Finger weg von Einzeltitel-ETFs

Single-Stock-ETFs sind extrem riskante Anlagen. Trotzdem hat das Interesse an ihnen drastisch zugenommen. Morningstar warnt: Nicht anfassen!

05.09.2022
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Drowning piggy bank

Dieses Jahr ist das Interesse an börsengehandelten Einzeltitel-ETFs stark gestiegen. Tatsächlich zeigen die weltweiten Google-Trends-Daten einen starken Anstieg der Suchanfragen nach diesen Fonds.

Exhibit 1

Wir dachten uns, das ist ein guter Zeitpunkt, um über das Produkt zu informieren, das Ben Johnson von Morningstar als "Jack Bogles schlimmsten Alptraum" bezeichnete und hinzufügte: "Als normaler Anleger sollte man diese Dinger nicht einmal mit der Kneifzange anfassen."

 

Was sind Single-Stock-ETFs?

Einzeltitel-ETFs sind Produkte, die Derivate einsetzen, um gehebelte oder inverse Renditen auf einzelne Aktien zu erzielen.

Gehebelte ETFs verwenden Derivate, um eine tägliche Hebelwirkung auf die einzelne Aktie zu erzielen. So würde etwa ein 2-fach gehebelter ETF, der Apple (APC) abbildet, um etwa 2% steigen, wenn Apple an einem Tag um 1% steigt. Dieses Hebelverhältnis kann variieren.

Inverse ETFs halten ebenfalls Derivate und sollen dem Anleger helfen, Geld zu verdienen, wenn die zugrunde liegende Benchmark (oder in diesem Fall die Einzelaktie) fällt.

Klingt schon jetzt komplizierter als ein normaler ETF - und Einzelaktien-ETFs sind es meist auch.

 

Warum sind Einzeltitel-ETFs derzeit so beliebt?

Single-Stock-ETFs gibt es schon eine ganze Weile. Tatsächlich wurden die ersten Produkte dieser Art 2018 in Europa angeboten. Jetzt aber steigt das Interesse, weil mehr und mehr solcher Produkte auf den US-Markt kommen.

"Hauptkatalysator für die steigende Beliebtheit dieser Gattung war die Zulassung der ersten Single-Stock-ETFs in den USA durch die SEC im Juli", sagt Bryan Armour, Director of Passi-ve Strategies Research für Nordamerika bei Morningstar.

"Das öffnete die Schleusen für neue Single-Stock-ETFs, die von jetzt auf gleich zugelassen und gelistet werden. Die ETFs passen außerdem gut zu der in den letzten Zeit stark gestiegenen Akzeptanz von Meme-Aktien und zur Verwendung von Leverage (d.h. Optionen und Margin) durch Mainstream-Investoren. Innovator ging noch einen Schritt weiter und kombinierte ergebnisorientierte oder gepufferte ETFs mit Einzeltitel-ETFs, um einen "abgesicherten" Einzeltitel-ETF zu schaffen, der vorgibt potenzielle Verluste zu begrenzen bei gleichzeitig gedeckelten Gewinnen."

Armour ergänzt, dass die überarbeitete Regulierung von ETFs eine wichtige Rolle bei der Zulassung von Single-Stock-ETFs spielte.

"2019 verabschiedete die SEC die ETF-Regel (Rule 6c-11 nach dem '40 Act). Damit beraubte sie sich ihres Ermessensspielraums bei der Zulassung von ETFs, die bestimmte Kriterien er-füllen. Vor Verabschiedung der ETF-Regel und den daraufhin von den US-Börsen festgeleg-ten Notierungsstandards hätten Einzeltitel-ETFs nicht direkt auf den Markt kommen können", erklärt er.

 

Sind Einzeltitel-ETFs riskant?

Mit einem Wort: ja. Diese Produkte sind äußerst riskant. Es gibt Beispiele für inverse ETFs und gehebelte ETFs, die bereits nach einem einzigen Handelstag wieder geschlossen wurden. Wenn Sie an einem schlechten Tag einsteigen, kann Ihr Investment auf null fallen. Armour nennt sechs Hauptaspekte dieser Produkte, die sie für Kleinanleger so riskant machen.

