Auf der Suche nach den „ökonomischen Burggräben“

Wir haben unsere Aktien-Analysen mit dem Ziel durchforstet, wettbewerbsstarke Unternehmen nach bestimmten Branchen zu suchen. Gefragt waren dabei Aktien mit einem überdurchschnittlichen Sterne-Rating. Das Morningstar-Wide-Moat-Rating praktisch angewendet.

Karen Wallace 06.12.2017
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Für den Erfolg von Unternehmen sind Wettbewerbsvorteile essenziell. In unserem Aktien-Research konkretisieren wir diesen zunächst unbestimmten Begriff qualitativ und quantitativ. Am Ende steht das Economic Moat-Rating (zu Deutsch: ökonomischer Burggraben) in den Stufen „Wide“, „Narrow“ und „None“. Denjenigen unter Ihnen, die mit dem Begriff nicht vertraut sind, sei erklärt, dass sich die Idee eines wirtschaftlichen Burggrabens auf die Wahrscheinlichkeit bezieht, dass ein Unternehmen seine Wettbewerber über einen längeren Zeitraum auf Distanz halten kann. 

Einer der Erfolgsschlüssel beim Versuch, langfristig überdurchschnittlich gute Investments zu finden, besteht aus dem Kauf von Unternehmen, die es dauerhaft schaffen, der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein. Diese Fähigkeit - die man auch als Stärke und Nachhaltigkeit der Wettbewerbsvorteile eines Unternehmens interpretieren kann – erfassen wir mit dem Moat-Rating. 

So verfügt ein Unternehmen, das seit vielen Jahren Gewinne erwirtschaftet, die höher sind als die Kapitalkosten, vermutlich über einen derartigen Moat. Insbesondere ist das dann anzunehmen, wenn die Kapitalrenditen gestiegen oder relativ stabil geblieben sind. 

Letztlich sind es fünf wichtige Faktoren, die einem Unternehmen zu einem wirtschaftlichen Wettbewerbsvorteil verhelfen können und die wir als eine potenzielle Moat-Quelle einstufen. 

 

  • Netzwerkeffekte: Viele Menschen nutzen das Angebot.  
  • Immaterielle Vermögenswerte: Patente, Markenname, bewilligte behördliche Lizenzen und andere immaterielle Vermögenswerte, die Wettbewerber daran hindern, die Produkte eines Unternehmens zu kopieren, oder es einem Unternehmen ermöglichen, einen erheblichen Preisaufschlag zu verlangen. 
  • Kostenvorteile: Gesellschaften mit einem strukturellen Kostenvorteil können entweder Wettbewerber preislich unterbieten und dabei trotzdem ähnliche hohe Gewinnspannen erzielen, oder sie können marktgerechte Preise verlangen und dabei relativ hohe Ergebnismargen einfahren. 
  • Wechselkosten: Wenn es für Kunden zu teuer oder zu mühsam ist, die Produkte eines Unternehmens nicht mehr zu verwenden, dann verfügt eine Gesellschaft oft über Macht bei der Preisgestaltung. 
  • Größen-Effizienz: Wenn ein Nischenmarkt effektiv von einem oder wenigen Unternehmen bedient wird, kann es sich dabei um effiziente Größenvorteilung handeln.

 

Die branchenbezogene Verteilung der Aktien mit einem Wide-Moat-Rating schlüsselt sich in unserem Aktien-Universum wie folgt auf.

Grafik: In welchen Branchen Wide Moats zu finden sind

Graphik 1 moats

Der Industriesektor

Der Industriesektor verfügt über die meisten Unternehmen mit einem Wide-Moat-Rating. Diese Firmen besitzen eine große Vielfalt an Quellen für Wettbewerbsvorteile. Das wiederum hat möglicherweise mit der breit gefächerten Aufstellung dieses Sektors zu tun. So erklärt sich der Wide Moat bei Paycheck, einem Anbieter von Lohn- und Gehaltsabrechnungs-Dienstleistungen, mit lästigen Umstellungskosten und Kostenvorteilen, die sich aus Größenvorteilen speisen, die sich das Unternehmen im Laufe der Jahre in seiner Nische erarbeitet hat. Der Luft- und Raumfahrt- sowie Verteidigungs-Konzern General Dynamics profitiert dagegen neben hohen Wechselkosten von Größen-Effizienz und immateriellen Vermögenswerten. Hinzu kommen eine etablierte Wettbewerbsposition im Schiffbau und beim Segment der Waffentechnologie (vor allem bei Kampfpanzern) sowie das technologische Know-how.

Das Industrie-Unternehmen 3M profitiert seinerseits von Kostenvorteilen und Wechselkosten, insbesondere aber auch von immateriellen Vermögenswerten in Form von Patenten und einer starken Marke. Deere und Caterpillar haben wiederum Kultmarken aufgebaut, die mit hoher Qualität assoziiert werden und für die sie Preisaufschläge verlangen können. Wir erfassen das unter der Rubrik „immaterielle Vermögenswerte“.

