Interview: Von Aktien-Anlegern eine Scheibe abschneiden

Ein Interview mit der Finanzplattform fundplat.com über Themen, Thesen und Trends am Kapitalmarkt im ersten Quartal 2021.  

Morningstar 15.04.2021
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Symbolbild investieren

Ein Interview mit der Finanzplattform fundplat.com über die Lage der Fondsindustrie und was Investoren im ersten Quartal 2021 bewegt hat. Das Gespräch, das wir in Auszügen bringen, wurde am 11. April auf Schweizer Website von fundplat.com veröffentlicht. Die Fragen stellte Thomas Caduff, CEO der Fundplat GmbH. Für die Genehmigung der Wiedergabe ein herzliches Dankeschön!  

Thomas Caduff: Herr Masarwah, das 1. Quartal ist Geschichte. Gab es viel Spannendes zu schreiben?

Ali Masarwah: Jede Menge! Angefangen mit der spektakulären Aufwärts-Entwicklung an den Märkten. Es ging wieder einmal nach oben. Da werden Sie sagen: Und, was gibt es Neues? Einerseits hätten Sie natürlich Recht: Es ist, wie so oft in den vergangenen Jahren, auch im letzten Quartal, aufwärts gegangen. Aber die Art und Weise, wie Anleger den Konjunktur-Wiederauferstehungs-Trade gespielt haben, war schon spektakulär: Zyklische Aktien mit haptischen Produkten und klassischen Dienstleistungen haben immens zugelegt. Banken, Energiewerte, zyklische Konsumwerte sind regelrecht durch die Deken gegangen. Das ging zu Lasten von Tech- und anderen Growth-Werten, die im Corona-Jahr 2020 noch reüssieren konnten - nur relativ gesehen, absolut konnten natürlich auch Letztere zulegen. Und wissen Sie, was ich daran besonders spektakulär finde? 

Wir sind gespannt.

Im Gegensatz zur gesellschaftlichen Debatte, die doch jede Menge Gloom and Doom-Szenarien hervorbringt, sind Anleger optimistisch! Ja, Corona hat uns einen historischen Einbruch beschert, ja, viele Menschen sind arbeitslos geworden, ja, unser gesellschaftliches Leben ist zum Stillstand gekommen. Aber die Wissenschaft hat uns mit jeder Menge an effektiven Impfstoffen beschert, die Menschheit ist im Begriff, das Corona-Virus in Rekordzeit auf Normalmaß zurechtzustutzen. Das alles sehen Anleger - im Gegensatz zum anscheinend Aktienabstinenten Homo-Sapiens-Zweig, der in tiefste Depressionen gestürzt wurde und in einem tiefen Loch steckt. Auch wenn ich den Optimismus der Aktienanleger manchmal etwas naiv finde, würde ich mir mehr von diesem wundervollen Optimismus für die gesamte Gesellschaft, gerade bei uns in Europa, herbeiwünschen.

Wenn ich den Advocatus Diaboli machen wollte, würde ich jetzt sagen: Das sind doch nur die Notenbanken, die die Märkte mit Liqudität fluten. 

Ach, wissen Sie, ich kenne diese Argumente, wonach die Märkte und das reale Wirtschaftsleben zwei verschiedene, voneinander vollkommen getrennte Welten wären. Aber das finde ich etwas absurd. Die Notenbanken schaffen die Voraussetzung - übrigens Hand in Hand mit der Fiskalpolitik - dass das reale Leben wieder in Gang kommt. Besonders beeindruckend ist das in den USA zu beobachten: Die Biden-Administration und die Notenbank feuern aus allen Rohren, und die positiven Effekte werden in jedem Bereich des Wirtschaftslebens ihre Wirkung zeigen. 

So optimistisch kenne ich Sie ja gar nicht!

Tut mir Leid, Doom and Gloom über die ach so fürchterlich irrationalen Märkte werden Sie heute von mir nicht hören. Ich finde, dass Anleger übrigens in einer anderen Hinsicht durchaus rational sind: Sie kaufen nicht nur die Aktien, die von der Konjunkturerholung profitieren werden, sondern sie strafen die absurd bewerteten High-Tech-Werte ab - nicht nur viele gehypte Geschäftsmodelle von digitalen Champions aus Amerika, sondern auch viele chinesische Tech-Aktien, die tatsächlich absurde Kurshöhen erreicht haben.

Was halten Sie vom Thema Nachhaltigkeit? Es scheint, dass nun wirklich jede Adresse auf den ESG-Zug aufgesprungen ist. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Der Ball rollt, und ich sehe nicht, warum sich das ändern sollte. Immer mehr Anleger glauben daran, dass es Zeit ist, die Wirtschaft auf ein neues nachhaltigeres Fundament zu stellen, und das halte ich für sehr wichtig. Wenn immer mehr Anbieter auf den Zug aufspringen: umso besser. Sie müssen sich nur darauf gefasst machen, dass sie angesichts der immer besseren Transparenz auch liefern müssen, wenn sie ein Produkt als nachhaltig deklarieren. Wer Green Washing betreibt, muss sich darauf gefasst machen, dass er Gefahr läuft, in einen Naming- und Shaming-Strudel zu geraten. Die Kehrseite des ESG-Hypes ist die Ächtung der Green-Washing-Scharlatane.


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