Diversifikation oder der letzte Grund, Gold zu kaufen

Warum es sinnvoll sein könnte, das ökonomisch weitgehend nutzlose Edelmetall als Beimischung ins Portfolio zu legen. Eine Anleitung in 3 Akten.

Ali Masarwah 12.09.2012
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Nimmt man die Markteinschätzungen von Fondsgesellschaften und Banken als Indikator für eine Hype, dann befinden wir uns beim Thema Gold mitten in einer heißen Phase. Stichproben gefällig? „Als nächstes 12-Monats-Ziel sehen wir die Marke von 2.000 US-Dollar pro Feinunze, als langfristiges Ziel zumindest 2.300 US-Dollar“, so Ronald Stöferle, Analyst der Erste Group. „Die Zeit für Goldkäufe ist gekommen“, heißt es bei der Vermögensverwaltung Albrech & Cie. Euro-Anleger aus Deutschland würden dabei „in den kommenden Monaten“ sogar überdurchschnittlich profitieren, sollte der Euro im Zuge der Schuldenkrise weiter gegenüber dem Dollar abwerten. „Gold ist und bleibt der ultimative Hedge gegen eine weltweite Währungskrise“ sekundiert Alexander Seibold von der Seibold Capital. „Die Hyperinflation kommt. Sie wird herbeigeführt von Regierungen und Notenbanken“, warnt Thorsten Polleit von der Degussa Goldhandel GmbH,  um – wie könnte es anders sein? – Investoren Gold als ultimativen Schutz nahezulegen.

Da wären wir also: Hyperinflation, Währungskrise, Eurokrise, Untergang des Papiergeld-Regimes. Eine perfekte Rezeptur für Panikkäufe verunsicherter Anleger. Jedenfalls scheint das seit der Finanzkrise beschriebene Mantra, wonach Gold als „Sachwert“ das Anlegergeld schütze, auf fruchtbaren Boden zu fallen. Für Österreich hat etwa die Marktforschung GfK erhoben, dass im zweiten Quartal dieses Jahres 24 Prozent der Anleger Gold als „besonders interessantes“ Investment bezeichneten. 2007 waren es nur sieben Prozent. In der Schweiz legen die hohen Zuflüsse in Gold-ETF, eine eidgenössische Besonderheit am europäischen Markt für Anlagefonds, beredetes Zeugnis dafür ab, dass Gold auch jenseits der kriselnden Eurozone als sicherer Hafen gesehen wird.

Doch nicht nur Privatanleger, auch einige Profis greifen zu. Nach Meldungen der US-Finanzaufsicht SEC haben jüngst Hedgefondsmanager wie John Paulson und George Soros in großem Stil Gold gekauft. Paulsons Firma hat ihre Bestände am SPDR-Goldfonds im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 26 Prozent aufgestockt und hält damit Gold im Gegenwert von rund 3,9 Milliarden US-Dollar. Soros Fund Management hat im selben Zeitraum die Anteile am SPDR Gold sogar mehr als verdoppelt. Damit hortet der George-Soros-Fonds nunmehr Gold im Gegenwert von 137 Millionen US-Dollar.

Viele Anleger mögen sich nun ermutigt fühlen, Gold zu kaufen, frei nach dem Motto: „Paulson und Soros können ja wohl nicht irren!“. Und vielleicht geht die Welt ja wirklich unter?

Auch die Profis langen zuweilen kräftig daneben

Das ist mit Sicherheit eine falsche Denke, und wer derartige Gründe für ein Gold-Investment anführt, der sollte besser die Finger davon lassen. (Soros und Paulson können natürlich irren. Sie haben in der Vergangenheit sogar häufig Geld in den Sand gesetzt. Paulson übrigens jüngst mit einer - freundlich formuliert - zumindest verfrühten Wette gegen deutsche Staatsanleihen. Man könnte auch problemlos etliche „Legenden“ aufführen, die Gold nicht mit spitzen Fingern anfassen würden. Warren Buffett gehört dazu und hat das jüngst auch öffentlichkeitswirksam verkündet (lesen Sie mehr hier).

Warum man sich nicht aus Angst vor dem Euro-Crash bzw. der Staatsschuldenkrise in den Industrieländern mit Gold eindecken sollte? Nun, wollen wir ein Extremszenario zu Ende zu denken: Nehmen wir an, es kommt so, wie es die Schwarzmaler sehen und die Industrieländer versinken im Chaos, und die Inflation grasiert. Gut möglich, dass Gold dann tatsächlich zu einer Art Ersatz- bzw Schattenwährung avanciert. Der Goldpreis könnte explodieren.

