doch nach der Logik der bisherigen Maßnahmen dürfte die ab Januar 2014 anstehende Umstellung nur der erste Schritt gewesen sein. Hinter den 9,5 Milliarden Euro an Assets, die ab Januar 2014 auf physische Replikation umgestellt werden, stehen vor alle europäische Aktien-ETFs, die relativ leicht zu replizieren sind. Das gilt auch für US-Aktien-Indizes, und auch globale Aktien-ETFs lassen sich mit dem Sampling-Verfahren abbilden. Danach könnten auch Bond-ETFs umgestellt werden.

Der Schritt ist nicht frei von Risiken

Wie bereits angedeutet, ist der Schritt der Deutschen Bank nicht frei von Risiken. Denn es besteht die Gefahr, dass sie zu spät kommt. iShares ist als Marktführer gesetzt, und es ist schwer vorstellbar, wo die Deutsche Bank in Sachen physische Replikation Neuland erschließen wird. Interessanterweise zeigt gerade das Beispiel von iShares, dass es der „second mover“ in einem Markt von weitestgehend austauschbaren Produkten schwer hat. Der Marktführer hat in der jüngsten Vergangenheit stillschweigend nahezu sein gesamtes Angebot an Swap-ETFs drei Jahre nach der Auflage vom Markt genommen. Die Produkte waren so klein, dass kaum jemand von diesem Schritt Notiz genommen hat (lesen Sie hier mehr).

Auch ist das verwaltete Vermögen in den physisch replizierenden Produkten, die die Deutsche Bank Ende 2012 auf den Markt gebracht hat, mit knapp 340 Millionen Euro noch recht überschaubar. Es ist insofern nicht so eindeutig, dass der Testballon wirklich erfolgreich gestartet wurde. Zumal sich die Schere beim Marktanteil der jeweiligen Replikationsverfahren seit Ende 2012 nicht sehr signifikant verschoben hat, wie die untere Grafik zeigt.

Grafik: Marktanteil nach Replikationsart: Die Schere öffnet sich langsam 

Deutsche Bank hat Kostenvorteile

Es stellt sich nun die Frage, wie die Deutsche Bank dem Marktführer iShares das Wasser abgraben kann. Zwei Verkaufsargumente sprechen für die Deutsche Bank. Zum einen sind die ETFs, bei denen die Replikationsmethode geändert wird, günstiger als die Konkurrenzprodukte von iShares. So belaufen sich die laufenden Kosten der 13 Produkte, die bei beiden Anbietern im Sortiment sind, bei db X-trackers im Schnitt auf 0,30% während die von iShares mit 0,34% zu Buche schlagen.

Auch beim volumengewichteten Durchschnitt steht die Deutsche Bank besser da (0,20 Prozent vs 0,22 Prozent), wenn auch etwas weniger deutlich. Über das gesamte Produktangebot unterscheiden sich die beiden Anbieter jedoch nicht. Das zweite Verkaufsargument sind die Erträge aus der Wertpapierleihe. Während iShares 60 Prozent der Bruttoerträge an den Fonds weitergibt, werden sich Investoren bei der Deutschen Bank über 70 Prozent - beim DAX-ETF sogar 90 Prozent – der Bruttoerträge freuen können. Zum Vergleich: Vanguard schreibt seinen Indexfonds 95 Prozent der Leiheerträge gut.

Lyxor kann sich bald mit dem Titel des größten Anbieters Swap-basierter ETFs in Europa schmücken. 

Interessant dürfte nun sein, wie Lyxor auf die jüngste Offensive reagiert. Der französische ETF-Anbieter wird unter Zugzwang stehen, um nicht mehr an Boden gegenüber der Deutschen Bank und BlackRock zu verlieren. Nach dem Deutsche-Bank-Switch werden sich die Franzosen mit dem Titel des größten Anbieters Swap-basierter ETFs in Europa schmücken können. Doch das ist eine Momentaufnahme, und angesichts der Tatsache, dass Lyxor bereits den Einstieg – zumindest mit dem kleinen Zeh – in die Welt der physisch replizierenden ETFs gefunden hat, könnte es sein, dass vor der großen Konsolidierung auf der Anbieterebene zunächst eine Konsolidierung bei der Replikationsmethode ansteht.

Facebook Twitter LinkedIn

Über den Autor

Morningstar