Energieaktien-ETFs zwischen Value-Chance und Iran-Angst

Mit dem Fall des Ölpreises sind auch Energieaktien in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Sektorbewertung per Ende Juni 2015 zeigt allerdings ein günstiges Kurs-Fair-Value-Verhältnis. Unser Bericht über Energie-Indizes und entsprechende ETFs.

Michael Haker 22.07.2015
Facebook Twitter LinkedIn

Rohstoffe können in einem Portfolio ein Diversifikationsinstrument sein. Manchen Anlegern ist ein direktes Rohstoff-Investment allerdings zu tückisch. Denn eine Direktanlage ist nur über Futures möglich, und die Futures-Märkte folgen ganz eigenen Gesetzen. Hier gilt es, neben dem Spot-Preis, die Roll-Renditen, den risikofreien Zins sowie die Korrelationen zu beachten. Wir haben häufiger über die ganz besonderen Eigenarten bzw. Fallstricke solcher Investments berichtet (hier, hier und hier). Insofern dürften für viele Investoren Energie-Unternehmen, also Aktien-Investments, ein probater Proxy zum Energiemarkt darstellen. 

Den absoluten Tiefpunkt seit der Finanzkrise erreichte der Ölpreis Mitte Januar dieses Jahres. Mit ihm sind auch die Aktienkurse der Ölverarbeiteten Unternehmen gefallen. Mittlerweile haben sich die Preise zwar etwas erholt, notieren aber nach wie vor auf niedrigem Niveaus. Wie an der Börse üblich, wird bei derart schlechten fundamentalen Nachrichten wenig diskriminiert. Fraglich ist, ob die rapiden Abschläge seit Mitte 2014 in dem Ausmaß gerechtfertigt sind.

Energie von allen Aktiensektoren am günstigsten bewertet 

Unsere globale Übersicht zur Bewertung der Aktiensektoren zur Jahresmitte zeigt, dass Titel im Sektor Energie im Schnitt günstig bewertet sind (lesen Sie hier mehr). Per 30. Juni 2015 liegt der Median des Kurs-Fair-Value Verhältnisses (KFVV) im Sektor Energie bei 0,89. Das bedeutet, dass nach Einschätzung unserer Aktienanalysten über die Hälfte der Unternehmen dieses Sektors günstig bewertet sind.

So verlockend diese Zahlen auch erscheinen mögen, ist das noch kein Grund zur Euphorie. Der große Schatten, der momentan über dem Energiesektor liegt, ist das Ungleichgewicht bei Angebot und Nachfrage. Das Ungleichgewicht ist hier so groß wie in den letzten 20 Jahren nicht mehr. Zudem könnte bald der Iran im Zuge der Aufhebung von Wirtschaftssanktionen verstärkt Erdöl exportieren. Zwar dürfte das Land die alten Fördermengen von einer Million Barrel pro Tag so schnell nicht wieder erreichen. (Dazu wären Investitionen ausländischer Geldgeber und entsprechendes Knowhow notwendig.) Sofern der Westen bis Mitte 2016 die Sanktionen gegen den Iran aufhebt, könnten bis Ende 2016 aber zwischen 500.000 bis 800.000 Barrel pro Tag zusätzlich auf den Ölmarkt weltweit gelangen. Kurzfristig dürfte sich das auf den Ölpreis auswirken und der Branche ungemütliche Zeiten bescheren, die Margen belasten und letztlich auch das Investitionsvolumen negativ beeinflussen. 

Doch dies ist eher der mittelfristige Horizont. Langfristig sehen unsere Schätzungen die Preise für Rohöl allerdings wieder bei 75 USD je Barrel für die Sorte Brent und 69 USD je Barrel für die Sorte WTI. Auch eine Erhöhung der iranischen Erdölproduktion würde unsere Erwartungen hinsichtlich der Grenzkosten nicht ändern. 

Drei Aktienindizes im Fokus

Von höheren Ölpreisen profitieren insbesondere die ölverarbeitenden Unternehmen – ihre Aktienkurse korrelieren in hohem Maße mit den Rohstoffpreisen. Im Folgenden stellen wir drei unterschiedliche Indizes vor, die ausschließlich Unternehmen des Energiesektors enthalten. Sie alle generieren ihren Umsatz und die Erlöse zu einem Großteil aus dem Geschäft mit Öl und Erdgas. Grundlage für unsere Auswahl sind die vom Volumen her größten ETFs, die in Europa zum Vertrieb zugelassen sind und Indizes mit Energiewerten abbilden. 

STOXX Europe 600 Oil&Gas 

Hierbei handelt es sich im einen Subindex des STOXX Europe 600, der ausschließlich die Unternehmen enthält, die ihren Umsatz primär aus dem Geschäft mit Rohöl und Erdgas generieren. Die Nomenklatur kann insofern missverstanden werden, da dieser Performance-Index eben nicht 600, sondern 24 Einzelwerte enthält, die nach dem frei gehandelten Marktkapital gewichtet sind. Unternehmen, die mit der Förderung, Verarbeitung und insbesondere dem Absatz von Treibstoff ihren Umsatz generieren, machen über 85% im Index aus. 