Aber welche Vorteile könnten dann die stolzen Besitzer von Goldbarren in der Praxis genießen? Werden sie beim Bäcker einige Goldspäne von ihrem 50-Gramm-Barren abhobeln und dafür 5 Brötchen kaufen? Wo lagern Goldbesitzer dann ihren Schatz, wo ist er sicher? Im heimischen Garten, den der verarmte Nachbar, ein ehemals stolzer Besitzer einer Lebensversicherungspolice, mit Argusaugen im Blick hat? Werden Goldbesitzer überhaupt in der Lage sein, ihre Barren aus dem Tresor in London sicher über die Grenzen zu schmuggeln? Eine der ersten staatlichen Maßnahmen in Zeiten einer umfassenden Finanz- und Wirtschaftskrise dürfte die Einführung von Kapitalkontrollen an den Grenzen sein. 

Meine These: Goldbesitzer würden in einem Zustand von Chaos und politisch-gesellschaftlichen Verwerfungen vermutlich ein sehr unsicheres und möglicherweise auch kurzes Leben führen. Mein (nicht ganz ernstgemeinter) Tipp: Wenn Sie glauben, die Welt geht unter, dann kaufen Sie beizeiten Ackerland, Getreidesamen und schulen Sie auf Bauer um. Und vergessen Sie nicht, sich eine Schrotflinte zuzulegen und Ihr Grundstück bombensicher einzumauern: Das werden Sie nötig haben, denn Sie müssen sich ja die vagabundierenden Obligationen-Investoren vom Leib bzw. vom Acker halten!

Doch kommen wir wieder zum Thema: Um die Aufgeregtheit aus der Debatte zu nehmen, wollen wir zunächst die Gründe für und wider ein Goldinvestment nüchtern abwägen. Diese Übersicht bildet den Auftakt einer vierteiligen Serie, in der wir der Frage nachgehen, welche Form ein Goldinvestment annehmen könnte. (Um es vorweg zu nehmen: Ja, es gibt einen Grund, Gold zu kaufen – bleiben Sie also dran!)

Ökonomisch wenig sinnvolles Spekulationsobjekt  

Nachdem wir zu Beginn uns einige Marketing-Argumente von Finanzdienstleistern pro Gold-Investment zu Gemüte geführt haben, wollen wir nun einige Gegenargumente aufführen: Gold hat keinerlei intrinsischen Wert. Das gelbe Metall erwirtschaftet keine Gewinne und keinerlei Cashflows, wie es bei Aktien der Fall ist. Gold bringt auch keine laufenden Zinszahlungen oder Dividenden. In der Theorie heißt es, dass der Wert einer Aktie bzw. eines Unternehmens der Summe der künftigen Cashflows entspricht. Da das bei Gold nicht der Fall ist, wird deutlich, dass es sich um ein pures Spekulationsobjekt handelt: Es ist das wert, was jemand bereit ist, dafür zu zahlen. Insofern sollten Sie hellhörig werden, wenn jemand sein persönliches Preisziel für Gold als „fairen Wert“ verbrämt. Es gibt keinen fairen Preis für Gold, weil dieser schlicht nicht zu ermitteln ist! 

Und hier wird ein zentraler Unterschied zu anderen Rohstoffen wie Öl oder Weizen deutlich: Zwar erwirtschaften auch diese Rohstoffe keine Cashflows, aber der Nachfrage nach ihnen liegt ein klarer ökonomischer Nutzen zugrunde. Das ist bei Gold anders, oder haben Sie einmal versucht, Ihr Auto mit Gold zu betanken oder es zu essen? Wie der World Gold Council jüngst berichtete, landet weniger als 10% der Gold-Nachfrage bei der Industrie, also im Wirtschaftskreislauf. Das meiste Gold wird als Investment gebunkert oder zu Schmuck verarbeitet (der ebenfalls gebunkert wird).

Ein letztes kritisches Wort zur vermeintlichen Funktion von Gold als Inflationsschutz. Es handelt sich hier um ein Mythos, der sich aus der Hoffnung vieler Finanzdienstleister auf ein schnelles Geschäft speisen dürfte. Inflationsbereinigt verlor Gold zwischen 1980 und 2001 gut 80% seines Wertes. Und selbst in Zeiten, in denen Gold und Geld identisch waren, gab es Perioden erhöhter Inflation: Die Herrscher vergangener Zeiten hatten die Neigung, in Zeiten knapper Kassen den Goldanteil in den offiziellen Münzen zu reduzieren - mit den Folgen, die man heute vielfach dem Euro prophezeit!

Gold in die Tonne treten? So einfach ist es nicht

Man könnte nun zum Schluss kommen, dass ein Gold-Investment wegen des fehlenden ökonomischen Nutzens und angesichts eines Preises von knapp 1.700 US-Dollar zu spekulativ sei. Doch hier kommen wir wieder zu dem Punkt, dass der wahre Wert von Gold schwer bzw. unmöglich zu taxieren ist. Zwar hat Gold im September 2011 mit knapp 1.900 US-Dollar pro Feinunze seinen historischen Höchstpreis erreicht. Real gesehen ist der Goldpreis allerdings weit weg von seinem Höchststand vom Januar 1981, als der Goldpreis nach heutigen Maßstäben bei gut 2.350 US-Dollar lag. Angesichts der begrenzten Goldvorkommen ließe sich also durchaus die These vertreten, dass noch reichlich Luft nach oben vorhanden sein könnte. Zumal Gold traditionell in Krisenzeiten als Fluchtwährung genutzt wird: Gold entfaltet seine Wirkung als Katastrophen- und nicht als Inflations-Hedge!