Der Gesundheitssektor

Auch im Gesundheitssektor sind viele Unternehmen mit einem breiten Burggraben vertreten. Pharma-Konzerne wie Bristol-Myers Squibb, Amgen und Eli Lilly besitzen Wettbewerbsvorteile in Form von Patenten, die wir unter den immateriellen Vermögenswerten eingruppieren. 

Technologie-Unternehmen mit einem Wide-Moat-Rating typischerweise über immaterielle Vermögenswerte, Netzwerkeffekte oder hohe Wechselkosten zu verfügen. Alphabet etwa erfreut sich immaterieller Vermögenswerte und Netzwerkeffekten. Hier liegen die Wettbewerbsvorteile in der umfassenden technologischen Expertise bei Suchalgorithmen und dem maschinellen Lernen begründet sowie im Zugang zu und der Speicherfähigkeit von Daten, die für Werbetreibende als wertvoll erachtet werden.

Facebook verfügt wiederum über ein riesiges Netzwerk mit einer massiven Nutzerbasis in Verbindung mit immateriellen Werten. Das Unternehmen verfügt über eine riesige Sammlung von Daten, welche die Nutzer auf den verschiedenen Websites und Apps von Facebook dem Unternehmen anvertraut haben.

Die Software-Schmieden Adobe Systems und Autodesk haben Netzwerkeffekte entwickelt und profitieren von hohen Wechselkosten, die sie ihren qualitativ hochwertigen Softwarelösungen verdanken, die von vielen Fachleuten genutzt werden. Die Entwicklung und Implementierung von neuen Systemen wären für Konkurrenten kostspielig und zeitaufwändig.

Grafik: Median Kurs-Fair-Value nach Sektor

Moats grafik 2

Die Unternehmen mit den engen wirtschaftlichen Burggräben teilen sich etwas anders auf. Sie sind mit Abstand am stärksten unter den zyklischen Konsumgütern zu finden.

Immaterielle Werte sind die häufigste Wettbewerbsquelle für diese Gesellschaften. Beispielsweise verfügen Kasinos wie Las Vegas Sands und Wynn Resorts über Wettbewerbsvorteile, die von ihren etablierten Markennamen und Glücksspiel-Konzessionen an Standorten wie Macau getrieben werden. Kreuzfahrt-Betreiber wie Carnival und Norwegian Cruise Line Holdings verfügen über Vermögenswerte, Größen-Effizienz und Kostenvorteile. Sie haben nicht nur angesehene Markennamen, sondern für potenzielle Wettbewerber wäre es auch äußerst schwierig, so hohe Kapazitäten aufzubauen, dass sie mit den großen Vertretern aus dieser kapitalintensiven Branche konkurrieren können.

Grafik: In welchen Branchen die Unternehmen mit einem Narrow Moat zu finden sind

Narrow moat sector

Bei Einzelhändlern wie Nordstrom und Under Armour ist es so, dass sie über ihre Markennamen im Besitz von immateriellen Vermögenswerten sind, die ihnen eine beträchtliche Preisfestsetzungsmacht verleihen. 

Im Finanzdienstleistungs-Sektor stammen bei Banken mit einem engen Moat die Wettbewerbsvorteile oft aus Kostenvorteilen und manchmal auch aus hohen Umstellungskosten. Zum Beispiel hat speist sich das Narrow-Moat-Rating von Capital One Financial aus Kostenvorteilen durch jahrelang stetige Investitionen in das Informationstechnologie-System. Beigetragen dazu haben auch Kunden-Prämienprogramme, Werbeplattformen und zeitlich gut getimte Übernahmen. Das alles trägt zu einer treu bleibenden Basis an Karteninhabern bei.

Als größte Bank in den Vereinigten Staaten profitiert JPMorgan Chase von Größenvorteilen. Auch die Wechselkosten spielen eine Rolle, weil die Vorteile des Wechsels einer Bank im Vergleich mit dem dafür erforderlichen Zeit- und Arbeitsaufwand oft verblassen.

Börsennotierte Vermögensverwalter wie Waddell & Reed Financial, Federated Investors Janus Henderson Group, Legg Mason und Invesco punkten beim Faktor Wechselkosten und bei den immateriellen Vermögenswerten. Auch mögen die Kostenvorteile bei einem Anbieterwechsel nicht sonderlich groß sein, aber der Nutzen eines Wechsels von einem Vermögensverwalter zu einem anderen sind manchmal mit so vielen Unsicherheiten verbunden, dass viele Investoren den Weg des geringsten Widerstands gehen und einfach beim bisherigen Fondsanbieter bleiben.

Grafik: Median Kurs-Fair-Value nach Sektor

Narrow moats nach sektor

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Über den Autor

Karen Wallace  Karen Wallace is an editor with Morningstar.