Bei der Ländergewichtung sind Aktien aus Großbritannien am stärksten vertreten (56,3%), gefolgt von französischen (16,3%), italienischen (10,7%) und norwegischen (5,8%) Unternehmen. Anfang Januar lag das Gewicht französischer Titel in dem Index noch bei 25%, Großbritannien machte 47% aus. Damals wie heute „glänzt“ der Index durch seine Kopflastigkeit. Die zehn größten Werte haben ein Gewicht von 90%, bei den Top 5 sind es zusammen 77,6%. Wer auf den Index setzt, investiert also primär in BP (25,5%), Royal Dutch Shell (15%), Total (15%), die englische BG Group (12%) und ENI (10,1%). Die Überprüfung und Neugewichtung des STOXX Europe 600 Oil&Gas erfolgt alle drei Monate.

MSCI World/Energy 

Im MSCI World/Energy sind aktuell 107 Large- und Midcaps aus 23 entwickelten Märkten weltweit enthalten. Den größten Anteil machen Aktien aus den USA (61,7%), Großbritannien (15,1%), Kanada (10,7%) und Frankreich (4,5%) aus. Für den Index qualifizieren sich solche Unternehmen, die nach dem GICS-Standard als Energiewerte klassifiziert sind. Zudem müssen die Titel bestimmte Kriterien wie Liquidität, Größe nach Marktkapitalisierung und Handelsdauer erfüllen. Die Hälfte des Index machen Unternehmen aus, die Öl und Gas fördern, transportieren, verarbeiten und vertreiben; sie werden auch integrierte Öl- und Gas-Unternehmen genannt. 

Den zweitgrößten Anteil haben Firmen, die sich auf Förderung und Erschließung spezialisiert haben (20,8%), gefolgt von Ausrüstern und Dienstleistern (10,7%). Der Index ist ebenfalls kopflastig, da die zehn größten Titel 51% ausmachen. Unter den Top-5 sind alleine vier Integrated Oil&Gas-Firmen: Exxon Mobil (14,3%), Chevron (7,4%), BP (4,9%), Royal Durch Shell (4,5%) sowie der weltweit größte Öldienstleister Schlumberger (4,5%). Die Neugewichtung erfolgt halbjährlich, Überprüft wird der Index alle drei Monate.

Morningstar MLP Composite 

Der Index hat eine völlig andere Zusammensetzung und Struktur, da er sich nicht auf den klassischen Aktienmarkt beschränkt. Der Morningstar MLP Composite-Index enthält vielmehr MLPs – Master Limited Partnerships. Es handelt sich dabei um Limited Partnerships, die an der Börse gehandelt werden. Der Vorteil gegenüber einer regulären Aktiengesellschaft ist, dass sie keine Einkommenssteuern zahlen, hat jedoch die Vorteile der begrenzten Haftung, wie eine AG. Aufgrund der Gesetzgebung in den USA dürfen nur solche Unternehmungen die Rechtsform MLP haben, die mindestens 90% ihres Einkommens aus dem Geschäft mit Rohstoffen oder Immobilien generieren. 

Der Index ist so konstruiert, dass er 97% der Marktkapitalisierung von Energie-MLP abdeckt, die an drei US-Börsen NYSE, NYSE Amex Equities und Nasdaq gehandelt werden. Die Gewichtung der Titel erfolgt nach ihrer jährlichen Ausschüttung in US-Dollar, allerdings ist die Gewichtung je Titel bei 10% gedeckelt. Die Zusammensetzung des Morningstar MLP Composite besteht vornehmlich aus Energietiteln in den USA. Den ganz überwiegenden Anteil machen Lagerung und Transport von Öl und Gas aus (81%), danach die Verarbeitung und der Verkauf (7,5%) sowie Produktion und Erschließung (6%) von Öl und Gas. Zu den Top-Werten gehören Enterprises Products Partners (9,9%), Energy Transfer Partners (8,6%), All American Pipeline (7,7%), Williams Partners (6,3%) und Energy Transfer Equity (5,8%). Die Neugewichtung des Index erfolgt alle drei Monate, die Zusammensetzung wird jedes halbe Jahr überprüft und gegebenenfalls angepasst. 

ETFs auf Energie-Indizes 

Kommen wir zu den ETFs, welche die drei vorgestellten Indizes abbilden. Schon auf den ersten Blick ist die Nische zu erkennen: Diese ETFs bringen weit weniger Vermögen auf die Waage als solche, die Standardwerte-Indizes abbilden. Für jeden der drei Indizes ist kein ETF größer als 300 Millionen Euro. Zudem liegen die Kosten deutlich über denen von Standardwerte-ETFs. 

