Bondchinesisch

Wenn Kursverluste die Kuponzahlungen aufbrauchen, wird’s für Rentenfondssparer eng.

Werner Hedrich 06.05.2005
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Die Renditen für zehnjährige Schuldtitel der Eurozone haben ein historisches Tief markiert. Leihen Sie der Bundesrepublik Deutschland für die nächsten 10 Jahre Ihr Erspartes, dann überweist Ihnen der Finanzminister jährlich 3,4 Prozent. Ob die Euro-Renditen weiter fallen oder steigen werden, sollen andere analysieren. Sie sollten sich dennoch über die potentiellen Risiken an den Anleihemärkten im Klaren sein. Das Risiko besteht ganz konkret darin, dass ein Anstieg der Kapitalmarktzinsen in der Eurozone zu Kursverlusten in den meisten Anleiheportfolios führen sollte. Nach der Bondhausse scheint das Aufwärtspotential beschränkt. Ein Anstieg des Zinsniveaus im Euroraum könnte die Entwicklung von Eurozone-Rentenfonds stagnieren und im schlimmsten Falle negativ rentieren lassen, weil Kuponzahlu

ngen nur einen Teil der Kursverluste kompensieren können. Mittelfristig sollten in Europa die Risiken mehr auf der Bondseite als auf der Aktienseite liegen.

An den Anleihemärkten agieren die Börsentiere Bulle und Bär spiegelbildlich zu den Aktieninvestoren. Grundsätzlich stehen Kursgewinnen von Zinstiteln fallende Renditen gegenüber und andersherum. Zinsspekulanten, die eine schwache konjunkturelle Entwicklung antizipieren, sind Rentenbullen, die auf Kurssteigerungen setzen. Bären sind hingegen diejenigen, die eine prosperierende wirtschaftliche Zukunft sehen. Sie meiden das Zinsänderungsrisiko nach oben, was Kursverluste bedeutet. Meister Petz setzt auf fallende Bondkurse und steigende Renditen. Er positioniert sich am kurzen Ende der Zinsstrukturkurve, weil dort die Kuponzahlungen zeitlich näher liegen. Oder anders: Die Duration bei kurzen und mittleren Laufzeiten ist geringer als bei Langläufern. Bondchinesisch?

Genau, es geht aber auch einfacher mit Hilfe der Anatomie Ihres Körpers zu erklären: Strecken Sie ihren Arm aus, so dass er sich waagrecht (horizontal) zum Boden befindet. Ich gehe davon aus, dass Sie gerade nicht im Bett liegen. Das kurze Ende der Zinsstrukturkurve (kurze Laufzeiten) ist der Anfang Ihres Arms, der am Schultergelenk beginnt. Das lange Ende (Laufzeiten länger als 10 Jahre) sind Ihre ausgestreckten Fingerspitzen. Wenn Sie jetzt versuchen zu fliegen (Flügelschläge auf und ab), dann heben Sie zwar nicht ab, verstehen aber Duration, die Zinsreagibilität von Anleihen. Die Bewegungs- oder Schwingungsmöglichkeit des Arms am Schultergelenk ist wesentlich eingeschränkter als an den Fingerspitzen. Heftiges flattern (auf und ab) kann sogar dazu führen, dass Sie das Gleichgewicht verlieren. Der Verlust der Balance steht für heftige Blessuren und Kursverluste an den Bondmärkten. Die Nähe zum Schultergelenk steht dagegen für eingeschränkte Bewegungsfreiheit. Hier kann der Arm nicht großartig auf und ab, weil er durch das Gelenk verankert ist. So auch an den Zinsmärkten: Die Schwankungsintensität - das Risiko von Kursverlusten bei Änderungen der Renditen - ist bei kurzen Laufzeiten begrenzt. Darum kaufen Konjunkturoptimisten in Erwartung steigender Renditen Anleihen am kurzen Ende der Zinsstrukturkurve. Am langen Ende, im zehnjährigen Bereich halten sich dagegen diejenigen auf, die weiter fallende Kapitalmarktrenditen erwarten und von steigenden Rentenkursen profitieren wollen. Na, schon abgehoben?
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Werner Hedrich