  1. Es handelt sich um kurzfristige/Intraday-Handelsinstrumente: Die Performance von gehebelten/inversen ETFs kann langfristig erheblich von ihrem festgelegten Aktienenga-gement abweichen. Daher taugen sie nur als kurzfristige (d.h. Intraday-) Handelsinstru-mente.
  2. Volatilität ist ein Risiko: Der Verfall der Volatilität belastet auf lange Sicht volatile gehebelte ETFs stark. Grundsätzlich bedeutet das tägliche Zurücksetzen des Hebels, dass der ETF an Aufwärtstagen Exposure hinzufügen und an Abwärtstagen abbauen muss. Dies wirkt sich negativ auf die Performance aus, wenn die Kurse zurückgehen. Wenn zum Beispiel eine Aktie an einem Tag von USD 10 pro Aktie auf USD 11 steigt und am nächsten Tag wieder auf USD 10 fällt, erzielt ein Anleger in dieser Aktie an zwei Tagen eine Rendite von 0%. Ein zweifach gehebelte ETF, der dieselbe Aktie abbildet, steigt am ersten Tag von USD 10 auf USD 12 und fällt am nächsten Tag auf USD 9,82, was zu einem Zwei-Tages-Verlust von 1,8% für den Anleger des gehebelten Einzelaktien-ETF führt.
  3. Sie könnten Ihr ganzes Geld verlieren: Gehebelte/inverse ETFs können aufgrund ext-remer Veränderungen des Basiswerts kurzfristig auf null US-Dollar fallen und geschlossen werden. So waren beispielsweise Leerverkäufe des VIX bis zum Jahr 2018 eine beliebte Handelsstrategie. An einem Tag schnellte der VIX um über 100% in die Höhe, was dazu führte, dass ein inverser kurzfristiger VIX-ETN XIV um 90% fiel und der Emittent den Fonds am nächsten Tag schließen musste. Eine Exchange Traded Note (ETN) im Wert von USD 1,6 Milliarden verschwand praktisch über Nacht vom Markt und damit auch das Geld der Anleger.
  4. Die Gebühren sind sehr hoch: Diese Produkte verlangen hohe Gebühren, die die Rendite auf lange Sicht auffressen. Ein Paradebeispiel ist der AXS TSLA Bull Daily ETF, der einen Hebel von nur 1,1 auf Tesla TSLA verwendet, aber eine jährliche Gebühr von 1,15% für das Halten des Fonds verlangt.
  5. Vergessen Sie nicht die Handelskosten: Die Handelskosten können für Anleger, die aktiv mit diesen Produkten handeln, einen großen Unterschied ausmachen. Market Maker werden vermutlich Geld- und Briefspannen außerhalb des relativen Werts der Aktie anbieten, um ihre Fähigkeit zur schnellen Arbitrage zwischen dem ETF und der Aktie auszunutzen. Das bedeutet, dass ein Anleger des AXS TSLA Bull Daily ETF diesen wahrscheinlich zu einem schlechteren Preis im Vergleich zur Tesla-Aktie kauft.
  6. Sie klingen ähnlich - das könnte verwirrend sein: All die Ticker, die sich im Namen und in der zugrunde liegenden Aktie ähneln, könnten für Anleger verwirrend sein. Seien Sie besonders vorsichtig und stellen Sie sicher, dass Sie den richtigen Ticker haben, wenn Sie Aktien kaufen.

 

Sollten Sie einen Single-Stock-ETF kaufen?

Nein. Wie Johnson bereits sagte, sollte der durchschnittliche Anleger diese Produkte nicht einmal mit der Kneifzange anfassen.

"Einzeltitel-ETFs sind spekulative Handelsinstrumente, die dazu dienen, ein gehebeltes oder inverses Engagement in einzelnen Aktien zu bekommen. Inverse Einzelaktien-ETFs können dazu dienen, die Leerverkaufsanforderungen für bestimmte Teilnehmer/Konten zu umgehen", sagt er.

"Das gehebelte und/oder inverse Engagement in der zugrundeliegenden Aktie wird täglich zurückgesetzt, solche ETFs also dazu gedacht, das versprochene Engagement nur auf täglicher Basis zu bieten. Diese Produkte sollten, wenn überhaupt, nur über kurze Zeiträume ein-gesetzt werden. Außerdem kann die langfristige Performance erheblich von der der zugrunde liegenden Aktie und dem angegebenen Engagement des Fonds abweichen. Ich gehe davon aus, dass nur professionelle Händler und Market Maker langfristig von diesen Produkten profitieren werden.“

Und sie sind nicht die Einzigen. Die Kommissarin der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC, Caro-line A. Crenshaw, gab an dem Tag, an dem die ersten Einzeltitel-ETFs von der SEC genehmigt wurden, eine Erklärung ab, in der sie auf die erheblichen Risiken hinwies, die mit diesen Produkten verbunden sind.

In der Erklärung heißt es unter anderem: "Aufgrund der Merkmale dieser Produkte und der damit verbundenen Risiken wäre es für einen Anlageexperten wahrscheinlich schwierig, ein solches Produkt einem Privatanleger zu empfehlen und gleichzeitig seinen treuhänderischen Verpflichtungen oder seinen Verpflichtungen gemäß der „Best Interest“-Verordnung nachzukommen."

"Abgesicherte Einzelaktien-ETFs werden als Vehikel vermarktet, die darauf verzichten, an den Aufwärtsbewegungen der Aktie teilzuhaben, um sich vor Abwärtsbewegungen zu schützen", fügt Armour hinzu.

"Aber die Fonds kaufen mit 10% bis 20% des Fondsvermögens einfach einen Call Spread auf die zugrunde liegende Aktie und investieren den Rest in Schatzbriefe. Die Anleger müssen den aktuellen Wert und den Status der Optionen kennen, um beurteilen zu können, ob der ETF zu einem fairen Preis gehandelt wird. Dies führt in eine Zwickmühle, denn versierte Anleger könnten diesen Optionshandel leicht selbst nachbilden, ohne eine Gebühr von 79 Basispunkten zu zahlen.“

Einfach ausgedrückt: Diese Produkte sind spekulative Instrumente, die für den kurzfristigen Handel gedacht sind - was höchstwahrscheinlich weder für Sie, noch für mich, noch für den durchschnittlichen Anleger in Frage kommt. Wir haben nicht immer die Zeit, das Wissen oder die Fähigkeiten, die erforderlich sind, um diese Produkte mit ihren komplexen Risiken und hohen Kosten erfolgreich zu steuern.

Das sind schlechte Voraussetzungen und deshalb: Finger weg.

 

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