Russischer Markt ist intakt

Die Festnahme Mikhail Khodorkovskys verursachte bei russischen Aktien, Anleihen und bei der Währung am Montag bei Börseneröffnung zu Panikverkäufen. An den langfristig positiven Aussichten jedoch hat sich nichts geändert.

Sten Blindkilde, 29.10.2003
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Die Verhaftung und Vorwürfe der Steuerhinterziehung und des Betrugs führten bei der Yukos-Aktie, dem Öl-Unternehmen Khodorkovskys, zu dramatischen Verlusten von mehr als 20 Prozent. Russlands größte Börse Micex unterbrach zum ersten Mal überhaupt den Handel für eine Stunde, um den Abwärtstrend zu stoppen. Die Zentralbank intervenierte mit dem Kauf von 550 Millionen Dollar, um die Währung zu stützen.

Am Ende des Tages hatte der russische Aktienmarkt zehn Prozent verloren. Im Wochenvergleich per heute liegen sämtliche Fonds der Kategorie Aktien Osteuropa im Minus, die Verluste schwanken zwischen drei und elf Prozent.

Bei der Analy

se des Status quo fällt der erste Blick auf den Finanzmarkt. Die eigentliche Frage ist jedoch, ob die russische Geschäftswelt korrupt ist oder sich das politische System in einer Krise befindet. Die Festnahme Khodorkovskys, des reichsten Mannes in Russland, ist nur der Gipfel von zuletzt vielen Verhaftungen und Untersuchungen bei führenden Geschäftsleuten in Russland und im oberen Management von Yukos. Zur gleichen Zeit haben einige Oligarchen das Land verlassen und ihr Vermögen außer Landes geschafft.

Der Vorgang um Khodorkovsky stellt die Art von Risiken heraus, die es seit langem in Russland gibt und die jetzt durch die kommenden Wahlen nicht mehr zu übersehen sind. Es beleuchtet die Unsicherheiten in der Gesetzgebung, bei den Eigentumsrechten, der Parteilichkeit der Strafverfolgung und der Gerichte und die Schwäche der Marktteilnehmer insgesamt, sagte Edward Parker, Direktor bei Fitch in London. Andere Beobachter weisen darauf hin, dass das Ziel Yukos keinen Angriff auf alle Oligarchen bedeutet noch auf die Geschäftswelt als Ganzes.

Khodorkovsky ist einer der vielen Oligarchen, die während der Privatisierungen in den Neunziger Jahren zu großem Reichtum gekommen sind. Viele Kommentatoren weisen auf Unregelmäßigkeiten und gesetzeswidrige Geschäfte während dieser Jahre hin, indirekt bestätigte dies die russische Geschäftswelt.

Trotzdem herrschte ein Waffenstillstand zwischen Präsident Putin und den Oligarchen, so lange diese sich nicht in Politik einmischten und die Regierung dafür die Vorgänge der Privatsierungs-Jahre nicht weiter untersuchte.

Einige Oligarchen, vor allem vielleicht Mikhail Khodorkovsky, haben sich an diese Vereinbarungen nicht gehalten. Und in der Tat hat Khodorkovsky verschiedene politische, oppositionelle Parteien unterstützt. Viele Beobachter glauben deshalb, dass die Verhaftung der Versuch der Regierung ist, die mächtigen Konzernlenker von der politischen Bühne fernzuhalten und ihre Macht zu zerstreuen.

Putin hat klargestellt, dass er sich in die Untersuchungen so lange nicht einmischen wird, so lange sich Polizei und Behörden an die Gesetze halten. Gleichzeitig versicherte er auch, dass weder der Reformprozess noch die Privatisierungen in Russland umgekehrt werden.

Der Arrest an diesem Wochenende hat Ängste einer Kapitalflucht aus Russland aufkommen lassen. Die Oligarchen könnten größere Teile ihrer Vermögen in Sicherheit bringen, ausländische Investoren könnten mit neuen Investments zögern.

Dies passiert zu einem Zeitpunkt, zu dem Russland durch die Übernahme der Gesellschaft TNK durch BP im Februar sozusagen den Zuverlässigkeits-Stempel vom Westen erhält. Damals dachten viele, dass der Kauf das Startsignal für viele weitere Investitionen des Westens sein würde, und tatsächlich haben viele westliche Ölfirmen zuletzt ein Interesse an einem Einstieg bei Yukos gezeigt.

Gleichwohl verbessern sich die Fundamentaldaten Russlands weiter. Das Land hat hohe Wachstumsraten, der Wohlstand steigt. Dies wiederum unterstützte den privaten Verbrauch und führte zum Entstehen neuer Sektoren wie mobiler Kommunikation. Und die Reformen scheinen weiter zu gehen. Der langfristige Ausblick ist weiterhin positiv.

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