Wer in diesen Tagen Investorenkonferenzen besucht, könnte den Eindruck gewinnen, es handele sich um politische Kolloquien: Griechenland raus aus dem Euro? Bekommen die Technokratenregierungen in Rom und Athen die Finanzen der Länder in den Griff? Flutet die Europäische Zentralbank die Märkte mit Geld im Zuge einer europäischen Variante des „quantitative easing“? Auch auf der Morningstar Investment Conference in Zürich am 23. November standen die politischen Entwicklungen hoch auf der Agenda der Investoren, wie immer wieder auf und Abseits des Konferenz-Podiums in Gesprächen deutlich wurde.
Vor allem die Auswirkungen der politischen Turbulenzen in der Eurozone waren ein großes Thema. „Schweizer Anleger halten in diesen Tagen vor allem Cash“, lautete der frustrierte Tenor bei vielen der anwesenden Banker und Vermögensverwalter. Das ist vor allem für die Private Banker unangenehm, die wenig Ausweichmöglichkeiten auf klassische Retail-Bankprodukte haben und somit vom Käuferstreik besonders betroffen sind.
Die eidgenössischen Banken haben dabei nicht nur mit der Verunsicherung der Kunden im Zuge der jüngsten Finanzkrise zu kämpfen. Sie müssen sich nach Einschätzung von Pierin Vincenz, CEO der Raiffeisen Gruppe, vielmehr neu erfinden. „Die Banken kämpfen mit geringen Wachstumsraten und sinkenden Margen. Sie müssen sich neue Strategien überlegen“, forderte Vincenz auf der Keynote-Rede der Morningstar-Konferenz. Die Finanzkrise müsse „endlich“ Anlass geben, sich auf die Kundenbedürfnisse zu besinnen. „Das wird über Erfolg und Misserfolg eines Instituts entscheiden“, so der Raiffeisen-CEO weiter, der eine Entfremdung der Kunden von den Banken feststellte. Unter anderem müssten die Banken ehrlicher in der Gebührenfrage vorgehen. Er hob dabei explizit den Vertrieb von strukturierten Produkten hervor. „Strukturierte Produkte sind die richtige Wahl, wenn es darum geht, Umsätze zu machen. Ich habe allerdings meine Zweifel, ob das der richtige Weg ist“. Die Schlussfolgerung des Raiffeisen-Chefs: Nicht der Produktverkauf müsse das Ziel der Banken sein, sondern die Zufriedenheit des Kunden. „Wer eine ehrliche Beratung anbietet, dessen betriebswirtschaftlicher Erfolg ist garantiert“, so Vincenz.
Hart ins Gericht ging Pierin Vincenz auch mit der bisherigen Praxis am Bankenstandort Schweiz ins Gericht, dem Geld ausländischer Steuerflüchtlinge eine Heimat zu bieten. Im Zuge des Abkommens mit Deutschland werde künftig nur noch versteuertes Vermögen in die Schweiz verbracht. Auch die USA machten Druck auf die Schweiz. „Das alles drückt auf die Margen“, sagte Vincenz, der eine „Vorwärtsstrategie“ der Eidgenossen forderte. Der Finanzplatz Schweiz habe viele Vorteile zu bieten; diese würden helfen, dass die Schweizer Banken „weiter gute Geschäfte tätigen“.
Aus der Renditeklemme mit Alternatives?
Einen Ausblick auf die Kapitalmärkte und die Folgen für die Anlagestrategie der schweizer Pensionskassen gab Martin Gubler, Geschäftsführer der Zürich Invest. Er nannte die historisch tiefen Kapitalmarktzinsen, die turbulenten Aktienmärkte, das schwächere Wirtschaftswachstum sowie die Unsicherheit über die Inflationsentwicklung als Herausforderungen für die Kassen. Beispielhaft führte er die Anlagepraxis der Pensionskassen im Immobiliensektor auf. Auf dem hiesigen Immobilienmarkt sei mangels Alternativen ein Nachfrageüberhang zu konstatieren; die Nettoeinkaufsrenditen seien entsprechend auf einem sehr tiefem Niveau. Der Zürich-Invest-Chef plädierte für eine Internationalisierung der Immobilienstrategie: In Europa sei die Marktliquidität höher und die Auswahl wesentlich breiter. Zudem seien Immobilien außerhalb der Schweiz günstig bewertet, der Einstiegszeitpunkt günstig. Besonders aussichtsreich sind nach Auffassung Gublers alternative Anlagen, wie Infrastruktur, Rohstoffe und – vor allem – Private Equity.
In diesem Zusammenhang kritisierte er die eidgenössischen regulatorischen Einschränkungen für Pensionskassen: Die Regulatoren würden hohe Hürden für Investments in Private Equity hängen, obwohl das Risiko angesichts der üblichen breiten Streuung in die nichtbörsennotierten Unternehmen deutlich geringer sei als in Schweizer Blue Chips, ein Aktiensegment, das angesichts der Dominanz großer Konzerne ein hohes Konzentrationsrisiko aufweise. „In die Aktien von Swiss Air zu investieren, hat vielen Geschadet“, blickte Gubler zurück. Er machte sich in diesem Zusammenhang für das Segment der Anlagestiftungen stark. Diese seien ausschließlich auf Schweizer Pensionskassen fokussiert und böten Sicherheit.
Finanzmarktregulierung und die Folgen für Vermögensverwalter
Die Folgen der zunehmenden Finanzmarktregulierung für Vermögensverwalter wurde in einem weiteren Panel diskutiert. Teilnehmer waren Matthäus Den Otter, Geschäftsführer der Swiss Fund Association (SFA), Daniel Häfele, Acolin Fund Services, Iqbal Khan von Ernest & Young, Gerhard Schreiber von Swiss Hedge Capital und Thomas von Ditzhuyen von Swiss Global & Asset Management sowie Alexander Rabian, Vorsitzender der Geschäftsleitung SRO beim Vermögensverwalterverband VSV. Einig waren sich die Panelisten in der Einschätzung, dass die neue Regulierung im Zuge der Revision des Gesetzes über die kollektiven Kapitalanlagen mehr Aufwand und auch höhere Kosten für die Vermögensvewalter nach sich ziehen. Auch wenn dies eine nötige Anpassung an die AIFM-Richtlinie der EU darstelle, bringe die damit verbundene Schließung von Regulierungslücken durch das Vorgehen der Aufsichtsbehörde Aufwand und Ärger für Vermögensverwalter. So wurde von einigen Teilnehmern die Praxis der Aufsichtsbehörde FINMA als starr und auch stark formalistisch kritisiert.
Die Hürden für den Markteintritt für kleine Vermögensverwalter würden angesichts der regulatorischen Anforderungen hoch gehängt, kritisierte etwa Schreiber von Swiss Hedge Capital, der einen Erfahrungsbericht über die Onshore-Registrierung eines Hedgefonds seiner Gesellschaft schilderte. Eine Folge der strikteren Praxis der FINMA wurde konstatiert: Die in der Vergangenheit übliche Praxis, dass unregulierte Vermögensverwalter über eine Fondsleitung in der Funktion einer Anlageberatung de facto Fonds selber verwalteten, sei ein Auslaufmodell, so der Tenor der Diskussion. Derartige Produkte würden nicht mehr zum Vertrieb zugelassen. Doch das sei Teil einer Entwicklung: Die Kunden selbst würden strikt regulierte Produkte verlangen. Die Folge: Auch Vermögensverwalter würden zunehmend nur Produkte einsetzen, die europäisch reguliert sind.