Was die US-Schuldenwarnung für Anleger bedeutet

S&P sagte uns nichts, was wir nicht schon wissen.

Jason Stipp 20.04.2011
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Wir sprachen mit Eric Jacobson, Anleihenexperte bei Morningstar, über die Intentionen von S&P und wie Anleger damit umgehen sollten.

Nachdem die Ratingagentur S&P am Montag den Ausblick für die Kreditwürdigkeit der USA senkte, waren die Märkte im Aufruhr. Was bezweckt die Ratingagentur?  

S&P sieht dies wahrscheinlich als eine Art Warnung, die ihre Befürchtungen über die politischen Entscheidungen in den nächsten Jahren zum Ausdruck bringt, d.h. ob der Kongress und das Weiße Haus in der Lage sein werden, zusammenzuarbeiten und eine  Lösung für die Fiskalprobleme der USA herbeizuführen. Die Sorge besteht, dass dies länger dauern könnte als man sich das erhofft hat.

Worauf schaut S&P und was war letztendlich der Auslöser für diese plötzliche Entscheidung am Montag?

Zunächst einmal würde ich sagen, dass Kreditratings für Staaten eine Kunst für sich sind. Es gibt zwar jede Menge Kennzahlen, die man berücksichtigen kann, wie S&P es eigenen Angaben nach auch tut (z.B. Schulden relativ zum BIP, ob die Wirtschaft breit aufgestellt ist, Einkommensquellen und Ausgaben, Unabhängigkeit der Zentralbank usw.), doch letztendlich ist die Einschätzung stark qualitativ geprägt. Momentan steht die Politik im Mittelpunkt und die Kernfrage lautet: Entscheidet sich ein Land, zu zahlen oder nicht zu zahlen? Trifft es Entscheidungen, die den Haushalt wieder auf eine solidere Basis stellen können?

Die Befürchtung ist dabei nicht, dass die USA nicht könnten, sondern dass sie sich dazu entscheiden könnten, nicht zu wollen. Die Risiken dieser politischen Entscheidungen stehen im Mittelpunkt.

Wir sahen die Reaktion am Aktienmarkt, doch was ist am Anleihenmarkt passiert? Gab es Verkäufe, da die Bonität bei bestimmten Anleihen nun als niedriger eingeschätzt wird als davor?

Die Angelegenheit ist kompliziert. Die Spreads der Kreditausfallversicherungen (CDS) auf US-Staatsanleihen weiteten sich etwas aus. Doch insgesamt gab der Anleihenmarkt am Montag nicht nach. Das galt für kurze Laufzeiten zu Beginn des Tages, doch am Ende des Tages schlossen auch 30jährige Anleihen im Plus.

Dies kann man unterschiedlich interpretieren. Zum einen mag es daran liegen, dass die Schuldenproblematik in den Kursen ohnehin schon enthalten ist. S&P hat uns schließlich nichts Neues gesagt, sondern nur bestätigt, was viele Leute ohnehin schon dachten. Der große Schritt bestand vor allem darin, dass die Ratingagentur es laut gesagt hat.  

Zum anderen können Furcht und Verunsicherung der Anleger letztendlich sogar dazu führen, dass sie gerade in Staatsanleihen als einer Art sicherem Hafen ihre Zuflucht suchen, obwohl es kontraintuitiv erscheint.

Letztendlich waren die Sorgen ohnehin schon da und niemand war wirklich überrascht, was die Kernproblematik angeht, doch sind die Anleger natürlich an das Best-Rating für die USA gewöhnt. Wenn man daran rüttelt, gibt es natürlich eine Reaktion.  

Somit lautet das Rating weiterhin AAA, doch der Ausblick von S&P ist nun negativ. Ist das Ausfallrisiko gestiegen?

Ich denke, dass niemand wirklich glaubt, dass für die USA ein erhöhtes Ausfallrisiko besteht – sicherlich nicht jetzt. Selbst wenn wir in die Zukunft schauen, dürfte das größere Risiko in der Inflation liegen, die durch das verstärkte Gelddrucken generiert wird. Wir haben sozusagen unsere eigene Gelddruckmaschine. Damit können wir mehr Schulden absorbieren und letztendlich Inflation bewirken. Diese senkt langfristig die Kosten des Schuldendienstes. Egal wie man dies nennt – manche sprechen von einer Art ‚soft default‘ – diese Entwicklung ist sehr viel wahrscheinlich als ein richtiger Zahlungsausfall.

Aktuell mache ich mir vor allem Sorgen darum, dass wichtige Entscheidungen angesichts der tiefen Gräben zwischen den Parteien und der kommenden Wahlen wieder ein paar Jahre aufgeschoben werden. Wer weiß, wie dann die ökonomische, politische und Haushaltssituation aussieht.

Wie sollten Anleger nun reagieren? Sollten sie etwas im Portfolio ändern, basierend auf den Ereignissen vom Montag?

Hoffentlich haben sich Anleger nicht erst seit Montag Gedanken über die Schuldenproblematik gemacht. Egal wie man die Risiken interpretiert, dürfte feststehen, dass Anleiheninvestoren im Fall von US-Staatsanleihen derzeit nicht angemessen dafür entschädigt werden, diese Risiken auf sich zu nehmen. Viele Fondsmanager, die wir schätzen, weichen deshalb bereits seit geraumer Zeit auf Unternehmensanleihen oder Staatsanleihen außerhalb der USA (inkl. der Emerging Markets) aus. Anleger sollten aber vor allem auf Fondsmanager vertrauen, die mit dem Management solcher flexibler Rentenstrategien bereits jahrelange Erfahrung gesammelt haben.

Danke für das Gespräch.

Eric Jacobson ist Director of Fixed Income Research bei Morningstar. Dieses Interview erschien ursprünglich am 19. April 2011 auf www. morningstar.com.

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Über den Autor

Jason Stipp  Jason Stipp is Site Editor for Morningstar.com