Aber welchen Nutzen hat Gold, nun da wir ermittelt haben, dass man es weder essen noch als Benzin-Substitut verwenden kann? Die Antwort lautet: Im Portfolio-Kontext kann Gold durchaus Nutzen stiften: Wer sein Aktien-Renten-Portfolio breiter aufstellen möchte, der ist mit Gold am ehesten auf der „sicheren“ Seite: Mit der Ausnahme von Anleihen hat in den vergangenen Jahren kaum ein Asset so gut seine Rolle als Diversifikationsquelle in Aktienportfolios erfüllt wie Gold.

Wie die Übersicht unten zeigt, bewegte sich der SMI in den vergangenen 3 Jahren  im Gleichklang mit anderen Aktien-Indizes. Zwischen September 2009 und August 2012 lag die Korrelation des SMI zum MSCI Welt bei 0,67. Besser hätte eine Beimischung des S&P 500 in einem SMI-Portfolio gewirkt: Hier lag die Korrelation bei nur 0,51.

Wie die 6. Zeile der unteren Tabelle zeigt, waren auch Obligationen kein optimaler  Diversifzierer in einem Aktienportfolio: Mit 0,43 zeigte der SBI Domestic Government TR kein völlig anderes Verhalten als der SMI. Eine Beimischung von Gold wäre bei einem Korrelationswert von minus 0,03 gegenüber dem SMI die beste Wahl in den vergangenen drei Jahren gewesen. Deutlich weniger effektiv wäre indes die Beimischung eines breit streuenden Rohstoffkorbes gewesen: Der SMI  und der DJ UBS Commodity TR wiesen in den vergangenen 3 Jahren eine positive Korrelation von 0,43 auf. Rohstoffe per se sind also weniger gute Diversifizierer als es gemeinhin vielleicht angenommen wird.

Tabelle: Portfolio-Korrelationsmatrix der letzten 3 Jahre

Dieses Bild ändert sich mit Blick auf Gold nicht wesentlich, wenn man längere Zeiträume bemüht. In den vergangenen 10 Jahren waren Gold und Anleihen die besten Diversifzierer in einem SMI-Portfolio, wobei die Beimischung von Gold auch längerfristig effektiver gewesen wäre. Interessanterweise zeigt sich bei den unterschiedlichen Aktienindizes in der längeren Frist sogar ein größerer Gleichklang, während die Diversifikationswirkung von breit streuenden Rohstoffkörben vor 10 Jahren größer war als in den vergangenen 3 Jahren. 

Tabelle: Portfolio-Korrelationsmatrix der letzten 10 Jahre

 

Eine für die Praxis wichtige Frage lässt sich ebenfalls aus den beiden oberen Korrelationsmatritzen ablesen: So gut Gold als Diversifizierer bei Aktienportfolios wirkt, desto weniger wirksam ist er mit Blick auf Anleihen: In vergangenen 3 Jahren betrug die Korrelation von Gold zum SBI 0,47, in den vergangenen 10 Jahren war die Korrelation mit 0,30 zwar niedriger, aber immer noch leicht positiv.

Insofern ist es nur logisch, dass die Goldquote im Portfolio-Kontext auf Kosten der Aktienseite aufgebaut werden sollte. Dafür spricht auch, dass das Risikoprofil von Gold dem von Aktien sehr nahe kommt. In den vergangenen drei Jahren lag die Schwankungsintensität beim Goldpreis deutlich höher als bei Schweizer Aktien: Während die Volatilität des SMI von 2009 bis 2012 im Schnitt nur bei 13% pro Jahr lag, war sie beim Goldpreis mit 20,39% sehr viel höher. Das zeigt, dass Gold kein risikoarmes Investment ist und durchaus auch ein veritabler Verlustbringer sein kann. In den vergangenen 12 Monaten schwankte der Goldpreis zwischen 1.876 und 1.543 US-Dollar - was einen möglichen maximalen Verlust  von gut 17,5% impliziert! Bei Gold existiert zudem auch ein Fremdwährungsrisiko, da der Preis auf US-Dollar lautet.

Und wie hoch sollte die Gewichtung von Gold im Portfoliokontext sein? Diese Frage lässt sich naturgemäß nicht für alle Anleger beantworten. Die Antwort hängt von den Bedürfnissen und der Risikotoleranz des konkreten Anlegers ab. Da Gold allerdings überwiegend als Beimischung verwendet werden sollte, könnten 5 bis 10% eine reelle Größenordnung in breit diversifizierten Portfolios darstellen.

In den kommenden Wochen werden wir näher auf die Frage eingehen, in welcher Form Gold seinen Weg in Ihr Portfolio finden könnte.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich