Short Squeeze: Was ist das?

Der Fall GameStop macht Schlagzeilen. Was steckt hinter dem kometenhaften Kursanstieg eines Konzerns, dessen Überleben ungewiss erscheint?  

Karen Wallace 28.01.2021
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Prozentezeichen in einer Glaskugel

Die Aktien des US-Elektronikhändlers GameStop sind in den letzten Tagen regelrecht explodiert. Nachdem sie im Dezember und den ersten Januar-Wochen bei unter $20 pro Aktie gehandelt wurden, notierten sie gestern bei weit über $300 pro Aktie.  

Spektakuläre Bewegungen gibt es nicht nur bei GameStop, sondern auch der Kinokette AMC, dem Bekleidungseinzelhändler Express, neben anderen Unternehmen mit ungewissen Geschäftsaussichten. Warum steigen diese Aktien plötzlich so stark an? Die Coronavirus-Pandemie hat nicht nur die Gewinne der Kinos, sondern auch die des stationären Einzelhandels in Mitleidenschaft gezogen. Es gab kaum positive Nachrichten von diesen Unternehmen oder fundamentale Gründe für die erhöhte Nachfrage nach diesen Aktien.

Was ist also passiert?

Es handelt sich um einen klassischen Short Squeeze. Dieses Mal im Reddit-Stil.  

Wie und warum verkaufen Investoren Aktien „leer“?

So funktioniert es: Wenn ein Investor glaubt, dass der Wert einer Aktie im Laufe der Zeit steigen wird, kauft und hält sie. Das wird als „Long“-Position bezeichnet. Wenn er aber erwartet, dass der Kurs einer Aktie fallen wird, kann er eine „Short“-Position eingehen. Dazu würde er sich die Aktie von einem anderen Anleger leihen und sie am Markt verkaufen. Er profitiert, wenn er die Aktie zu einem tieferen Preis zurückkaufen kann, als zu dem Preis, den er beim Leerverkauf erzielt hat. (Er muss an den ursprünglichen Besitzer der Aktie eine Leihgebühr entrichten.)

Hedge-Fonds gehen häufig so vor, ja, es gibt sogar bestimmte Hedgefonds, die ausschließlich mit Short-Positionen Geld verdienen. Fast schon überflüssig zu erwähnen, dass diese Strategie für Privatanleger nicht nur kompliziert, sondern sehr riskant und damit nicht empfehlenswert ist.

Zurück zum Thema Short-Squeeze: Wenn der Kurs der geshorteten Aktie jedoch steigt und nicht fällt, muss der Leerverkäufer die geliehenen Aktien gegebenenfalls zu einem höheren Preis zurückkaufen, als er für die Aktien beim Verkauf kassiert hat. Da Aktienkurse (theoretisch) unbegrenzt steigen können, können Leerverkäufe zu potenziell unbegrenzten Verlusten führen. Das ist bei einer Long-Position ganz anders: Hier sind die potenziellen Gewinne eines Anlegers unbegrenzt; verlieren kann er höchstens seinen Einsatz.

Was ist ein „Short-Squeeze“?

Ein „Short Squeeze“ tritt dann auf, wenn die Nachfrage nach einer Aktie, die in großem Umfang geshortet wird, steigt. Typischerweise ist dann ein hoher Prozentsatz der umlaufenden Aktien ausgeliehen. Man spricht dann von einer hohen Short Interest Quote.

Dieser perfekte Sturm von technischen Faktoren kann die Aktienkurse in die Stratosphäre treiben. Wenn immer mehr Investoren eine Aktie kaufen, zwingt das die Leerverkäufer dazu, die Aktien zu einem für sie ungünstigen Kurs zu kaufen, um ihre Verluste zu reduzieren. Alle kaufen also, die Long-Käufer und die Leerverkäufer. Oft trifft das bei Aktien mit einem geringen Handelsvolumen ein, sodass kleine Änderungen in der Nachfrage den Preis schnell bewegen können.

Was passierte mit GameStop?

Wie viele andere Einzelhändler auch hat GameStop seit Jahren mit Problemen zu kämpfen, lange bevor die Pandemie zuschlug. Wir stufen diesen Nebenwert als „distressed“ ein, was bedeutet, dass das Unternehmen ernsthafte operative Probleme hat und als hoch spekulativ betrachtet werden sollte. Ein Blick auf die Rentabilitätskennzahlen von GameStop ernüchtert.

Viele institutionelle Investoren wetteten darauf, dass GameStop in die Insolvenz gehen würde. Per 31. Dezember 2020 lag die Short-Interest-Quote bei 260 Prozent des Freefloats. Es gab also viel mehr leerverkaufte Aktien, als Stücke am Markt verfügbar waren. Dies war die perfekte Voraussetzung für die irren Kurs-Kapriolen, die sich in diesen Tagen ereignen. Auf der Informationsplattform Reddit haben sich offenbar viele Privatanleger verabredet, GameStop-Aktien zu kaufen - aus ganz unterschiedlichen Gründen. Manche glauben offenbar an einen Comeback des Unternehmens; andere wollen es "der Wall Street" einmal zeigen. Die Folge war der dramatische Kursanstieg, der Short-Sellern immer mehr zu schaffen machte.

Übrigens hat einer der prominentesten Short-Seller von GameStop, Melvin Capital, das Handtuch geworfen und seine Short-Position „eingedeckt“ – mit immensem Verlust, wie man hört. Der Hedgefonds wurde also von der „Reddit-Armee“ in die Knie gezwungen. Ein bemerkenswerter Sieg der Angreifer – für Privatanleger ist das allerdings nicht zur Nachahmung empfohlen. Sie können mit Long-Positionen besser schlafen - und immer noch ordentliches Geld verdienen.

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Über den Autor

Karen Wallace  Karen Wallace is an editor with Morningstar.