Die ältesten Produkte sind seit über 13 Jahren auf dem Markt und bilden den STOXX Europe 600 Oil&Gas ab. Der vom Volumen her größte ETF kommt vom Marktführer iShares mit einem verwalteten Vermögen von über 290 Millionen Euro. In der Tendenz lässt sich sagen, dass mit abnehmendem Alter auch das verwaltete Vermögen weniger wird. Das jüngste Produkt auf europäische Energieaktien kommt von der Commerzbank-Tochter ComStage, ist seit 2008 auf dem Markt und ist mit knapp 10 Millionen vergleichsweise klein. 

Grafik: Auswahl an Energieaktien-ETFs 

Beim globalen Energie-Index von MSCI sind die ETFs unserer Auswahl bis zu sechs Jahre alt. Von Amundi kommt hier der älteste Indexfonds, der aktuell etwas mehr als 62 Millionen Euro verwaltet. 

Am jüngsten in unserer Auswahl ist der Source-ETF, der den Morningstar MLP Composite Index abbildet. Den Index selbst gibt es bereits seit dem Juni 2000, ist jedoch erst seit Mai 2013 investierbar. Dennoch haben Anleger bereits ein vergleichsweise stattliches Vermögen von insgesamt 222 Millionen Euro in den Source-ETF investiert. Der ETF ist damit der zweitgrößte unserer Auswahl. 

Energie-ETFs kosten mehr als Standardwerte-Produkte 

Beim Source-ETF, der ausschließlich Master Limited Partnerships beinhaltet, müssen Anleger 50 Basispunkte berappen. Kein anderer ETF unserer Auswahl ist teurer. Energieaktien gibt es deutlich günstiger bei ComStage. Bei der Commerzbanktochter bildet man den STOXX Europe 600 Oil&Gas für nur 25 Basispunkte ab. Das obere Ende bei den Kosten für den STOXX Europe 600 Oil&Gas markiert der iShares ETF. 

Für den ETF auf den etwas weniger kopflastigen MSCI World/Energy müssen Anleger zwischen 35 und 45 Basispunkte pro Jahr bezahlen, wobei das größte Produkt zugleich das günstigste ist: der Amundi ETF MSCI World Energy. 

Ölpreis hat die Performance gedrückt 

Für beide Aktien-Indizes gilt, dass der jüngste Absturz des Ölpreises die Wertentwicklung auch für längerfristige Anleger verhagelt hat. Das Bild ist insgesamt nicht berauschend und die Renditen bewegen sich seit dem Jahr 2010 pro Jahr im einstelligen Prozentbereich. Auf eine Sicht von zwei Jahren liegen beide Indizes in etwa gleich auf. Bei europäischen Energietiteln ging es in den letzten zwei Jahren annualisiert um 3,2% bis 4% nach oben; der Weltweite MSCI-Energie-Index machte zwischen 2,9 und 3,6% gut. Auf eine Sicht von drei und fünf Jahren liegt der MSCI-Index um wenige Prozent vorne. 

Seit Mitte Januar 2015 erholt sich der Ölpreis von seinem Mehrjahrestief. Der 24 Werte umfassende STOXX Europe-Energieindex ist seit dem um gute 13% gestiegen, beim MSCI World/Energy lief es mit einem kleinen Plus von 2,3% bis 2,7% im laufenden Jahr nicht so gut. 

Im laufenden Jahr die schlechteste Wertentwicklung präsentiert der Source-ETF auf den Morningstar MLP Composite-Index: bislang ging es hier nur 0,75% nach oben. Dafür liegt der ETF auf zwei-Jahres-Sicht mit einer annualisierten Rendite von 5,9% vor den beiden Standardwerte-Indizes. Und auch die Verlustdaten sehen deutlich besser aus. 

Wie bereits erwähnt, weisen Energieaktien eine hohe Korrelation mit dem Ölpreis auf: In der Zeit zwischen dem 23. Juni 2014 und dem 16. Januar 2015 als der Ölpreis auf Talfahrt gegangen ist, gab der Morningstar MLP Composite nur 1,09% ab. Die beiden Blue-Chip-geprägten Indizes von STOXX und MSCI sind in diesen sieben Monaten hingegen um gut 23% beziehungsweise 13,7% gefallen. Auf Monatsebene ging es in den vergangenen drei Jahren um maximal 22,36% beim STOXX Europe 600 Oil&Gas nach unten, ETFs auf den MSCI World/Energy waren etwas nervenschonender und verloren maximal 15,4%. 

Anleger, die auf Energiewerte setzen wollen, sollten also gute Nerven mitbringen, insbesondere aufgrund der Korrelation zum Ölpreis, der sehr volatil sein kann und zudem zu einem nicht unerheblichen Teil von politischen Entscheidungen und Ereignissen beeinflusst wird.  In diesem Segment dürften sich deshalb vor allem Value-Investoren finden, die in den aktuell tiefen Preisen eine Anomalie sehen. Das erfordert starke Nerven, die vermutlich nur risikobereite Investoren bereit sind, aufzubringen.

Facebook Twitter LinkedIn

Über den Autor

Michael Haker  Michael Haker ist Research Editor bei Morningstar.